Die Habsburger – Mehr als Kinn und Unterlippe

Die Habsburger – Mehr als Kinn und Unterlippe

Alles begann mit Henry VIII, dem englischen Tudor- König. Dem Gewaltherrscher auf dem englischen Thron und seiner Tochter Mary.

Seit Jahrzehnten befasse ich mich mit der Geschichte der Tudors und damit natürlich eng verbunden – den Habsburgern. Schließlich war Mary I mit Philipp II von Spanien, einem Habsburger, verheiratet.

In die Schule ging ich in Speyer, wo im Dom der Stammvater des Hauses, König Rudolf I, beigesetzt ist.
Dazu kam dann Kaiserin Elisabeth II von Österreich. Jener Wittelsbacherin, die ebenfalls mit einem Habsburger (Kaiser Franz Josef) verheiratet war. Diese Aufzählung ließe sich schier endlos fortführen … Deswegen sage ich nur: Wer sich mit europäischer Geschichte befasst, kommt um die Habsburger nicht herum.
Und so empfand ich es als an der Zeit, endlich mal eine Monographie des Hauses zu lesen und wurde bei Martyn Rady fündig.

Zunächst erscheint das Buch monumental. Aber was kann man erwarten bei der Beschreibung einer Familiengeschichte, die mehrere hundert Jahre lang im Zentrum aller europäischen Ereignisse stand?

Aber das vorliegende Buch ist mehr als nur „ein Klotz“ von einem Buch. Es ist europäische Geschichte en gros und en Detail. Der Autor schafft es, beinahe einen Krimi zu schreiben. Das, was die Briten einen „Pageturner“ nennen.
Man will unbedingt wissen, wie es weitergeht.
Und das Buch ist noch viel mehr.
Man erhält einen Blick in das Weltwissen, denn die Familie hat mit all ihren verschiedenen Zweigen, nicht nur politisch und militärisch gewirkt, sondern auch in der Kunst und in der Wissenschaft.
Sei es die schier unbegrenzte Sammelleidenschaft, sei es die Manie, sich in die Alchemie hineinarbeiten zu müssen, die Welt verstehen zu wollen – all das findet sich in den Kapiteln des Buches.

Wir lernen mittels der international vernetzten Habsburger unglaublich viel über die Menschheitsentwicklung, aber auch über ihre Irrwege.
Besonders faszinierend hierbei, wie die politische und gesellschaftliche Entwicklung anhand bestimmter Aspekte der Kunst aufgezeigt werden.
So zum Beispiel der „schachspielende Türke“ – eine Maschine, die im 18. Jahrhundert Europa elektrisiert hat. Es handelte sich dabei um die Figur eines Türken, der (angeblich) Schach spielen konnte. Tatsächlich befand sich in der Installation ein kleinwüchsiger Schachspieler, der die Züge des Automaten steuerte.

Ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich die Angst vor einem türkischen Angriff zu Zeiten Maria Theresias in ein Unterhaltungsobjekt verwandelt hatte.

Am Beispiel des Vampir-Glaubens stellt uns der Autor den Eingriff des Rationalismus vor, der – im Auftrag Maria Theresias – belegen sollte, dass es sich bei dem Glauben an Vampire um nichts weiter als Aberglauben handelte.

Wissenschaftler wurden von der Herrscherin ausgeschickt, um diesen Aberglauben zu untersuchen und ad absurdum zu führen, was den Männern auch gelang. Verstand und logisches Denken befehlen – das ging wohl nur in diesen längst vergangenen Zeiten …

So ließen sich noch zahllose Beispiele dafür finden, wie der Autor uns nach und nach das Netz zu durchdringen hilft, zu dem Kaiser, Könige, Kaufleute, Bauern und Bettler gehören. Wie sie mit ihren ganz individuellen Interessen neue Zeiten und neue Denkweisen beförderten oder stoppten.

Ein wirklich spannendes Buch, das am Ende so viel mehr kann als nur die Geschichte der Habsburger darzustellen.

Das Ganze endet im Prinzip mit dem letzten Habsburger Kaiser Karl, der seinen Generälen erklärt, dass der Erste Weltkrieg keinen Sinn mehr mache, da man ihn nicht mehr gewinnen könne. Karl, ein ebenso kluger wie umsichtiger Mann, dem am Ende nichts blieb als das Exil.

Einen letzten Hauch von Habsburger Größe stellt Rady mit Otto von Habsburg vor, der als Europa- Abgeordneter die Umsicht und auch die Achtsamkeit, die gespeist wurden von Jahrhunderten habsburgischer Erfahrung, in die Tagespolitik einzubringen vermochte.

Für mich ist aber auch gerade Otto von Habsburg ein warnendes Beispiel gegen die Monarchie. Man darf es nicht der Macht des Schicksals überlassen, ob ein allgewaltiger Herrscher klug und umsichtig ist, oder brutal und dumm.
Was diese Macht des Schicksals anrichten kann, wenn sie in die Hände eines Einzelnen gelegt wird, zeigt das Beispiel der Habsburger.

Es sollte uns allen eine Warnung sein.

FAZIT: Ein Buch wie ein Krimi. Eine Tour de Force durch die europäische Geschichte. Allerdings weitaus mehr als eine Familiensaga. Der Autor schafft es, aus einzelnen Teilen das Bild des Ganzen erstehen zu lassen. Ein hervorragender, übersichtlich aufgebauter Anhang mit Literaturliste, Belegen, Stammbäumen und Personenregister rundet das Lesevergnügen ab.
Unbedingte Leseempfehlung!

FAKTEN:
Martyn Rady: Die Habsburger, Aufstieg und Fall einer Weltmacht, Rowohlt Verlag 2021, 623 Seiten, 34 €

Sophie Charlotte – ein bayerisches Frauenschicksal

Sophie Charlotte – ein bayerisches Frauenschicksal

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Am Ende wird alles gut.
Was Sisis Schwester Sophie Charlotte angeht, so kann man ohne Zweifel sagen, dass dieser Spruch nicht zutrifft.
Wenn es ein dramatisches Frauenschicksal im 19. Jahrhundert gibt, dann dieses.

