Gewinnspiel und neuer Bildband Queen Elizabeth II

Gewinnspiel und neuer Bildband Queen Elizabeth II

Bücher über die Queen gibt es es wie Sand am Meer. Aber eines wie es der Gerstenberg Verlag jetzt veröffentlicht hat, findet man kein zweites Mal.
Was ist das Besondere: Die Faksimile- Einlagen!

Credit: Gerstenberg Verlag

Es gibt alles über die Queen: Bildbände, Monografien, Biografien und Zeitschriften.

Ihre einmalig lange Regierungszeit hat dazu geführt, dass man sich mit allen Facetten ihres Lebens befasst hat, zumal sie bis zum Ende ein Rätsel geblieben ist, da sie sich im Gegensatz zu ihrer Familie nie in Interviews geäußert hat oder irgendeine Form von Memoiren verfasst hätte.
Diese Lücke haben hunderte, wenn nicht tausende von Büchern zu füllen versucht.

Ich muss gestehen, dass ich einige von denen gelesen habe, um mir ein Bild von dieser „Frau ohne Eigenschaften“ zu machen. Denn was wissen wir denn tatsächlich von ihr? Das sie fleissig war. Sich stets um Sichtbarkeit bemüht hat. Diszipliniert war und – wäre sie nicht Königin geworden – eine sehr gute Pferdezüchterin abgegeben hätte.

Was aber mochte sie? Über was konnte sie lachen? Welche Bücher hat sie gelesen? Welche Komponisten geliebt? Gab es Dinge, für die sie kämpfen musste? Was waren ihre ganz persönlich empfundenen größten Niederlagen?

Alles Fragen, auf die sie nie eine Antwort gegeben hat.

Wenn wir diese Fragen zumindest annähernd beantworten wollen, sind wir darauf angewiesen, auch weiterhin Bücher über sie zu lesen. Von Menschen, die sie möglichst gut persönlich kannten, oder zumindest einen besonders guten Zugang zu ihrem persönlichen Umfeld hatten.

Letzteres dürfte immer schwieriger werden, da ihre Wegbegleiter langsam aber sicher aussterben. Und dann heißt es irgendwann nur noch „Mein Großvater, Lord XY, erzählte immer, dass die Queen …“

Im deutschsprachigen Raum ist aber auch das schon ein Problem, denn nur die allerwenigsten Bücher über die diversen Königshäuser werden ins Deutsche übersetzt und wir bekommen solche Ausgaben eigentlich nur dann, wenn ein besonderes Ereignis stattfindet, oder ein Jubiläum.

Umso mehr freue ich mich, dass der Gerstenberg Verlag einen neuen großformatigen Band über die Queen vorgelegt hat, der nicht nur die Etappen ihres Lebens vorstellt, sondern auch bestimmte Aspekte besonders beleuchtet.

So mochte ich besonders das Kapitel, das sich mit ihrem Hochzeitskleid befasst oder mit ihrer Zeit als junge Ehefrau eines Marineoffiziers auf Malta, das die Queen bis zum Schluss als eine der glücklichsten Zeiten ihres Lebens bezeichnet hat.

Zum ersten Mal habe ich auch eine Grafik gesehen, die in einer Zeitleiste die wichtigsten Persönlichkeiten auf der Weltbühne während der Regentschaft der Queen vorstellt. Von Winston Churchill bis Papst Franziskus. Eine weitere informative Grafik stellt ihren „aktuellen“ Familienstammbaum dar mit Kindern, Enkelkindern, deren Ehepartnern etc. Ein weiterer (mit Fotos bestückter) Stammbaum stellt uns wiederum das Haus Windsor vor.

Die Hochs und Tiefs der Queen finden ebenso Platz wie eine Betrachtung ihres Erbes für ihren Nachfolger und das Land.

Wie zu erwarten war, finden sich keine historischen Fehler und die Recherche ist auf den Punkt. Die Fotos sind von hervorragender Qualität und machen das wiederholte durchblättern zu einem wirklichen Genuss.

Doch etwas hebt dieses Buch über alle anderen – speziell Bildbände – zur Queen heraus: Die Faksimile- Beilagen.

