Rezension „Spare“ / „Reserve“von Prinz Harry

Zunächst zu den Eckdaten:

Ich habe die deutsche Übersetzung als eBook gelesen.
Es hat 87 Kapitel, die lediglich durchnummeriert sind und keine Überschriften haben.
Es gibt drei Hauptteile; „Aus der Nacht, die mich umfängt“, „Das Haupt voll Blut, doch stets erhoben“ und „Käpt’n meiner Seel“.
Diese drei Überschriften entstammen dem Gedicht „Invictus“ von William Ernest Henley (1875).
Ich konnte keinen Hinweis auf einen Ghostwriter entdecken. Googelt man, findet man J. R. Moehringer, der sich im Nachgang auch zu dem Buch in der Presse äußert.

Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich das Buch kaufen solle. Ob ich es lesen solle. Ob ich es überhaupt WOLLE … Gut – ein Teil der Einnahmen geht an wohltätige Zwecke, also – dachte ich mir – scheiß drauf!
War nur die Frage, ob ich die deutsche Übersetzung, oder das englische Original nehmen soll. Ich entschied mich für die deutsche Ausgabe, da ich davon ausgegangen bin, dass die meisten meiner LeserInnen deutschsprachig sind und ich deswegen so am direktesten würde zitieren können, ohne das jeweilige Zitat durch meine eigene Übersetzung zu verfälschen.

Verfälschen“ – das ist jetzt natürlich schon so ein Stichwort. Im Prinzip dreht sich alles in diesem Buch darum. Wer hat etwas wie verstanden, wie gemeint und wie verbreitet.

Aber – First things first: Das Buch beginnt mit einem Gespräch zwischen William, Harry und Charles (damals noch Prince of Wales) anlässlich der Beerdigung von Prince Philipp. Dann wendet Harry den Blick zurück auf den Tod und die Beerdigung seiner Mutter.

Diana – das ist der eine rote Faden, der sich durch das ganze Buch zieht. Ihr Verlust. Die Lücke, die sie hinterlassen hat.
Auf diese Ursache führt Harry alle seine darauffolgenden Probleme zurück. (Auf die oder auf die Presse)
Und davon gibt es eine Menge.

Mit dieser Szene begann wohl die Liebesgeschichte zwischen Harry und der Welt.
Die Herzen aller Menschen, selbst jener, die das Königshaus kritisch sahen (und/oder sehen), wandten sich den beiden jungen Prinzen zu, die dem Sarg der Mutter folgten. Allen voran dem zwölfjährigen Harry.
Beinahe Übermenschliches verlangte die Krone den beiden Jungs ab, die nicht nur den langen Weg hinter dem Sarg hergehen mussten, sondern, die auch noch Walkabouts absolvieren mussten, bei denen sie die Beileidsbekundungen der Menge entgegennahmen. (Wobei ich mich bis heute frage, warum das so ein Männer/ Jungs- Ding war. Warum sind nicht auch z.B. Dianas Schwestern mitgelaufen?)

Und nun kommt mein erster Kritikpunkt: Es ist diese Liebe und Zuneigung, die Harry in seinem Buch vollkommen vernachlässigt. Vergisst. Nun tritt nämlich der zweite rote Faden zutage: Die Presse!
Für Harry steht fest: Es waren die Paparazzi, die seine Mutter getötet haben.
Dass es eher ein betrunkener, sich selbst überschätzender Fahrer gewesen sein könnte, ein Paar, das sich schlicht nicht angeschnallt hatte, eine sich ausbreitende Hysterie der Fahrgäste, der Presse zu entkommen, einem Bodyguard, der seine Arbeit nicht tat …
Das hat der Prinz nicht im Blick.
Nicht angeschnallt.
So schlicht. So banal. So tödlich.
Sämtliche Gutachter waren einer Meinung: Wäre Diana angeschnallt gewesen, wäre sie zwar verletzt worden, aber sicherlich nicht tödlich.

Dies außer Acht lassend, nimmt der Prinz uns mit durch sein zerfurchtes Leben.