Dem Autor Christian Sepp und einem für die Sophie Charlotte- Forschung wohl einzigartigen Fund ist es zu danken, dass endlich wesentliche, noch vorhandene Lücken in der Biografie von Sisis Schwester geschlossen werden konnten.
Von daher sei auch jedem die hier vorgestellte überarbeitete Neuauflage 2023 empfohlen.

Um eines gleich zu sagen: Sophie Charlotte war unwichtig. Sie hatte keinerlei politischen Einfluss. Ihre Ehe führte sie an die Seite eines exilierten Franzosen, dessen Familie insgesamt keinerlei Aussichten mehr auf den französischen Thron hatte.
Als Verlobte des bayerischen Königs Ludwig II betrat sie für ein paar Monate die Bühne der Geschichte und ging sogleich wieder ab, weil Ludwig sich nicht zu einer Eheschließung durchringen konnte.

Sophie stammte auch nicht aus einem „Broken Home“. Wenn der Vater auch durch Abenteuerlust und Abwesenheit glänzte, so erlebten die Kinder des Herzogs in Bayern und seiner Frau Ludovika doch eine idyllische, glückliche Kindheit.

Der Autor nimmt uns mit durch diese Kindheit und man kann sich bald bildhaft vorstellen, wie es in dieser großen Familie zugegangen ist.

„Du kannst Dir denken, lieber Papa, dass hie und da Unsinn getrieben wird. Gackel spielt, um die Gesellschaft zu unterhalten, endlose Scalen, worauf wir wie die Hühner schrien, Sophie eine Arie dazwischensang und der berühmte Pruß (= Hund der Familie) endlich anfing zu bellen – eine herrliche Katzenmusik.“ (Sophie Prinzessin von Sachsen, Ehefrau von Sophies Bruder Carl Theodor in einem Brief nach Hause)

Doch aus diesem Idyll wird Sophie bald vertrieben.
Sepp nimmt uns nun mit durch ihr wechselvolles Schicksal: von der gescheiterten Verlobung mit dem bayerischen König zu ihrer unglücklichen Liebesbeziehung zu Edgar Hanfstaengel, einem vermögenden Unternehmersohn.
Die Liebesgeschichte endet unglücklich, die beiden trennen sich.

Nun erleben wir, wie Sophie den gutaussehenden Herzog Ferdinand von Alençon kennen, -und lieben lernt. Die beiden heiraten, auch wenn er vielleicht nicht ganz erste Wahl sein dürfte, aber als abgelehnte Braut hat man nicht mehr so viel Auswahl.

Sophie bekommt zwei Kinder und die Familie, könnte – nicht zuletzt dank der finanziellen Unterstützung des Vaters von Ferdinand – ein gediegenes Leben führen.
Da aber tritt ein gewisser Dr. Glaser in Sophies Leben und jetzt wird es schwierig.

Bis zu den Nachforschungen Christian Sepps blieb Dr. Glaser eine sehr verschwommene Figur. Man wusste fast nichts über ihn. Inzwischen konnte Sepp aber wichtige Informationen zusammentragen.
Ich will hier nicht auf die Details eingehen, nur so viel: Glaser war zur Zeit der Affäre mit Sophie ein verheirateter Mann mit Kindern.

Im Gegensatz zum Autor ist nun mein Urteil der Affäre, die Sophie in eine Nervenheilanstalt brachte, nicht ganz so klar, wie Sepp es einschätzt.

Der Herzog von Alençon sorgt mit der Unterstützung von Sophies Familie für eine Einweisung in die Anstalt Maria Grün des Psychiaters von Krafft Ebing.

Was nun aber erscheint wie die brutale Disziplinierung einer aus Liebe aus dem Ruder laufenden Ehefrau, sehe ich doch etwas anders, denn bei den Quellen, die Sepp anführt, taucht immer wieder die tiefe Besorgnis des Ehemannes auf.
Die Briefe, die Sophie an Dr. Glaser schreibt und die abgefangen werden (jeweils 40 Seiten und mehr), scheinen von Fixierungen nur so zu strotzen. Dritte, die über Sophie schreiben, berichten von heftigsten Stimmungsschwankungen, unkontrollierbarer Aggression etc.
Mir will es so erscheinen, als habe sich mit Dr. Glaser (der Sophie in einem Brief als von Anfang an verrückt beschreibt) einfach ein Mensch gefunden, an den sich Sophie voll und ganz gehängt hat. Tatsächlich wird sich das Rätsel wohl nie lösen lassen, zumal ich keine Psychiaterin bin und die Quellen von daher nicht einschätzen kann.

Alençons Briefe und Handlungen werden von Sepp als die Aktionen eines Beinahe- Kontrollfreaks geschildert. So, wenn er kontrolliert wann die Kinder der Mutter schreiben dürfen und sie sehen.
Dies ist in meinen Augen allerdings in der damaligen Zeit gang und gäbe gewesen. Ich sehe ihn eher als einen Mann, der sich um seine Familie sorgt und mit jedem Punkt, den Sepp schildert, verfestigt sich eher mein Bild eines liebenden, hingebungsvollen Ehemannes, der von der Erkrankung der Frau überwältigt wird.

Nach all den psychischen Erkrankungen der Wittelsbacher, von denen wir wissen (oder doch zumindest der psychischen Auffälligkeiten) – kann es da nicht sein, dass das auch auf Sophie zutrifft?