In fünf großformatigen Taschen finden sich Faksimile- Drucke von Briefen, Fotografien und anderen Dokumenten, die mit der Queen in Zusammenhang stehen. Auf dem Foto oben seht ihr einen handgeschriebenen Brief der Queen an Präsident Eisenhower vom Januar 1960 mit ihrem persönlichen Rezept für Drop Scones. Die hatten es dem Präsidenten offensichtlich angetan und so wurde er von der Queen mit dem Rezept versorgt. (Nicht viel anders als bei Lieschen Müller, wenn Tante Herta der Käsekuchen so gut geschmeckt hat, dass sie ihn nachbacken will …)

FAZIT:

Das vorliegende Buch ist im allerbesten Sinne ein Coffee-Table-Book. Interessante Artikel treffen auf gut gemachte und informative Grafiken und wunderbare Fotos. Aber getoppt wird alles von den unglaublichen Faksimiles, die dem Buch beigelegt sind und die einem eine ganz persönliche Anbindung an die Queen ermöglichen.
Man hat plötzlich das Gefühl, ein wirkliches Stück Geschichte in Händen zu halten.
„Queen Elizabeth II – Eine Hommage in Bildern“ ist ein Buch, das man nicht nur eingefleischten Royalistas schenken kann, sondern auch sich selbst.

FAKTEN:

Joel Levy, Marnie Fogg: Queen Elizabeth II.: Eine Hommage in Bildern Mit zahlreichen Faksimiles. Gerstenberg Verlag, Januar 2024, 176 Seiten, 36€

Mehr Infos über den Verlag:
https://www.gerstenberg-verlag.de

GEWINNSPIEL

Da der Gerstenberg Verlag so nett war, mir dieses wunderbare Buch für diese Buchvorstellung zu überlassen, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen und einen Band unter euch zu verlosen.

Was müsst ihr tun, um in den Lostopf zu hüpfen?

Kommentiert einfach unter diesem Artikel, welcher Moment euch besonders für die Königin eingenommen hat. War es die Art, wie sie stoisch nach den Schüssen auf sich mit Burmese weitergeritten ist? Waren es ihre Worte aus dem Buckingham Palast nach dem Tod von Prinzessin Diana? War es, wie sie in Regenmantel und mit Regenhaube durch das ausgebrannte Schloss von Windsor gelaufen ist? Oder ihre Tränen, als sie sich von der Britannia verabschieden musste?

Was war euer ganz persönlicher Moment mit der Queen?

Ich drücke die Daumen!

Die dunkle Seite der Kaiserin – Sisi als Fin de Siècle- Phänomen

Die dunkle Seite der Kaiserin – Sisi als Fin de Siècle- Phänomen

Als ich kürzlich in Ungarn war, ist mir einmal mehr aufgefallen, wie sehr Sisi die Menschen noch immer beschäftigt. Aber auch, wie sehr sie an ihrem eigenen Mythos gebastelt hat. In der Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar, begann sie – einer Fantasiegestalt gleich – in den Köpfen der Menschen ihre Existenz.
Mich selbst hat immer besonders die ältere Sisi interessiert, denn ich hatte den Eindruck, dass sich alle Fäden ihres Lebens kurz vor ihrem Tod zusammenfinden und überhöhen.
Umso willkommener war mir das Buch, das ich heute vorstellen möchte und das sich mit Elisabeths letzten Jahren befasst.

Credit:Amalthea Verlag

Eines muss in diesem speziellen Fall vorangestellt werden: beim hier vorgestellten Titel handelt es sich um eine Neuauflage. Es hieß im Original „Mein Herz ist aus Stein“ und erschien bereits 2013.
Bei der Neuauflage kam ein Vorwort hinzu, das Cover wurde geändert und auf den Film „Corsage“ hingewiesen.
Dies hat sichtlich zu Irritationen bei Leserinnen geführt und sich in teilweise negativen Wertungen niedergeschlagen.
Ich persönlich finde, dass man sich verlagsseits diese Probleme hätte sparen können, wenn man Cover und Titel beibehalten hätte. (Allerdings finde ich das aktuelle Cover wesentlich ansprechender).

Was mich persönlich für das Buch eingenommen hat, war die Tatsache, dass es sich nicht um die 101. reine Biografie der Kaiserin/ Königin handelt, sondern ihr Leben unter einem bestimmten Aspekt betrachtet wird, nämlich als Fin de Siècle- Phänomen.

Beginnend mit der Hermes-Villa untersucht Lindinger nicht nur Elisabeths künstlerischen Geschmack, sondern inwieweit sie Modetrends ihrer Zeit aufgegriffen hat.

Mit ihrem Aussehen (groß und schlank) stand sie im krassen Gegensatz zum gängigen Zeitgeschmack, der füllige Frauen bevorzugte. Speziell auch in den Kreisen des (Hoch)Adels. Sie suchte und fand ihr persönliches Schönheitsideal dann bei den Malern der Zeit, die ihrerseits die mageren, dahinschwindenden Frauengestalten in das Zentrum ihrer Arbeiten stellten.