Seine Bindung an den älteren Bruder, den „Heir“ (= „Erbe“).
Prince Charles, der sich nach Kräften mühte, seinem jüngeren Sohn beizustehen und seine Aufgabe als alleinerziehender Vater möglichst gut zu erfüllen. (Was Harry auch selbst zugibt)
Seine Beziehungen. Seine Drogen und Alkohol-Eskapaden. Seine Militärkarriere. Und schlussendlich seine Beziehung zu Meghan Markle.

Wir lernen, dass Harry kein Geistes-Titan ist. Die Schule (Eton) schaffte er nur mit Mühe (vielleicht hätte er mehr lernen sollen und weniger kiffen). Die Aufnahmeprüfung in Sandhurst gelang nur knapp. (Ein Ausbilder sagte in einem Interview, sie seien von seinen kindischen Antworten bei der Aufnahmeprüfung schockiert gewesen)

Mit der Armee aber fand er die zweite große Liebe seines Lebens. Die erste war mit Sicherheit Afrika.

Hier in Afrika gründete er mit dem Prinzen Seeiso die Hilfsorganisation „Sentebale“ (= „Vergissmeinnicht“), die sich um HIV- Weisen kümmert.

Sieht man die Bilder von Harry in Afrika, wird einem klar, was in diesem Mann steckt. Wie wunderbar er speziell mit Kindern umgehen kann. Wie groß sein Herz ist und welches Engagement er mitbringt.

Die andere große Liebe gilt und galt der Armee.
Er war Berufsoffizier und hatte zwei Fronteinsätze in Afghanistan. (Ein zunächst geplanter Einsatz im Irak musste abgesagt werden, da es Sicherheitsbenken gab, auch in Bezug auf seine Kameraden).

Als Hubschrauberpilot verfolgte er Taliban (oder was er dafür hielt) und versuchte, diese zu töten.
Hier kommt nun mein erster Kritikpunkt:
Ich stamme aus einer Familie, deren Männer in diversen Kriegen gekämpft haben und keiner, absolut keiner, hat – auch auf Nachfragen hin – jemals auch nur annähernd über die Zahl der getöteten Gegner gesprochen.
Insofern schockierte mich, dass Harry ganz klar sagt „Meine Zahl ist 25.“ MEINE ZAHL???
Hier kam ich ins Straucheln. Selbst wenn es wirklich Taliban waren, die er getötet hat (worüber zu diskutieren wäre) – es waren Menschen! Jeder seiner „25“ hatte Mutter und Vater. Geschwister vielleicht. Freunde.

Und es wäre ja nicht so, als wäre der Afghanistan- Einsatz ihrer Streitkräfte in Großbritannien unumstritten. Im Gegenteil. Die Mehrheit des Landes hält den Einsatz für unnötig und ist der Meinung, die englische Regierung habe sich von den Amerikanern in diesen Krieg hineinziehen lassen. Er hätte also mit entsprechenden Äußerungen sicherlich die öffentliche Meinung nicht gegen sich aufgebracht.
Tatsächlich muss man kein Pazifist sein, um zu fragen, was die Briten und Co. in diesem Land zu suchen hatten.
Harrys Einsatz dort hatte allerdings eine positive Folge:
Er wurde zur Gründung der Invictus Games angeregt, die die sportlichen Leistungen verwundeter Soldatinnen und Soldaten präsentieren.
(In diesem Jahr finden sie übrigens in Deutschland statt)
Wer sich dafür interessiert: https://invictusgames23.de

Und damit komme ich zu einem weiteren Punkt:
Die fehlende Reflexion. Das fehlende Umfeld.