Nachdem es ein nochmaliges Aufwallen ihrer Leidenschaft zu Dr. Glaser gegeben hatte, wobei dieser schon wieder neu vermählt war, beruhigte sich die Situation.
Die Ehe Sophies kehrte zurück in ruhige Fahrwasser und das Paar Alençon fand wieder zueinander.
Aber das Glück war von kurzer Dauer.
Am 4. Mai 1897 starb Sophie Charlotte beim Brand des Wohltätigkeitsbasars in Paris, wo sie am Stand der Dominikaner verkauft hatte.

Ein paar Gedanken zum Buch und zur Person Sophie Charlotte.
Zunächst: das Einzige, das ich zu bemängeln habe, ist, dass die englischen Zitate (im Gegensatz zu den französischen) nicht übersetzt werden. Auch nicht in einer Fußnote.
Das sollte man schon machen, denn nicht jeder Leser ist des Englischen so mächtig.
Seltsamerweise ist mir das aber schon bei mehreren Büchern begegnet und ich konnte noch keine Erklärung finden.

Was mir sehr gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass es einen Anhang mit den wichtigsten Stammbäumen gibt, denn da bestimmte Namen im 19. Jahrhundert en masse vorkommen, braucht man diesen Überblick unbedingt.
Wer nun Stammbäume nicht ausreichend findet, für den hat der Autor einen Anhang mit den wichtigsten Kurzbiografien dazugegeben. das finde ich ganz großartig und vorbildlich!
Im Übrigen gibt es auch noch eine Zeittafel, die eine Einordnung bestimmter Ereignisse erleichtert.

Was nun die Person Sophie Charlottes angeht, so kann ich nur sagen, dass sie einem im Laufe des Buches ans Herz wächst. Wie so viele Personen aus ihrem Umfeld. Sepp schafft es, mittels der zitierten Quellen ein authentisches Bild der Aristokratie des 19. Jahrhunderts zu schaffen.
So sieht man Kaiser Franz Josef förmlich mit seiner Zeitung in Händen über die Schwägerin sinnieren. (Sisi gibt übrigens kein gutes Bild in der Affäre ab. Zunächst äußert sie sich extrem bösartig über ihre Schwester und dann versucht sie auch noch, deren Tochter über intime Details der Affäre auszuhorchen …)

Wenn man auch den Hang hat, dem 19. Jahrhundert vorzuwerfen, Menschen, die sich nicht regelkonform verhalten, in Zellen zu stecken, so zeigt doch in meinen Augen gerade Sophies Fall, dass das oft ein Vorurteil ist.
Man hat sich bemüht, Sophie zu helfen – und das mit Mitteln, die damals absolut fortschrittlich waren. Und manchmal ist ein Mensch, dem man nachsagt, krank zu sein, einfach wirklich krank.
Dass Sophies Geschichte so übel endet, nimmt den Leser umso mehr mit, als man sie liebgewinnen hat und ihr einen ruhigen Lebensabend umgeben von Mann und Enkelkindern gewünscht hätte.

Und so etwas schafft nur ein wirklich guter Autor bei einem Sachbuch.

FAZIT
Ich kann das Buch nur wärmstens empfehlen. Es bringt einem die eher unbekannte Wittelsbacherin so nahe, dass man irgendwann denkt: „Die hätte ich gerne als Freundin.“

FAKTEN:
Christian Sepp: Sophie Charlotte – Sisis leidenschaftliche Schwester, Allitera Verlag 2023, 273 Seiten, 22 €


Eine Familie erfindet Bayern?

Eine Familie erfindet Bayern?

Eine Familie erfindet Bayern?
Spätestens wenn man meine Vorstellung der Memoiren des Herzogs Franz von Bayern gesehen oder gelesen hat, weiß man, dass dem vielleicht doch so sein könnte.
Wenn die Wittelsbacher Bayern vielleicht auch nicht „erfunden“ haben, so haben sie es doch ohne jeden Zweifel maßgeblich mitgeprägt und tun es noch heute mit ihrem Engagement und ihren Inspirationen.

In diesem hervorragend bebilderten Band aus dem Stiebner Verlag haben die Autoren eine Sammlung spannender und erhellender Wittelsbacher- Biografien vorgelegt.

Chronologisch, beginnend mit dem Mittelalter und der Gründung des Hauses, führt es einen bis in die Gegenwart zu den heute führenden Köpfen des Hauses.
Wobei die Geschichte des Hauses als „Königslieferanten“ tatsächlich mit dem Ersten Weltkrieg und Ludwig III endet.

Interessanterweise hat man nicht alle Wittelsbacher-Fürsten gelistet, sondern nur diejenigen, deren Geschichte die spannendste ist, beziehungsweise jene, die einen besonderen Einfluss auf die Geschicke Bayerns hatten.
Deswegen tauchen auch zum Beispiel Liselotte von der Pfalz auf und Kaiserin Elisabeth von Österreich, die ja eine gebürtige Prinzessin in Bayern war.

Jede Biografie ist mit einem kleinen „Überblickskästchen“ versehen, in dem sich die wichtigsten Lebensdaten, der Beisetzungsort, sowie „Erfolge“ und „Niederlagen“ finden.

Überraschenderweise sind die Biografien so klug gewählt, dass sich tatsächlich ein Bild der Geschichte Bayerns ergibt, das ich so nicht erwartet hätte. Zudem sind sie allesamt sehr interessant zu lesen (und kurzweilig sind sie außerdem).

Übrigens sind einseitige Jubelarien auf das Haus Bayern nicht die Sache der Autoren. Stattdessen finden wir die Lebensbilder von Menschen, die nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen haben und sehr oft hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben sind.
Dazu kommen noch regelrecht tragische Schicksale, wie das von König Ludwigs II Bruder Otto, der in geistiger Umnachtung dahinvegetierte.