Es hat mich durch das ganze Buch hinweg immer wieder verblüfft, wie intensiv Elisabeth den herrschenden Zeitgeist aufgegriffen und sich an ihm orientiert hat.

Ich nehme nur ihre Art zu schlafen: nackt, bei offenem Fenster, eingewickelt in nasse Tücher. Natürlich ohne Kissen, denn Kissen versprachen Falten. Das Ganze orientiert sich an der Lebensreformbewegung, die in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen ein „Zurück zur Natur“ propagierte.

Ist ja irre – Eine Kaiserin unter Verrückten

Dass Sisi sich intensiv mit dem Thema Geisteskrankheiten auseinandersetzte, ist bekannt. Wenn sie irgend konnte, drückte sie sich vor offiziellen Terminen, doch bei „Irrenhäusern“ machte sie eine Ausnahme. Im Gegenteil – dort verlangte sie, mit den Patienten sprechen zu dürfen und erkundigte sich eingehend über deren Symptome und Krankheitsverläufe.

Lindinger führt aus, dass es sich hierbei um ein nicht nur dem Zeitgeist geschuldetes Interesse handelte. Vielmehr häuften sich in Elisabeths Familie die Fälle von Geisteskrankheit, aber auch von Depressionen. Wo ihr Vater noch als „sonderbar“ und „exzentrisch“ galt, wurden sowohl ihre Schwester, als auch Ludwig II und sein Bruder Otto unter Vormundschaft gestellt. (Otto starb sogar in einer Nervenheilanstalt, die nur ihn beherbergte.)

Offensichtlich hatte Elisabeths Interesse damit zu tun, dass sie mehr über Geisteskrankheiten herausfinden wollte um ihre persönliche Disposition besser einschätzen zu können.

Kunst und Kaiserin

Besonders ansprechend finde ich in dem Buch den Zusammenhang zwischen Elisabeth Vorlieben in der Kunst und Literatur und ihrem eigenen Leben dargestellt. Lindinger schaffte es nicht nur, uns die biografischen Details vorzustellen, sondern auch einen Überblick über die (Avantgarde- Kunst) ihrer Zeit zu geben.

So regte mich die Lektüre dazu an, über Elisabeths Todessehnsucht und dem Werk von Künstlern wie Füssli oder Hirschl-Hilémy intensiver nachzudenken. Kann es sein, dass sie einfach Gleichgesinnte suchte und sie in diesen Kunstformen und Künstlern fand? Nach dem Motto: schaut – ich bin nicht die Einzige!
Was Elisabeth an Kunstwerken kaufte, hatte übrigens immer mit ihrer persönlichen Befindlichkeit, ihren persönlichen Vorlieben zu tun und weniger mit einem besonderen Gespür für sammelnswerte Objekte.

Spannend für mich war auch, wie nah Elisabeth und Ludwig bei der theatralischen Präsentation von Kunstwerken in ihrem Umfeld waren. Beide interessierten sich für moderne Technik und ließen die wo irgend möglich einbauen. Farbiges elektrisches Licht diente unter anderem dazu, Gemälde besonders hervorzuheben.

Die Kaiserin und die Toten

Der Tod ließ Elisabeth nicht los. Seit Ludwig II ums Leben gekommen war, befasste sie sich permanent mit dem Tod und dem Sterben. Schwarz wurde ihre bevorzugte Farbe (nicht erst seit dem Tod ihres Sohnes).
Sie besuchte in Palermo die Katakomben mit den zahllosen Mumien und widmete sich dem Okkultismus.
So sprach sie zum Beispiel mit ihrem Lieblingsdichter Heinrich Heine. (Warum nicht mit dem von ihr so verehrten Shakespeare, fragt man sich. Bekommt aber keine Antwort …)
Auch diesen Bereich zeichnet Lindinger sehr schön nach und gibt einem damit zahlreiche Anhaltspunkte, die zu einer tiefergehenden Beschäftigung mit dem Thema führen können, wurde im 19. Jahrhundert doch europaweit ein Totenkult in kaum je zuvor gekanntem Ausmaß gepflegt.

Der Kaiser, die Kaiserin und Frau Schratt

Für uns heute kaum vorstellbar und sicherlich nicht mit dem Romy Schneiderschen Sisi-Bild in Einklang zu bringen, ist die Tatsache, dass das kaiserliche Ehepaar förmlich in einer Ménage à Trois lebte.

Nicht nur, dass der Kaiser mit der Schauspielerin Katharina Schratt in einer der Öffentlichkeit bekannten Beziehung lebte – er hatte schon zuvor fast 14 Jahre mit Anna Nahowski eine Beziehung gehabt, aus der auch Kinder hervorgegangen sein sollen. So war angeblich die spätere Ehefrau des Komponisten Alban Berg eine Tochter des Kaisers.