Ich habe ja bereits über Harrys Leidenschaft für Afrika geschrieben. Diese Seiten zählen für mich zu den wenigen lesenswerten Stellen im Buch. Seine Naturbeschreibungen sind wirklich toll und machen Spaß.
Wenn er beschreibt, wie er mit einem Team die Verbrechen von Wilderern zu dokumentieren half, wollte ich die ganze Zeit rufen: Mehr! Mehr! Mehr!
Aber – ein paar wenige Seiten und das war’s.
Man würde sich so sehr wünschen, dass er mehr über diese Länder berichtet. Politische und historische Hintergründe aufarbeitet. Aber – NIX!
Ich schätze, Harry fehlt einfach das intellektuelle Niveau, um das zu leisten. Seinem Ghostwriter hat er es aber auch nicht überlassen, vielleicht weil er fürchtete, dann nicht mehr durchzublicken, oder, dass ihm dann der Platz fehlen würde für seine Medienschelte.

Und da wären wir wieder: die Presse!
Das ist SEIN Thema. Die Presse ist an allem Schuld. Und hier wird nicht etwa differenziert. Es gibt keine Journalisten, die sich um eine gute, interessante Berichterstattung bemühen. Keine Presse, die Plattform und Sprachrohr für gute Zwecke ist.
NEIN!
Nur Verbrecher und Scheißkerle.

Mach wir uns nichts vor. Die englische Boulevard-Presse ist scheiße. Sie hacken Telefone und Computer. Sie erfinden Stories wo keine sind. Sie ruinieren Existenzen ohne auch nur hinzuschauen. Das sind keine netten Burschen. Das sind Schweine, die ihr eigenes Kind verkaufen würden, wenn man ihnen nur genug dafür böte.
Was diese Leute angeht, so bin ich ganz bei Harry.
Und ich kann absolut verstehen, warum er sie seit Jahren verklagen will.
Ich kann aber auch verstehen, dass der Palast mit dem Thema extrem vorsichtig ist.

Was die Presse angeht, hat Harry in meinen Augen einen echten Schaden. Er ist so fixiert, dass einem beinahe Angst werden könnte. Er kann sich nicht für einen Moment ruhig mit dem Thema auseinandersetzen.
Die Blätter ignorieren, wie es ihm Vater und Bruder empfehlen, kann er aber auch nicht.
Ehrlich gesagt, ist das Thema irgendwann im Buch nur noch nervig.
Man kann es nicht mehr hören. Wie er sich verkleidet wenn er Brot kaufen geht. Wie sie ihm auflauern. Wie sie seine Beziehungen zerstören.
Irgendwann denkt man: die sind garantiert auch am miesen Wetter schuld. Und Harry wird es beweisen!

Ja, er geht sogar so weit, den Selbstmord seiner früheren Geliebten Caroline Flack den endlosen Nachstellungen durch die Presse zuzuschreiben.
Tatsächlich hat sich Flack wohl umgebracht, weil sie kurz vor einem Prozess stand, weil sie einen früheren Freund attackiert hatte.
Wie Flacks ehemaliger Manager mitteilte, könne er nicht nachvollziehen, wieso Harry dies in seinem Buch schreibe. Er hätte seit Jahren keinen Kontakt mehr zu Flack gehabt und über die Ursachen des Selbstmordes wüsste nur die engste Familie Bescheid.
Unwichtig für unseren faktenversessenen Prinzen.

Don’t do as I do – Do as I say!!!!

Damit wären wir bei einem wichtigen Kritikpunkt angelangt.

Harry misst mit zweierlei Maß. Was er sich selbst zugesteht, spricht er anderen ab.

Wie komme ich darauf?
Ich will Beispiele nennen.

Der Zwist mit seinem Bruder William nimmt einen SEHR breiten Raum im Buch ein. Das ist absolut nachvollziehbar, denn die beiden wurden vom Tod der Mutter eng zusammengeschweißt.
Ein erster Bruch ergab sich in der Schulzeit, als William bereits in Eton war und Harry alleine bei Prince Charles lebte.

In der Zeit als beide Brüder gleichzeitig in Eton waren, distanzierte sich William vom kleinen Bruder Harry, wie Harry es empfand. Der ältere Bruder, der genervt ist von seinem jüngeren Anhängsel.
Danach trennten sich die Wege. William ging auf die Universität nach St.Andrews in Schottland (wo er Kate kennenlernte) und Harry begann seine Militärkarriere. William heiratete und wurde Vater – Harry torkelte bedröhnt aus allen möglichen Clubs.