Würde ich das Buch empfehlen? Auf jeden Fall. Nicht nur, dass man ein rundes Bild der bayerischen Geschichte erhält – man kann die einzelnen Biografien auch als hervorragenden Ausgangspunkt für eine weitergehende Beschäftigung mit der Person nehmen.
Dazu kommt, dass der Preis absolut moderat ist für das, was man geboten bekommt.
Von den wirklich gut gewählten Fotos mal ganz abgesehen, die einem absolut Lust machen, den Spuren dieser Wittelsbacher in deren Heimat (und anderswo) zu folgen.

FAKTEN:
Norbert Lewandowski, Gregor M. Schmid: Das Haus Wittelsbach – Die Familie, die Bayern erfand, Stiebner Verlag 2014, 224 Seiten, 19,90 €

Ein Mordopfer findet keine Ruhe …

Ein Mordopfer findet keine Ruhe …

Credit: Kral Verlag

Eigentlich gehört das vorliegende Buch in einem Atemzug mit „Cold Case Mayerling“ vom gleichen Autor genannt.
Wo sich „Cold Case Mayerling“ mit der eigentlichen Tat befasst (Mord an Mary Vetsera und nachfolgender Selbstmord des Thronfolgers Rudolf von Habsburg), beschäftigt sich Reinmüller im vorliegenden Band mit dem Grabraub von 1992.

Helmut Reinmüller ist nun nicht irgend ein Autor, der sich mit dem Kriminalfall befasst, sondern war als Polizist selbst Teil der damals aktiven Ermittlungsgruppe der Wiener Polizei.

Spannend wie ein Roman liest sich dieser Bericht der damaligen Ereignisse, wenn Reinmüller auch alle Informationen liefert, die man – zumal als deutscher – Leser so braucht. (Aufbau der Polizei, juristische Begriffsklärung etc)

Reich bebildert stellt uns das Buch die Bemühungen des Möbelhändlers Helmut Flatzelsteiner vor, der durch den Raub des Sarges mit den sterblichen Überresten Mary Vetseras, versuchte, deren Todesursache herauszufinden.

Helmut Reinmüller (linke), Helmut Flatzelsteiner (rechts)
Credit: Kral Verlag

Mittels eines von ihm geschriebenen Buches stellte er die Ergebnisse der Wissenschaftler vor, die in seinem Auftrag die Überreste untersucht hatten. (Diese wussten natürlich nicht, wen sie da vor sich hatten.)
Sie wussten am Ende aber eines sicher: die junge Frau war durch einen Kopfschuss gestorben.
Damit hatte der Möbelhändler durch einen Gesetzesbruch ein jahrzehntealtes Geheimnis gelüftet, nämlich die Frage, wie Mary Vetsera tatsächlich gestorben war.

Wie es dem geschichtsbesessenen Möbelhändler im Nachgang erging – darüber hat sich Reinmüller selbst ein Bild gemacht: er hat nämlich den Kontakt zum Täter von damals aufgenommen und mit ihm über die Tat gesprochen.
(Flatzelsteiners Versuch, mit den Medien in Kontakt zu treten und seine Geschichte an sie zu verkaufen, ist übrigens nochmals beinahe ein Krimi im Krimi …)

Helmut Flatzelsteiners Buch mit Autogramm für seinen damaligen „Jäger“
Credit: Kral Verlag


Aber ich will nicht zu viel verraten … Lest selbst, was sich alles zugetragen hat.

Nachdem die ermordete Mary Vetsera bereits zweimal in ihrer Totenruhe gestört wurde, (Sowjetische Soldaten drangen bereits 1945 in ihr Grab ein) kann man nur hoffen, dass die schwere Platte, die inzwischen den Sarg bedeckt, künftig dafür sorgen wird, dass das Mädchen in Ruhe gelassen wird.

Wenn ich auch „Cold Case Mayerling“ mit all seinen Quellen und Belegen persönlich für spannender halte (und für Hobby-Detektive wesentlich ergiebiger), empfehle ich doch, BEIDE Bücher zu lesen, denn zusammen geben sie ein komplettes Bild.
Tatsächlich würde ich mich SEHR freuen, wenn es irgendwo da draußen ein(e) Historiker(in) gäbe, die sich mit Marys Geschichte befassen würde und sie aufschreiben.
Mary hätte es verdient!

FAKTEN:
Helmut Reißmüller: Mary Vetsera – Der Grabraub 1992, Kral Verlag 2019, 158 Seiten, 24,90 €

Zwei Leichen – Ein Rätsel

Zwei Leichen – Ein Rätsel

Kaiserlicher True Crime in der österreichischen Provinz

Credit: Kral Verlag

Wir alle kennen die Geschichte vom todunglücklichen österreichischen Thronfolger Rudolf.
Als Kind von Erziehern drangsaliert und beinahe in den Untergang geschickt. In hündischer Liebe der immer fernen Mutter, Kaiserin Elisabeth („Sisi“) ergeben und verheiratet mit der belgischen Königstochter Stephanie.

Wir wissen auch wie die Geschichte endete: menschenfreundlich und liberal gesinnt (wieder nach dem Beispiel der Mutter), überwirft der Prinz sich mit dem übermächtigen Vater, Kaiser Franz Josef, und sucht schlussendlich sein Heil im Untergang. An seiner Seite: seine letzte große Liebe: Mary Vetsera.

So weit – so charmant – so unwahr.

„Cold Case Mayerling“ macht nun ein ganz anderes Szenario auf.
Der Autor Helmut Reinmüller ist Polizist im Ruhestand und hatte sich in seinen aktiven Zeiten in der Ermittlungsgruppe befunden, die den Grabraub Mary Vetseras aufzuklären hatte.

Dieses faktenorientierte Behandeln des Stoffes führt zu einem vollkommen neuen Bild, das sich einem auftut.

Reinmüller stellt zunächst alle Beteiligten vor, bis hin zum Kammerdiener. Er verfolgt die Abläufe kurz vor der Tat aus der Perspektive eines jeden Beteiligten, was einem auch die Widersprüche bzw. Lücken in den Aussagen sehr deutlich vor Augen führt.