Elisabeth wusste nicht nur um die Liebe des Kaisers zu Frau Schratt – sie förderte sie sogar noch und nannte die Schauspielerin ihre „Freundin“. Kein Wunder, denn so lange der Kaiser mit Katharina Schratt beschäftigt war, brauchte er Elisabeth nicht um sich.

Doch Lindinger betrachtet nicht nur eine Katharina Schratt als Person, sondern als Beispiel für all die Schauspielerinnen und Sängerinnen, die die Gesellschaft eroberten.
Bühnenstars begannen damals, den Adel als modisches Vorbild abzulösen. Auch Elisabeth bildete da keine Ausnahme. Bekanntlich engagierte sie ihre Leibfriseurin vom Burgtheater weg, wo sie für die Frisuren der Schauspielerin verantwortlich gewesen war.

Was nun die oft geflüsterte Eheschließung zwischen dem Kaiser und der Schauspielerin angeht, so gibt es zwei Hinweise auf eine solche: Zum einen will ein Brautpaar 1934 eine entsprechende Eintragung in einem Traubuch gesehen habe. Das Buch existiert allerdings nicht mehr. Zum anderen stellte nach dem Tod des Kaisers sein Nachfolger Karl Katharina Schratt seiner Ehefrau Zita vor.
Wäre Schratt nicht Ehefrau des Kaisers gewesen – so Lindinger – wäre dieser Vorgang unvorstellbar.

FAZIT:

Wenn man von dem irreführenden Cover absieht, handelt es sich um ein empfehlenswertes Buch über die Kaiserin. Vielleicht nicht zwingend für die erste Beschäftigung mit ihr, sondern, wenn man sie in dieser speziellen Facette als Repräsentantin des Zeitgeistes kennenlernen möchte.
Lindinger schafft es, die Kaiserin als das vorzustellen, was sie war: Ein Kind ihrer Zeit, wenn auch in einer sehr eigenen Art und Weise, denn es dürfte kaum jemanden gegeben haben, der ein derart selbstbestimmtes, ja egomanisches Leben hat führen können wie Elisabeth.

Es ist Lindinger anzurechnen, dass sie nicht in blinde Ehrerbietung verfallen ist, sondern auch die Schattenseiten der Kaiserin behandelt. (So wenn Elisabeth ihre eigene Tochter in einem Gedicht als „rackerdürre Sau mit ihren Ferkeln“ bezeichnet.)
Dazu kommt, dass Elisabeth im Normalfall sämtliche Bitten des Kaisers, sich ein wenig mehr zu zeigen, Termine in der Öffentlichkeit wahrzunehmen oder bei Staatsbesuchen dabei zu sein, ignorierte.
Elisabeth nutzte die Privilegien ihrer Position voll und ganz aus, verweigerte aber die daraus erwachsenden Pflicht ebenso entschieden.

Ich muss gestehen, dass Elisabeth für mich jahrzehntelang eine einzigartiges Phänomen von einer Frau war. Ich bin irgendwie immer davon ausgegangen, dass all ihrer Spleens und Eigenarten aus ihr selbst entstanden seien. Mithin auf ihrem eigenen Mist gewachsen. Das große Verdienst von Lindingers Buch besteht für mich persönlich darin, dass ich nun verstanden habe, in wie vielen Fällen die Kaiserin sich einfach an der künstlerischen Avantgarde ihrer Zeit orientiert hat. Inwiefern sie sich in der Kunst wiedergefunden hat und Gleichgesinnte entdeckt. Sie war endlich in ihrer ganz persönlichen Welt nicht mehr alleine.

FAKTEN:

Michaela Lindinger: Die dunkle Kaiserin: Elisabeths späte Jahre. Amalthea Verlag, 2024. 264 Seiten, 25€
zuvor erschienen als: „Mein Herz ist aus Stein – Die dunkle Seite der Kaiserin Elisabeth“. Amalthea Signum Verlag, 2013, 256 Seiten, antiquarisch

Mehr aus dem Verlag:

www.amalthea.at


Paris – Eine Augenreise

Paris – Eine Augenreise

Wenn für irgendeinen Bildband ein passender Titel gefunden wurde, dann für diesen wunderbaren Führer durch Frankreichs Hauptstadt Paris.

Credit: DK Verlag

Wenn ich jetzt so das Buch vor mir liegen habe und einfach nur durchblättere, muss ich gestehen, dass mein Herz höher schlägt.