Heir and Spare – Die Geschichte zweiter Brüder

Harrys Blick auf seinen Bruder kann folgendermaßen zusammengefasst werden:
– William wurde immer bevorzugt, weil er der Thronfolger ist.
– Ich habe immer nur die zweite Geige gespielt und nach der Geburt seiner Kinder nicht mal mehr die.
– William fällt mir immer in den Rücken, wenn es für ihn opportun ist.
– Er hat mich immer überrundet. Er hat sogar vor mir eine Familie gehabt.
– William steht wenn es hart auf hart kommt, immer hinter den Entscheidungen des Systems.

Er fordert immer wieder das Verständnis seines Bruders. Dessen Unterstützung. Er kritisiert dessen Kritik an Meghan Markle. Zeigt sich dünnhäutig, wenn es um seine Freundin/ Frau geht.
Harry zitiert William, der – zu Beginn einer Prügelei – zu ihm sagte, Meghan sei schwierig und fordernd.

Da fühlt man mit ihm.

Ich fühle dann aber nicht mehr mit ihm, wenn er anlässlich einer Einladung mit William und Kate die beiden Frauen folgendermaßen beschreibt: „Meg: zerrissene Jeans, barfuß. Kate: aufgedonnert bis zum Gehtnichtmehr.“ (S.637)
Das ist indiskutabel. Sorry.

Hinzu kommen die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Frauen. Aber dazu später mehr …

Zweierlei Maß

Aber nicht nur was die Dünnhäutigkeit angeht, misst Harry mit zweierlei Maß.
Wenn er sich bei Charles und William über die Presse beklagt, und diese ihm raten, die Sachen einfach nicht mehr zu lesen (und das kommt an mehreren Stellen des Buches), weist er diesen Rat brüsk von sich. Er will eine handfeste Reaktion. Kein Wegducken.
Das kann man verstehen.
Andererseits wissen Charles und William auch, dass sie die Presse brauchen. Sie können nicht alle über einen Kamm scheren.
Insofern scheint Harry auch bestimmte Mechanismen einfach nicht zu verstehen.
So, wenn ausgewählte Pressevertreter Zugang zu bestimmten Ereignissen bekommen. Er regt sich über diese Bevorzugung extrem auf und verbietet dieser Gruppe den Zugang zur Kirche anlässlich seiner Trauung.
Dass dies aber ein probates Mittel ist, um eine bestimmte Berichterstattung zu fördern, versteht er nicht.

Klage – Klagen – Klagen
Meghan Markle klagte schlussendlich, als die Presse einen Brief veröffentlichte, den sie ihrem Vater geschrieben hatte und in dem sie ihm riet, nicht mit der Presse zu sprechen. Problem: Thomas Markle selbst hatte den Brief an die Presse weitergegeben.
Zu Recht gewann sie den Prozess.

Ich fühlte mich hierbei an Prinzessin Caroline von Hannover erinnert, die jahrelang Opfer dümmlichster Yellow-Press-Kampagnen war.
Sie klagte so lange und so oft, bis der Spuk zu Ende war. Inzwischen findet man kaum noch Titelbilder mit ihr.
Wäre vielleicht ein Weg …

Tatsächlich sehen wir hier aber auch einmal mehr jenes „Don’t do as I do – Do as I say!“ aus meiner Überschrift. Denn was tun die beiden, als Meghan Vater und Mutter von der Presse belagert werden? Sie raten ihnen, sich still zu verhalten. Das Haus zu wechseln. Zu Freunden zu ziehen. Nicht mit der Presse zu reden etc.
Also exakt der Rat, den sie Charles und William um die Ohren gehauen haben …



Die Exen – Oder „Die Wiederkehr“

Womit wir bei dem nächsten Do as I do wären: Die Exfreundinnen von Harry:
In seinem Buch finden sowohl Cressida Bonas als auch Chelsy Davy recht breiten Raum als seine beiden großen, ernsten Beziehungen, die am Druck der Presse zerbrachen.
Beide Frauen sind heute verheiratet und haben Kinder. Nach den publicityträchtigen Monaten mit Harry sind sie wieder in der relativen Anonymität verschwunden und haben sich dort wohl auch wohlgefühlt.