Ich war von der ersten Seite an von der akribischen Recherche begeistert, die Reinmüller zu seinem Buch betrieben hat. Er tappt deswegen auch kein einziges Mal in die Falle, jenen Mythen auf den Leim zu gehen, die sich mit der Zeit rund um den Fall gegründet haben.

Am besten fand ich, dass Reinmüller einem sogar all jene Orte vorstellt, an der sich das Drama abgespielt hat. Vom damaligen Wohnort Mary Vetseras bis zu den Wegen, die sie gegangen ist, wenn sie den Thronfolger in der Hofburg besucht hat. Seien es die damaligen Adressen aller Beteiligten, oder die Ansichten von Schloss Mayerling mit zeitgenössischen Skizzen – es ist alles da, um sich selbst auf die Suche zu machen. Sogar die Galanteriewarenhandlung Rodeck, wo Mary Vetsera jenes goldene Zigarettenetui für Rudolf gekauft hat, dessen Gravur an ihre erste gemeinsame Nacht erinnern sollte.

Credit: Kral Verlag

Meines Wissens nach ist Reinmüller auch der erste, der die vor nicht allzu langer Zeit wiedergefundenen Abschiedsbriefe Mary Vetseras geschlossen vorstellt.

Unabdingbar für Hobbydetektive natürlich auch eine ausführliche Zeittafel der Geschehnisse.

Ein ganz wichtiges Kapitel widmet der Autor dem Tathergang. Mittels Holzfiguren stellt er nach, wie Rudolf zunächst Mary und dann sich selbst getötet hat.

Das Buch lebt von den Bildern. Das muss man ganz klar sagen. Ob Fotos oder Skizzen – es ist alles da und es ist hervorragend gemacht.

Was es mich zu einer erstklassigen Quelle macht, ist eindeutig das Fehlen jeder Romanhaftigkeit.
Reinmüller widerlegt all jene Verschwörungstheorien, die da besagen, Rudolf und Mary seien im Auftrag dunkler Mächte ermordet worden, da der Thronfolger ihnen mit seinen liberalen Ansichten in die Quere gekommen sei.

Was aber bleibt nach der Lektüre von jenem – in zahllosen Spielfilmen und Romanen kolportierten – Bild des Thronfolgers, das ich zu Beginn gezeichnet habe?
Nichts!
Wir sehen einen vollkommen ruchlosen Charakter, der ein junges Mädchen in den Selbstmord manipuliert, weil er wohl zu feige ist, alleine zu gehen. Wir sehen einen Mann, der sich bei Prostituierten mit Geschlechtskrankheiten infiziert, seine Ehefrau damit ansteckt und zur Unfruchtbarkeit verdammt. Einem Mann, der nicht davor zurückschreckt, beim Vatikan eine Auflösung dieser Ehe zu beantragen, und als Begründung eben jene Unfruchtbarkeit ins Feld zu führen. Einem Mann, der schlussendlich in einem Sumpf aus Alkohol und Drogen untergeht.

Alles in allem ist mein Fazit, dass Rudolf Selbstmord begangen hat (was auch nie bestritten wurde. Allerdings gab man an, es sei in geistiger Umnachtung geschehen).
Das sehr ernste Gespräch, das die ganze Nacht gedauert hat und von Rudolfs Leibdiener mit angehört wurde (er verstand allerdings nicht, was gesagt wurde), diente in meinen Augen einzig dazu, Mary vom gemeinsamen Tod zu überzeugen. Dass sie auf der Bettkante saß, als sie erschossen wurde, ist für mich ein eindeutiger Hinweis darauf, dass sie nicht mit dem Schuss gerechnet hat, denn dann hätte sie sich wohl eher hingelegt, Kleid und Haar glattgestrichen und sich bereit gemacht. Ebenso, dass sie mit sechs Koffern angereist ist …

Ihr seht – auch wenn das Buch eine hervorragende Sammlung von Fakten ist, kann man eben genau aufgrund derer in wunderbare Spekulationen eintreten zu jenem … Cold Case Mayerling.

FAKTEN:
Helmut Reinmüller, Cold Case Mayerling, Kral Verlag 2021, 200 Seiten, 24,90 €

Unterwegs mit der Kaiserin

Unterwegs mit der Kaiserin

Credit: Emons Verlag

Auf dieses Buch habe ich sooo lange gewartet und als ich es entdeckt hatte, war ich sehr glücklich!
111 Sisi-Orte – ein Reisehandbuch, das einen von Bayern über Österreich, Frankreich, Großbritannien bis nach Griechenland begleitet. Wunderbar.
Jedem der Orte ist eine Doppelseite gewidmet, wobei man auf der einen Seite ein ganzseitiges Foto des Ortes findet mit einem Kästchen für die wichtigsten praktischen Informationen und auf der anderen Seite einen Text, der erläutert, was der Ort mit der Kaiserin zu tun hat.
Die Fotos sind übrigens absolut hinreißend.

Das Ganze ist wirklich schön gemacht. Das Papier ist dick und kann so manche Blätterei ab.
Dass die Autorin mit Herzblut und Begeisterung fürs Thema schreibt, merkt man mit jeder Zeile.

Sabine Gruber lebt übrigens als Reiseschriftstellerin mit ihrer Familie in Klosterneuburg bei Wien und hat damit praktisch schon die Sisi-Expertise halb in der Tasche.

Tatsächlich könnte nun ein solches Buch leicht Gefahr laufen, auf jeder Seite den gleichen Sermon herunterzubeten: XXX erbaut von dem und dem, eingestürzt im Jahre XXX, wieder aufgebaut und so weiter.
Nichts dergleichen passiert im vorliegenden Band.
Jeder Ort wird interessant und abwechslungsreich geschildert. Man bekommt absolut Lust, sich sofort auf den Weg zu machen.