Sucht man als Fan einer Stadt oder einer Region nicht immer immer nach Büchern, die den geliebten Ort am besten verkörpern? Bücher, die man aus dem Regal nimmt, wenn die Sehnsucht zu groß wird und man aber nicht einfach losfahren kann?

Wenn ihr so etwas zu Paris sucht, dann seid ihr jetzt fündig geworden.

Ehrlich gesagt, liebe ich sogar den Duft dieses Buches. Das dicke Papier, den leicht Sepia-angehauchten Druck. Es ist ein wirkliches Erlebnis.

Nun ist das Buch kein gewöhnlicher Reiseführer. Er stellt vielmehr Orte vor, die den Geist der Stadt einfangen. Sei es nun die Große Moschee von Paris oder die Metallsäulen-Allee von Bir-Hakeim. Der Square de Batignolles mit seiner Grotte, den Wasserspielen und dem Teich, oder die Schlittschuhbahn im Grand Palais.

Es sind diese ungewöhnlichen Orte, die man sofort besuchen will, wenn man sie hier sieht.

Hier geht’s ein bisschen nach Auswärts – Saint Denis mit seiner Basilika und den Königsgräbern
Ich war im Dezember dort und kann einen Besuch nur wärmstens empfehlen!

Natürlich kommen auch die großen Sehenswürdigkeiten zum Zug, seien es die zahlreichen Museen, Gebäude, Friedhöfe oder die Parks.

Tipps für Restaurants? Gibt es auch. Aber ebenfalls eher nicht wie erwartet. Vielmehr lernen wir zum Beispiel die Bouillons kennen, jene Lokale, die man inzwischen wieder verstärkt in Paris findet und die in ihrem Ursprung Arbeiter-Restaurants waren und in denen man heute wieder gutbürgerlich zumeist in wunderschönem historischem Ambiente essen kann.

Zu jedem Kapitel findet man eine Doppelseite mit den wesentlichen Punkten in einer Gegend. Großformatige und dadurch sehr übersichtliche Karten präsentieren Vorschläge für Spaziergänge.

Aufgefüllt wird das Ganze mit Artikeln die als „Wissenswertes“ überschrieben werden und Paris aus besonderen Blickwinkeln betrachten. Ob es nun den „Brutalismus“ in der Architektur betrifft oder Erläuterungen zu Kanälen, dem Bereich Pâtisserie oder die Parks.

Alles ist unterhaltsam, informativ und selbst für eingefleischte Paris- Kenner ist sicher noch so einiges Spannendes dabei.

FAZIT:

Die Augenreise ist vielleicht ein bisschen zu groß und zu schwer, um sie in der Tasche mit nach Paris zu nehmen. Aber man bekommt als Vorbereitung auf eine Reise ungemein viele Informationen und findet auch eine Unmenge an „Hidden Gems“.

Alles in allem finde ich, dass dieses Buch ein kleiner, großer Schatz für alle Liebhaber der Seine- Metropole ist und natürlich auch ein fabelhafter Einstieg für diejenigen, die es erst noch werden wollen.

FAKTEN:

Petra Sparrer: Paris – Eine Augenreise, Dorling Kindersley Reiseführer, 2023, 256 Seiten, 29,95€

Weitere Infos beim Verlag:
https://www.dorlingkindersley.de

Diana – Blick zurück im Zorn

Diana – Blick zurück im Zorn

Die Bücher, die über die verstorbene Prinzessin von Wales mittlerweile geschrieben wurden, füllen ganze Bibliotheken. Jeder Aspekt ihres kurzen, wenig glücklichen Lebens wurde auf tausenden von Seiten vorgestellt und analysiert.
Wenn man ehrlich ist, muss man sagen, dass man sich da kaum noch zurechtfindet.
Ein Grund mehr für mich, zu den Wurzeln zurückzukehren und ihre eigenen Worte dazu zu lesen.

Credit: Lifestyle Busse Seewald Verlag

Wenn man sich in all den hunderten und aberhunderten von Titeln zurechtfinden will, die in den vergangenen Jahrzehnten über Prinzessin Diana geschrieben worden sind, ist das ein fast unmögliches Unterfangen. Ob ihre Mode, ihre Beziehung zu ihren Kindern, oder ganz allgemein ihr Lebensweg – es blieb kaum ein Aspekt unbeachtet.

So habe ich mich umso mehr gefreut, dass ich die Gedächtnis- Ausgabe des Buches von Andrew Morton bekommen habe und diese nun vorstellen darf.

Nach dem Vorwort finden wir zunächst Dianas eigene Anmerkungen zu bestimmten Schlagworten. Knapp dreissig Seiten lang lesen wir, was sie unter anderem zu ihrem Mann, ihren Söhnen, ihrer Kindheit und der Königsfamilie zu sagen hatte. Mehr oder minder kurz hingeworfene Gedankenschnipsel, die Morton nicht kommentiert und nicht relativiert.