So wohl jedenfalls, dass sie es auf Nachfrage des Prinzen rundheraus abgelehnt haben, an seinem Buch mitzuwirken.
Anstatt dies nun aber zu respektieren (wie er es ja immer für sich und die Seinen fordert), zerrt er die Beziehungen zu beiden Frauen mit der Preisgabe intimer Details ans Licht der Öffentlichkeit.
Das kann man so machen. Sollte man aber nicht.

Tierische Vergleiche

Harry berichtet, dass eine bekannte Autorin historischer Romane in einem Artikel die Königsfamilie mit Pandas verglichen hat. (Wer wissen will, welche Autorin es war, darf gerne googeln …)
Wenn er auch ein gewisses Verständnis für diesen Vergleich hegt, wie er schreibt, lehnt er dennoch Vergleiche mit der Tierwelt ab. Er beschreibt recht ausführlich, welche Konsequenzen es hat, wenn man entmenschlicht wird. Ja, er geht sogar soweit zu schreiben, dass die Entmenschlichung Voraussetzung ist, wenn man einen Menschen vernichten will. (Er muss wissen, wovon er spricht …)
Tatsächlich hat er da natürlich recht.
Umso mehr verwundert es, wenn er drei Mitarbeiter der Königin „Fliege“, „Wespe“ und „Biene“ nennt. Er beschreibt die Männer, nennt aber keine Namen*. Nirgends. Nur diese Tiernamen werden ihnen gegeben.
Und noch schlimmer!
Ich zitiere:
„Die Fliege hatte einen großen Teil ihrer Laufbahn in der näheren Umgebung von Exkrementen absolviert und sich sogar zu ihnen hingezogen gefühlt.“ (S.725)
Noch Fragen?

(*Übrigens nennt er nirgends Namen, wenn es ums Eingemachte geht. Er bringt auch keine Belege.)

So nah und doch so fern …

Die Geschichte von zwei Schwägerinnen … und einem (angeblichen?) Zwist

William und Kate waren längst verheiratet und hatten Kinder, als Meghan Markle auf der Bildfläche auftauchte und Prince Harry im Sturm eroberte.
Es war tatsächlich – zumindest nach royalen Maßstäben – eine Wirbelwindromanze. Und selbst dafür hält Harry die Gründe nicht zurück.
Er wollte heiraten und Vater werden. Punkt.

Zunächst lief wohl alles gut. Die vier wurden bald „The Fab Four“ getauft und engagierten sich für gemeinsame Charities.

Doch es gab auch tatsächliche Probleme zwischen den Frauen. Als es vier Tage vor der Hochzeit zu einem Streit um das Kleid für Charlotte kam (sie hatte geweint, weil es ihr zu bauschig und zu weit war), bekamen sich die Schwägerinnen heftig in die Haare. Kein Wunder, lagen doch sicherlich die Nerven auf beiden Seiten bloß.
Tatsächlich erschien Kate am nächsten Tag mit Blumen und entschuldigte sich für ihr Verhalten.