Eines fehlt mir allerdings und das muss ich anmerken:
Karten!
Eigentlich hätte ich erwartet, zu den Ländern, die im Buch vorkommen, jeweils eine Karte zu finden, in die die jeweiligen Sisi-Orte eingetragen sind. Nicht zuletzt um zu sehen, wo die Kaiserin überall unterwegs war.

Was ist positiv finde, ist die Tatsache, dass Sabine Gruber nicht nur jene Orte vorstellt, die so die „typischen Verdächtigen“ sind, wie Possenhofen oder die Hofburg, sondern auch unbekanntere wie zum Beispiel die Postalmhütte, die Sisi 1865 erklettert.
Und auch Überraschendes findet sich hier, denn wer wusste, dass Sisi bereits 1876 zur Jagd in Althorp House weilte, jenem Schloss, in dem knapp hundert Jahre später eine gewisse Lady Diana Frances Spencer aufwachsen sollte …

Also alles in allem finden wir mit den 111 Sisi-Orten nicht nur 111 SISI-Orte, sondern 111 Orte, die einfach eine Reise wert sind.
Und wenn dann in einer kommenden Auflage auch Karten dazukommen, bin ich gänzlich glücklich.

Übrigens: Wen es nach noch mehr 111 Orten gelüstet, dem sei die Reihe wärmstens empfohlen. Es gibt kaum einen Ort oder Land, das hier nicht abgedeckt würde. Schaut also gerne mal rein!

FAKTEN:
Sabine Gruber: 111 Sisi- Orte, Emons Verlag 2023, 231 Seiten, 18,00 €

Kochen mit der Kaiserin

Kochen mit der Kaiserin

Sissi – Das Kochbuch
Credits: Klartext Verlag

Ich beginne mit einem Geständnis: ich bin kein Fan des Kochens und ich sammle keine Kochbücher.
Dass „Sissi – Köstlichkeiten aus der kaiserlichen Küche“ dennoch auf meiner Wunschliste landete, hat zunächst mit dem Thema an sich zu tun: SISSI!

Wer kommt denn um die Film-Trilogie von Ernst Marischka herum, wenn er sich für Romy Schneider oder die österreichische Kaiserin interessiert?
Und so stolperte ich auf meiner Suche nach neuen Titeln zu Elisabeth von Österreich auch über das vorliegende Kochbuch.

Aber was sage – Kochbuch … Das trifft es nicht mal annähernd. Von „A“ wie „Anrichten“ bis „Z“ wie „Zitronen“ findet man alles in diesem wundervoll gemachten Band.

Zunächst zum Aufbau: Das Buch orientiert sich an den Orten der Filmtrilogie, angefangen mit Sissis Heimatschloss Possenhofen, über Wien mit der Hofburg, Gödöllö in Ungarn, Madeira, Griechenland und Italien.

Anhand der Fotos aus der wunderbaren restaurierten Fassung der Filme mit Romy Schneider, können wir uns nicht nur in die Filme, sondern in die Vergangenheit der echten Kaiserin begeben. Wir erleben mit, wie Galadiners in der Hofburg organisiert wurden, auf was für Porzellan man gespeist hat und in welchen (heute noch existierenden) Cafés/ Restaurants Sisi am liebsten eingekehrt ist.

Die präsentierten Rezepte sind teilweise Originalrezepte und teilweise Rezepte jener Speisen, die man in Elisabeths Umfeld gegessen hat.
HALT!, wird jetzt so manche rufen. Sisi war doch immer auf Diät und hat der Kaiser wirklich Kaiserschmarren gegessen? Bei dem gab es doch sicherlich sehr viel Raffinierteres …

Ja und nein. Das Kaiserpaar hat zwar auf die Linie geachtet, dennoch hatten beide am liebsten die bodenständige, deftige Küche ihrer Heimat. Wenn die Kaiserin in München war, besuchte sie jedesmal das Hofbräuhaus und hat sich dort mit Haxn und Bier verwöhnen lassen.
Insofern sind auch die im Buch präsentierten Gerichte (übrigens herrlich stimmungsvoll bebildert) bodenständig und mit den Zutaten nachkochbar, die wir im Normalfall zu Hause haben dürften.

Nur ein Beispiel der wunderbaren Bebilderung

Da ich wissen wollte, ob die Rezepte so geschildert sind, dass auch Amateure sie gut nachmachen können, habe ich mich übrigens am Kaiserschmarren versucht. Und – was soll ich sagen: es hat super geklappt. (Das könnt ihr auch in meinem zugehörigen YouTube-Video sehen …)

Es hat super geschmeckt und war echt einfach zuzubereiten
Und – ja, ich weiß: den Puderzucker muss man sieben … LOL

Man kann das Buch übrigens nicht nur als Kochbuch ansehen, sondern auch als Geschichtsbuch, das sich mit der Kulinarik des Kaiserhauses befasst, ebenso wie als Reisebegleiter in die von Sis(s)i so geliebten Gegenden.

FAZIT:
Ich kann dieses großartige Buch all jenen empfehlen, die sich für alles Kulinarische rund um Sisi und den kaiserlichen Hof interessieren. Genausogut passt es aber auch für alle, die Rezepte zur bodenständigen europäischen Küche suchen.
Und für Sissi-Fans ist es sowieso ein Muss!

Und wer nicht genug bekommt, kann demnächst noch in der süßen Küche der Kaiserin schwelgen. Es kommt nämlich ein Buch über die kaiserliche Zuckerbäckerei. Ich bin schon SEHR aufgeregt, denn ich darf diesen Band als eine der ersten Rezensentinnen vorstellen …

Das Süße den Süßen
Credits: Klartext Verlag

FAKTEN:
Nicole Kleinhammer, Sebastian Kadas: Sissi – Köstlichkeiten aus der kaiserlichen Küche, Klartext Verlag, 2022, 288 Seiten, 35 €

Prince Philip – Einer wie keiner

Prince Philip – Einer wie keiner

Credits: Busse Seewald Verlag

„Ich bezweifle, dass ich etwas erreicht habe, für das man mich in Erinnerung behalten wird.“
So sagte Prinz Philip kurz vor seinem 90. Geburtstag.
Eine etwas irreführende Behauptung. Denn wie uns dieser Bildband vor Augen führt, hat Prinz Philip so manchen tiefen Fußstapfen gesetzt.