Der Großteil des Buches dann wird von der offiziellen Version seiner Biografie eingenommen, in der er praktisch nur Dianas eigene Aussagen umformuliert hat.
Jener Biografie, die er mit Hilfe von Dianas besprochenen Tonbändern geschrieben hat und das jahrelang als ausschließlich aus seiner Feder stammend ausgegeben wurde.

Bereits im Vorwort fällt die absolute Distanzlosigkeit auf, die Morton an den Tag legt, wenn er Dianas Situation in ihrer Ehe schildert.

Verschleiern für Fortgeschrittene

Wie sind Diana und Morton nun vorgegangen?

Tatsächlich hatten sie vereinbart, dass sie sich nicht persönlich treffen durften, damit Diana glaubwürdig behaupten konnte, nicht mit Morton unter einer Decke zu stecken. (Lustige Haarspalterei …)

Sie brauchten also einen Mittelsmann. Dianas Wahl fiel auf ihren Freund James Colthurst.

Colthurst und Morton wurden also im Folgenden zu Dianas Mitverschwörern. Morton schickte die Fragen und Diana antwortete auf Tonbändern, die wiederum Colthurst an Morton überbrachte. Das Ganze glich einem Manöver aus der Welt der internationalen Spionage.

Man muss dabei bedenken, dass als Diana die Bänder besprochen hat, sie noch mit Charles, dem damaligen Prince of Wales, verheiratet war und auch mit ihm zusammenlebte. Dennoch folgen in ihren eigenen Worten wenige Seiten später Überlegungen zur Scheidung und wen sie danach wohl heiraten würde. (Was nicht nach einer Frau klingt, die erst mal genug vom Thema Ehe hat …)

Aus zahlreichen Stellen im Vorwort merkt man, wie trunken Morton von seiner eigenen Bedeutung zu dieser Zeit war und dies erklärt sicherlich auch die Kritiklosigkeit, mit der er – sicherlich wider besseres Wissen – jede von Dianas Behauptungen als Faktum übernommen hat. Dass sie ihn sogar um Rat bat, als sie sich von ihrem alten Friseur trennen wollte und nicht wusste, wie sie das zustande bringen sollte, ohne, dass dieser seine Story im Zorn an Zeitungen verkaufte, hat Morton ohne jeden Zweifel enorm geschmeichelt.

Zeigt sich hier Dianas manipulativen Seite? Ihre Fähigkeit aus Außenstehenden klaglose Bewunderer zu machen? Ich denke ja. Denn was Morton für diesen Coup riskierte, war nicht weniger als seine Glaubwürdigkeit, sein Ansehen, ja seine Zukunft. (Wir wissen von Omid Scobie, wie es jemandem ergeht, der sein Schicksal an einen fallenden Stern kettet …)

Dianas Interesse an diesem Buch ging übrigens so weit, dass sie ihren Vater schriftlich bat, Morton Fotos aus seiner Sammlung zu überlassen, was der alte Earl auch tat.
Dies vor dem Hintergrund, dass sie sicherstellen wollte, dass sich das Buch von allen anderen Titeln seiner Art abheben sollte.

Insofern muss man sich auch schon beim Lesen des Vorwortes fragen, ob Diana je geglaubt – beziehungsweise gewollt hat, dass das Buch nicht als mit ihrem Beitrag zustandegekommen ausgegeben werden könnte.

Sie war sogar so von diesem Buch und der eigenen Rechtfertigung besessen, dass sie ihren Schwager Robert Fellowes, den Privatsekretär der Queen, auf dessen direkte Nachfrage angelogen hat. Die Queen hatte ihn um Aufklärung gebeten, weil schnell klar war, dass die Informationen im Buch eigentlich nur von Diana persönlich mitgeteilt, bzw. autorisiert worden sein konnten. Fellowes sprach daraufhin Diana an und überbrachte direkt die Frage der Queen. Diana antwortete, sie habe null und nichts mit dem Buch zu tun.

Als herauskam, dass Diana ihn angelogen hatte, ging er sofort zur Queen und bot seinen Rücktritt an, was diese ablehnte.

Am 7. Juni 1992 veröffentlichte die Sunday Times einen ersten Bericht über das Buch und machte hierbei mit Dianas zahlreichen Selbstmordversuchen auf.
Die Welt erstarrte.