Zum richtigen Krach kam es – wen wundert’s – als sich die beiden Paare trafen, um die Knackpunkte im gemeinsamen Leben zu besprechen. Ziemlich schnell kam Kate auf einen Punkt, der sie – in meinen Augen zurecht – schwer verletzt hatte: In einem Gespräch mit Meghan hatte sie sich an etwas nicht mehr erinnern können und Meghan hatte gesagt, sie (Kate) würde ja gerade stillen und das sei wohl hormonbedingte Vergesslichkeit.
In dem klärenden Gespräch nun, brachte Kate dies auf den Tisch und mahnte Meghan, diese kenne sie nicht gut genug, um sich über ihre Hormone auszulassen. Meghan erklärte (so Harrys Erinnerungen), dass ihr das leid täte, wenn es so angekommen wäre, aber so würde sie eben mit ihren Freundinnen sprechen. Daraufhin hat wohl William mit ausgestrecktem Zeigefinger in Meghan Richtung erklärt, das man hier so etwas nicht tue. Daraufhin habe wiederum Meghan William angemeckert, er solle seinen Finger aus ihrem Gesicht nehmen.
Das Gespräch nahm ein zügiges Ende. Quel surprise…

Schon ziemlich bald wurde in der Presse ein Gegensatzpaar Kate / Meghan aufgebaut. Man verglich die beiden Frauen. Wie sie sich kleideten, wie sie sprachen, wie sie mit anderen umgingen.
Kate kannte das bereits.

Nach dem Universitätsabschluss war Kate mehrere Monate ohne Arbeit. Man beobachtete sie genau und ruckzuck hatte sie ihren Spitznamen weg „Waity- Katie“ oder „Princess-in-Waiting“. Man kritisierte offen, dass sie wohl nichts weiter tat, als auf die eine große Frage des Prinzen zu warten.
Doch Kate reagierte – wie immer – souverän. Sie suchte sich Arbeit. Für die Modekette „Jigsaw“ arbeitete sie als Assistenz-Chefeinkäuferin für Accessoires und danach unterstützte sie die Firma ihrer Eltern. Sie übernahm den Bereich Marketing und brachte die neue Linie „First Birthday“ heraus. (Die Familie Middleton hat mit einer am Küchentisch gegründete Firma für Partybedarf Millionen gemacht).
Im Übrigen durchlief sie das übliche Programm: sie wurde nach allen Regeln der Kunst in der Presse fertig gemacht. Für ihre Faulheit, den Neureichtum ihrer Eltern, ihre magere Figur, ihre nicht adelige Herkunft etc.
Für sie dauerte das Purgatorium sogar noch länger, da William sich im Gegensatz zu seinem Bruder mehrere Jahre Zeit ließ.

Hier liegt sicherlich der große Unterschied der beiden Brüder: William wartete. Prüfte. Beobachtete seine Künftige, denn ihm war klar, was davon abhing. Und erst als er sicher war, stellte er die große Frage.
Harry hingegen war offensichtlich wild darauf, eine Familie zu haben und da kam Meghan.

Er betont selbst in seinem Buch, wie sehr er sich dies wünschte.

Und nun kommt der nächste Stolperstein: William hatte Bedenken. Er mahnte seinen Bruder, die Dinge nicht zu überstürzen. Aber wie es bei Verliebten nun mal ist: man will keine Einwürfe hören.
Es kam zum ernsten Konflikten zwischen den Männern.

Da man aber offensichtlich die Konsequenzen fürchtete, wenn man den Bruderzwist offen anging, verlegte man sich zunächst auf die Schwierigkeiten zwischen den beiden Frauen.

Und nun zum Buhmann der Geschichte …

Meghan Markle!

Um zu wiederholen, was eh jeder weiß:
Mama schwarz, Papa weiß. Mama/ Papa geschieden. MM ebenfalls geschieden. Schauspielerin. Einziger Hit: „Suits“, eine Anwaltsserie.
Influencerin für Food und Charity mit erfolgreicher Website. Markenbotschafterin für eine Modekette des mittleren Preissegments und humanitäre Botschafterin für die UN.
Sie lernt Harry im Sommer 2016 kennen. 2017 ist Verlobung. 2018 Hochzeit auf Windsor Castle.
Die ganze Romanze spielte sich kontinentalübergreifend ab, da Markle in Kanada „Suits“ drehte und durch die Welt reiste als (Marken)Botschafterin, während Harry in London saß und … nichts tat.