Wenn man das Buch aufschlägt, fällt einem als erstes auf, dass es praktisch ausschließlich aus doppelseitigen Fotos besteht. Zu jedem Foto gibt es ein Infokästchen, in dem das Bild eingeordnet wird.
So begeben wir uns auf eine Zeitreise durch das fast 100 Jahre währende Leben dieses ungewöhnlichen Menschen.

In meinen Augen findet man den Schlüssel zum Menschen Philip in seiner Heimatlosigkeit. Was er oft mit der ihm eigenen Nüchternheit als unwichtig abtat, formte tatsächlich den Mann, der über Jahrzehnte hinweg hinter seiner Frau herging und dennoch seinen eigenen Schatten warf.
Sei es in seiner Förderung von Wissenschaft, Technik und Naturschutz (er betätigte sich sogar als Moderator für eine Wissenschaftssendung der BBC) oder auch durch die von ihm gegründete „Way Ahead- Group“, die sich um die Zukunft der Monarchie kümmert.
Heimatlos war der griechische Prinz, nachdem man in Griechenland die Monarchie abgeschafft hatte und sich seine Familie über Europa verteilte. Dazu kam die psychische Erkrankung seiner Mutter und die Problematik, dass seine Schwestern nach Deutschland heirateten und in den Sog des Nationalsozialismus gerieten.
Dies alles sollte sich in seiner Beziehung zur Prinzessin Elizabeth als heftige Stolpersteine erweisen. (Es ist nicht angenehm, wenn du dich in der Presse mit Schlagzeilen konfrontiert siehst, die deine Familie als Nazis und deine Mutter als eine Irre diskreditieren …)

Sein Verhältnis zur Presse war sicherlich nie spannungsfrei, aber am Ende des Tages wusste er, dass es ohne die Medien kein Königshaus (mehr) gäbe und so stellte er sich – im Gegensatz zu seiner Frau – auch Interviewfragen …

Wenn es mich auch verblüfft hat, so muss ich doch sagen, dass mir das Buch Philips reiches Leben noch einmal vor Augen geführt hat und dazu Lust gemacht, mich nochmals intensiver mit ihm zu befassen.

FAZIT:
Das Buch ist für all jene von Interesse, die noch nie glauben konnten, dass Philip ein Mann ohne Eigenschaften war. Es bietet mittels sehr schöner Fotografien eine wunderbare Zeitreise und man kann noch einmal die Stationen seines ungemein interessanten Lebens nachvollziehen. Einem Leben, über das noch lange nicht der letzte Satz gesagt ist.

FAKTEN:
Prinz Philip – Sein Leben in Bildern, Seewald Busse Verlag, Stuttgart 2021, 108 Seiten, 15,00 €

Was Sie schon immer über die Queen wissen wollten, sich aber nicht zu fragen wagten …

Was Sie schon immer über die Queen wissen wollten, sich aber nicht zu fragen wagten …

Credits: Busse Seewald Lifestyle

Also ich muss gestehen, dass ich eigentlich dachte, meine Bild der Queen sei fertig.
Ich hatte über die Jahrzehnte so viel über sie gelesen (vom dünnen Ladybug-Bändchen bis zum Gyles Brandreth-Schinken), dass ich der festen Überzeugung war, es könne höchstens noch Splitterchen geben, die in meinem Mosaik fehlen.

Nun musste ich mich allerdings eines Besseren belehren lassen … und zwar durch einen vergleichsweise schmalen Band aus der Lifestyle– Reihe des Busse Seewald Verlags.

Tatsächlich finden sich hier so viele Facetten der Queen, die ich so bislang nicht wirklich auf dem Schirm hatte, dass es mich komplett verblüffte.

Zunächst zum Buch selbst – es ist gebunden und hat überraschenderweise nicht viele Fotos. Die, die sich in dem Band finden, sind allesamt schwarz/weiß und es gibt auch keinen Fotoblock in der Mitte.
Dennoch ist das Buch ungeheuer farbenfroh. Nur eben in anderer Art und Weise …

Es ist auch nicht chronologisch, sondern thematisch sortiert. („Pflichtgefühl“, „Familienwerte“, „All die Pferde der Königin“…)
Der Untertitel „Lebensweisheiten“ ist etwas irreführend, denn wir finden keine Ansammlung von Zitaten, die uns über die Hürden unseres irdischen Jammertals hinweghelfen würden, sondern präsentiert uns ein abwechslungsreiches und unterhaltsames Konglomerat von interessanten Fakten über sie.

Besonders interessant ist an dem Buch auch, dass uns nicht nur die Königin nähergebracht wird, sondern auch die Menschen, die sie umgeben haben.
Vor allem Philip ist mir hierbei mit einem ziemlich traurigen Zitat in Erinnerung geblieben: „Als er kurz vor seinem neunzigsten Geburtstag gefragt wurde, für was er gerne in Erinnerung bleiben würde, war Prinz Philip kurz ratlos. Was ihn betraf, so hatte er nur seine Pflicht getan. „Ich bezweifle, dass ich etwas erreicht habe, für das man mich in Erinnerung behalten wird.““

Aber auch die Herzogin von York, die ihren Töchtern mit auf den Lebensweg gegeben hat, dass sie äußerst privilegierte junge Frauen sind und sich deswegen auch entsprechend in der Öffentlichkeit zu präsentieren haben. Nicht mürrisch und abweisend, sondern freundlich und dankbar.
Eine Weisheit, die die beliebtesten Royals ohne jeden Zweifel verstanden haben und leben.