Wie wenig Morton selbst die Reaktionen verstand, zeigt sich in meinen Augen alleine schon an dieser Stelle:

„Es ist eine der Ironien in dieser Geschichte, dass eine Biografie, die mit umfassender und enthusiastischer Unterstützung der Betroffenen geschrieben und produziert wurde, fromm boykottiert werden sollte aufgrund des Verdachts, es handele sich um eine falsche Darstellung von Dianas Leben.“

Tatsächlich ist die Biografie wirklich insofern „falsch“, als sie komplett und kritiklos auf den Aussagen der Heldin beruht. Wo es doch eigentlich üblich ist, dass ein Autor solche Selbstzeugnisse zwar heranzieht, sie aber überprüft, hinterfragt und widersprüchliche Funde vorstellt.

Insofern ist es interessant, wenn Morton folgende Anekdote berichtet: „Der Autor und Fernsehstar Clive James erinnerte sich gern daran, wie er sie (Diana) beim Lunch fragte, ob sie selbst hinter dem Buch stecke. Er schrieb: „Mindestens einmal hat sie mich jedoch regelrecht belogen. ‚Ich habe mit dem Buch von Andrew Morton wirklich nichts zu tun gehabt‘, sagte sie mir. ‚Doch nachdem meine Freunde ihm gegenüber ausgepackt hatten, konnte ich sie natürlich nicht im Regen stehen lassen.‘ Und während sie das sagte, sah sie mir direkt in die Augen. So bekam ich also mit, wie plausibel sie aussehen konnte, wenn sie eine faustdicke Lüge auftischte.“

Bevor nun das Buch mit ihren eigenen Worten losgeht, macht der Verlag die Anmerkung, dass auch diese Zitate ausgewählt und editiert wurden. Sprich: wir lesen abermals das, was andere aus Dianas Worten gemacht haben.
In diesem Zusammenhang hätte ich mich gefreut, wenn man diese Editierung kenntlich gemacht hätte. So wissen wir nicht, inwieweit man Veränderungen vorgenommen hat.

Natürlich lesen wir Biografien unter anderem deshalb, weil wir eine bestimmte Person verstehen, beziehungsweise mehr über sie erfahren wollen. Nicht zuletzt, wenn es darum ging, die Prinzessin von Wales als erwachsene Frau einzuschätzen. Insofern war selbst dieses unübertroffen einseitige Buch erhellend für mich.

Dianas Hass

Dass man den Erinnerungen an die Kinderzeit nicht zwingend trauen darf, liegt auf der Hand. Wenn die erwachsene Person aber von Dingen berichtet, die sich nur wenige Jahre zuvor zugetragen haben, darf man sicherlich davon ausgehen, dass sie belastbar sind.

Vor diesem Hintergrund war es besonders schockierend für mich zu lesen, mit welchem Hass sie ihre Stiefmutter Lady Raine Spencer verfolgte.

„Ich weiß noch wie ich ihr richtig an die Gurgel fuhr – ich war so wütend. Ich sagte: ‚Ich hasse dich so sehr, wenn du doch nur gewusst hättest, wie sehr wir alle dich für das, was du getan hast, gehasst haben, du hast das Haus ruiniert, du hast Daddys Geld ausgegeben – und wofür?“
Nun muss man dazu sagen, dass Diana bei diesem „Gespräch“ bereits erwachsen, Mutter und Prinzessin von Wales war. Was war geschehen? Raine hatte, um die immensen Schulden abzuzahlen, die sich über dem schwerkranken Earl seit Jahren türmten, Kunstgegenstände aus dem Schloss verkauft. Nur so konnte sie das Anwesen überhaupt retten.
Ein Faktum, das von allen anerkannt wurde und wird.
Auch ist unumstritten, dass es Raine war, die durch ihre unermüdliche Pflege den Earl am Leben erhielt.
Die Stiefkinder waren die einzigen, die das nicht sahen, sondern sie auch weiterhin mit ihrem unstillbaren Hass aus Jugendtagen verfolgten.

Diese von Diana selbst geschilderte Szene lässt eines vermissen (von der viel beschworenen Caritas abgesehen): Selbstreflexion.
Diana ist auch mit größerer Distanz zum Ereignis unfähig, die Rolle der Stiefmutter neu zu bewerten und über Punkte nachzudenken, die zu deren Entlastung ins Feld geführt werden könnten.
Sie scheint noch immer vom Hass zerfressen auf jene Frau, die nichts anderes getan hat, als den Vater zu heiraten und das Erbe der Spencers zu retten, das seit Jahrzehnten im Niedergang begriffen war. Übrigens hat dann Jahre später Dianas Bruder Charles von der Vorarbeit der „bösen Stiefmutter“ profitiert, da er das Erbe praktisch grundsaniert antreten konnte.