Harry ist 2015 aus dem Militärdienst ausgeschieden und hatte sich seither karitativ engagiert. Ob man dies für etwas hält, das seinen Tag ausgefüllt hat, kann man gerne diskutieren.
Ich bin der Meinung, dass nein. Ich messe dies an seinen eigenen Schilderungen.
Denn die meiste Zeit saß er in seinem Cottage und war von seinem über ihm wohnenden Nachbarn genervt. Und natürlich von den Medien. Was er wiederum höchst ausführlich schildert.

Er schien jetzt zum ersten Mal zu begreifen, dass er psychische Probleme hatte. Was tat er dagegen? Man höre und staune: Er nahm Magic Mushrooms (Zitat: „zu therapeutischen Zwecken.“ Willst du mich verarschen???).
Zu diesen Parties waren auch seine alten Kumpels Bier und Tequila eingeladen. Und damit auch was Grünes dabei war, rauchte er pfundweise Dope.
Kurz: da war jemand drauf und dran, sich mächtig abzuschießen.
Wo ihn vorher die Armee in einen festen Tagesablauf gezwängt hatte, wo ihn ältere Offiziere beiseite nahmen und mit ihm sprachen, gab es nun keinerlei Halt mehr.

Wer war diesmal schuld (außer der Presse)?
Haltet euch fest!!!
William und Kate …
M-hm. Die hatten nämlich inzwischen eine Familie, lebten praktisch ihm gegenüber und luden ihn nicht ein Mal zu sich ein. So.

Zumindest ist das seine Erinnerung.

Und als er dann mit Meghan daherkam, wurde auch noch geunkt.

Man kann es nun für Mumpitz halten, aber die Probleme in der Familie kamen nicht zuletzt von der kulturellen Unterschiedlichkeit zwischen England und den USA.
Harry schreibt, dass Meghan viel in ihrer kalifornischen Art und Weise machte.
Was wirklich gut ankam bei den Menschen. Meghan war offen. Direkt. Sie war aktiv und hatte viele Ideen. So schlug sie den Hinterbliebenen des Grenfell Tower- Brandes vor, ein Kochbuch zusammen zu machen.
Dieses Buch verkaufte sich rasend. Alle fanden es toll.
Harry übergeht nun in seinen Memoiren diesen Punkt und kommt direkt zu den Schlagzeilen der Yellow-Press, wo man die Kirchengemeinde, mit der zusammen Meghan die Aktion entwickelt hatte, mit terroristischen Aktivitäten in Zusammenhang brachte. Absoluter Dreck und von A-Z erstunken und erlogen.

Wo auch immer sie hinkamen – Harry und Meghan wurden von einer Welle aus Liebe und Sympathie getragen.

Auch das vergisst Harry in seinen Erinnerungen. In seinem Buch – das ja nur die Presseaktivitäten betrachtet – tauchen die Menschen gar nicht mehr auf, die Meghan so geliebt haben.
Das ist ungemein schade.
Würde er dem aber Raum widmen, so wäre ihr Ausstieg aus der königlichen Familie noch unverständlicher. Also lässt er es sicherheitshalber.

Schwanz. Penis. Penis. Schwanz. Lümmel. Schwanz. Lümmel. Penis.

Hä? Genau! Das habe ich mich dauernd gefragt.
Harry lässt uns ausgiebig an seinen Genital- Themen teilhaben.
Als er einen Marsch mit verwundeten Veteranen für einen guten Zweck zum Südpol unternimmt, holt er sich Erfrierungen an seinem Penis.
Daran lässt er uns ausgiebig teilhaben.
Die Erfrierung und ihre Konsequenzen begegnen uns diverse Male im Buch.
Was seine Las Vegas- Strip- Poker-Idee anging – wir sind natürlich mit dabei!
Wir erfahren auch, wo er seine Jungfernschaft verloren hat. (Hinter einem Pub mit einer wesentlich älteren Prominenten – Feuer frei! für die Presse bei der Jagd auf die ungenannte Dame. Liz Hurley lässt sich angeblich bereits Karten drucken, auf denen steht: Sorry – ich war es nicht!)
Als er bei einem Segelcup mitmacht, wagt er nicht, über Bord zu pinkeln und beschreibt deswegen, wie er sich lieber in die Hose gepisst hat. Nach der Rückkehr wollte er nur duschen und seine vollgestrullte Hose waschen.