Ganz so düster wie in dem Prinz Philip- Zitat bleibt das Buch aber nicht, denn wir erfahren auch, dass die angeblich so stoische Queen nicht immer ganz so stoisch war. So kam es zu Beginn ihrer Ehe bei einer Auslandsreise zu einem sehr heftigen Streit zwischen ihr und Prinz Philip. Es wurde so energisch gestritten, dass Sportgeräte geflogen sind.
Nach einem Streit auf der Britannia erklärte die Queen: „Ich komme nicht eher aus meiner Kabine bis er bessere Laune hat. Ich bleibe hier auf meinem Bett , bis er sich beruhigt hat.“

Diese kleinen Episoden sind es, die das Buch so interessant machen. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie Ihre Majestät auf ihrem Bett sitzt und draußen Prinz Philip sein Mütchen kühlt. Szenen einer nicht ganz normalen Ehe …

FAZIT:
Alles in allem ist das Buch absolut unterhaltsam, kenntnisreich und empfehlenswert.
Als Sahnehäubchen gibt es am Ende übrigens nicht nur die zu erwartende Literaturliste, sondern auch noch einen Anhang mit interessanten Homepages, die man ebenfalls heranziehen kann, wenn man sein Wissen über die Royals vertiefen möchte.

FAKTEN:
Karen Dolby: Queen Elizabeth II – Lebensweisheiten, Seewald Busse Lifestyle, München 2022, 191 Seiten, 15 €

Royales Petit Four

Royales Petit Four

Credits: Klartext Verlag

Petit Fours sind – wörtlich übersetzt – kleine Öfchen oder „Gaumenkitzler“.
Absolut passend für diesen Band aus der Reihe „Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ aus dem Klartext Verlag.
Ich hatte aus der Reihe ja schon den Band über „Sisi“ besprochen und als Einstieg in das Thema Elisabeth, Kaiserin von Österreich empfohlen.

Ebenso kann ich den vorliegenden Band von Norbert Loh empfehlen. Wobei der Untertitel etwas falsch gewählt ist, denn wir bekommen keine Irrtümer und deren Richtigstellung serviert, sondern vielmehr eine Sammlung interessanter und unterhaltsamer Fun Facts.

Norbert Loh selbst ist ein ausgewiesener Kenner der Materie und seit vielen Jahren als Buchautor und Journalist im Reich von Kronen und Krönchen unterwegs. Er hat unter anderem Bücher über die monegassische Fürstenfamilie veröffentlicht und über Königin Silvia von Schweden.
Also war ich mir sicher, mit diesem Buch eine ebenso informierte wie unterhaltsame Lektüre vor mir zu haben.

Ich wurde nicht enttäuscht.
Wie auch der Sisi- Band ist dieses Buch sehr schön und wertig gemacht. Die Fotos im Inneren überzeugen durch ihre Qualität und die abwechslungsreiche Gestaltung. Offensichtlich weiß der Designer (oder die Designerin), was er (oder sie) tut.
Da ich ein Augenmensch bin, ist das für mich sehr wichtig.
Allgemein gehe ich davon aus, dass die einzelnen Kapitel deswegen so kurz(weilig) gestaltet sind, damit man immer wieder mal hineinschaut, beziehungsweise diese einfach ein bisschen nebenbei lesen kann. (Eventuell trägt dies auch der modernen kurzen Aufmerksamkeitsspanne Rechnung.)

Auf jeden Fall fand ich die Themen als Einstieg absolut ausreichend behandelt. Wenn man zum Beispiel mehr über royale Hochzeiten wissen will oder zur Ehe von Queen Elizabeth II und Prince Philip, kann man ja im Nachgang zu den entsprechenden ausführlichen Büchern greifen.

Was erfahren wir noch über die Royal Family? Nun – zum Beispiel, welche Bedeutung die Orden und Ehrenzeichen an König (ehemals Prince) Charles III Uniform haben. Oder wie die Queen und Prince Philip miteinander verwandt waren.
Natürlich werden auch die Skandale nicht ausgespart. So lässt Loh die Affäre von Edward VIII und Wallis Simpson noch einmal Revue passieren, spart aber auch Prinzessin Dianas Affären (wie auch die von Charles) nicht aus.
Natürlich dürfen in dem Buch Harry und Meghan nicht fehlen.

Was mich allerdings etwas gestört hat, sind Fehler, die sich im Buch eingeschlichen haben. So schreibt Loh, dass Prinzessin Margaret ihre große Liebe Peter Townsend auf dem Sterbebett nochmals besucht habe und er in ihren Armen verstorben sei. Tatsächlich trafen sich die beiden 1992 zum letzten Mal und Townsend starb erst 1995. Das ist in meinen Augen schon ein derber Fehler, zumal Loh die Abschiedsszene, die nie stattgefunden hat, sehr gefühlvoll beschreibt.

Wie auch schon im Sisi-Band findet sich am Ende noch ein kleiner Multiple-Choice-Test, anhand dessen man feststellen kann, ob man aufgepasst hat.
Abgerundet wird das Buch mit einer Reihe charmanter Zitate.

FAZIT:
Die kleinen Artikel sind amüsant zu lesen und bergen so manche Überraschung, wie zum Beispiel über kuriose Gesetze in England. Trotz der Fehler, die sich eingeschlichen haben, würde ich auch diesen Band zur unterhaltsamen Lektüre zwischendurch absolut empfehlen.
Der möglicherweise als hoch empfundene Preis ist mit Sicherheit der wertigen Aufmachung geschuldet und insofern gerechtfertigt.
Sehr schön natürlich auch als Mitbringsel für einen Royalty-Fan (oder jemanden, der es noch werden soll).

FAKTEN:
Norbert Loh: The Royal Family – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten. Klartext Verlag, Essen 2021, 120 Seiten, 16,95 €