Was soll man dazu sagen??? Ist es das, was seine Kinder eines Tages lesen wollen? Hat er an sie gedacht, als er das zu Papier gebracht hat???
„Ich war jung und brauchte das Geld“ kann für ihn wohl nicht gelten …

Fassen wir also an dieser Stelle zusammen:
Anstatt, dass die Ehe mit Meghan seine Seele zur Ruhe gebracht hätte, wurde sie zu einem Brennglas.
Vielleicht hatte Harry sich versprochen, dass eine PR-erfahrene Schauspielerin wesentlich leichter mit der öffentlichen Aufmerksamkeit fertig würde als seine bisherigen Freundinnen. Vielleicht hatte er sich versprochen, dass seine Familie alle und jeden verklagen würde, der ihnen zu nahe trat.
Vielleicht hatte er gehofft, dass sich alles normalisieren würde und er ein ganz normales Leben haben könnte.

Das ist entweder extrem dumm oder unglaublich naiv.

Für mich liegt die Erklärung in Harrys mittelmäßigem Charakter.
Durch das ganze Buch hindurch deutet er – ganz infantil, unreif – stets auf andere, wenn etwas nicht so läuft wie er will.

Eigene problematische Punkte blendet er systematisch aus.

ZWISCHENSTAND:

Bei einer Rezension betrachtet man ja zunächst das Buch, die Form/ Ausführung, und dann den Inhalt. Die Story.

Ich habe das ein bisschen abgewandelt.

Deswegen jetzt meine Meinung zur Form:
– Die Unterteilung in durchnummerierte Kapitel ohne Überschrift ist extrem ungünstig wenn man sich orientieren will.
– Es gibt keinen Bildteil. (Wahrscheinlich weil die Fotos schon an Netflix verhökert wurden …)
– Die drei großen Abschnitte haben jeweils ein Foto. Das ist unzureichend.
– Der Stil des Prinzen ähnelt einem wütenden Schüler-Traktat. Es gibt Einwürfe, als hielte er eine Rede.
– Es fehlt jegliche Reflexion.
– Es gibt keine Hintergrundinfos/ Insiderinfos (Dass die Queen bei ihrem Jubiläumskonzert Ohr-o-pax benutzt, haut einen nicht wirklich um.
– Bei den kritisch eingeführten Personen werden keine Namen genannt (warum nicht???)
– Es gibt keinerlei Belege.
– Die Datierungen sind schlampig bzw fehlen ganz.
– Es wimmelt von falschen Einordnungen (So hat er nicht in Eton vom Tod der Queen-Mum erfahren, sondern beim Skiurlaub in der Schweiz); Das hätte man zwingend richtigstellen müssen. Lektorat und Recherche haben da eindeutig Mist gebaut. Man darf nach dem Warum fragen …

Meine Meinung zum Inhalt:

– Es sind die schlampigsten, subjektivsten und psychologisch fragwürdigsten Memoiren, die ich je gelesen habe.
– Das Buch ist die Lektüre nur dann wert, wenn man diese eine Seite (und nur die) kennenlernen will.
– Harry misst permanent mit zweierlei Maß.
– Er ist unreif und nicht für eine Sekunde willens, Verantwortung zu übernehmen. Nicht für seine Worte. Nicht für seine Taten.
– Hätte er seine Penis-Memoiren ausgelassen und stattdessen mehr von seinen Charities berichtet, wäre das Buch wesentlich lesenswerter ausgefallen.


Die Kontroverse

Und das FAZIT von Rezi-Corgie Susan?

Susan mag das Buch nicht. Es ist schlampig gemacht und ein absoluter Schnellschuss, den Harry noch bitter bereuen wird.