Und es ist nicht nur Raine Spencer, die ihr Fett abbekommt. Selbst die eigene Mutter wird nicht verschont …

„Meine Mutter hat mich furchtbar im Stich gelassen bei der Hochzeit. Sie weinte pausenlos und gab sich so tapfer und sagte, sie sei an der Grenze der Belastbarkeit. Ich dachte irgendwie, dass ich diejenige wäre, die unter Druck stand, denn ich war die Braut. Darum habe ich danach drei oder vier Jahre nicht mehr mit ihr gesprochen.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen!

Und es sei an dieser Stelle nochmals betont, dass wir es nicht mit den Äußerungen eines Teenagers zu tun haben, sondern mit jenen einer erwachsenen Frau. Einer Frau, die selbst mit einem Abstand von mehreren Jahren nicht in der Lage ist zu sagen: Das habe ich falsch gemacht. Das weiß ich heute und es tut mir leid.

Umso überraschender, da sie nicht müde wurde, als Advokatin der Belange anderer aufzutreten und die Fehler am Verhalten anderer aufzuzeigen. Insofern hätte ich ihr zumindest mehr Bewusstsein für die Problematik ihrer Haltung erwartet.

In diesem Zusammenhang frage ich mich auch, ob Dianas Hass auf Camilla aus dem gleichen Brunnen gespeist wurde. Unreflektiert. Egomanisch. (Selbst)Zerstörerisch.
Und da muss man dann ganz klar sagen, dass Diana ihre Medienmacht genutzt hat, nicht nur um den Ruf von Raine Spencer beinahe unwiderruflich zu schädigen, sondern auch, um Camilla zu vernichten.

Kann ich den Tiger wieder einfangen?

Das ist bekanntermaßen ein schwieriges Unterfangen …

Prince William versucht es seit Jahren mit dem desaströsen Panorama- Interview, das Diana seinerzeit gegeben hatte und das ebenfalls dem Wunsch entsprang, sich zu rechtfertigen und die öffentliche Meinung auf die eigene Seite zu ziehen.

Er war dabei in gewissem Maße erfolgreich, denn die BBC hat den Film zwischenzeitlich in den Giftschrank gepackt, nicht zuletzt wegen der Methoden, mit denen Journalist Martin Bashir Diana dazu gekriegt hatte, bei dem Interview mitzumachen. Selbst auf YouTube sind heute nur noch Schnipsel der Sendung zu finden.

Ich persönlich bin der Meinung, dass auch dieses Interview zugänglich sein sollte, denn es ist eh in den Köpfen der Menschen präsent. Die Zitate („Wir waren zu dritt in dieser Ehe und da wurde es ein bisschen eng.“) sind inzwischen Allgemeingut geworden und mindestens genauso schädlich, als würde man das Interview selbst sehen.

Das Panorama- Interview, wie auch Mortons Buch, sind Zeitzeugnisse. Sie müssen allgemein zugänglich bleiben, denn sie erklären viel von Diana und auch viel von ihrem Phänomen, ihrer Faszination.

Will man verstehen, was sich seit ein paar Jahren im Königshaus zuträgt, sind diese Quellen ebenfalls unverzichtbar, denn man lernt durch sie die Frau kennen, die ihre Söhne William und Harry nachhaltig geprägt hat.

Versteht man Diana -> versteht man ihre Faszination bei den Massen -> versteht man ihren Einfluss u.a. auf die Medien -> versteht man, warum das Königshaus so reagiert hat wie es reagiert hat (in der Diana-Krise und danach) -> Versteht man die Reaktion des Königshauses -> versteht man Charles und die Söhne.

Und dies ist das große Verdienst dieses Buches: Wir lernen Diana in all ihren Untiefen kennen. In eben jenem Moment ihres Lebens, als für sie alles auf dem Spiel stand, weil sie alles auf eine Farbe gesetzt hatte. Dadurch, dass kein Autor, kein PR-Berater, kein Mitarbeiter des königlichen Stabes ihre Aussagen durchgesehen und bearbeitet hat, sehen wir tatsächlich einige der Facetten der wirklichen Diana.

Und da darf man sich am Ende der Lektüre durchaus fragen, ob man gerne mit ihr privat zu tun gehabt hätte.

Nicht nur Harry Potter benötigt seinen Nimbus

Wenn wir Dianas Äußerungen betrachten, erkennen wir sehr schnell, dass sie wenig Selbstbewusstsein hatte. Was es davon gab, bezog sie vom Publikum. Sie sagt selbst in Morton Buch, dass sie am besten mit Kindern und Bedürftigen klarkomme und, dass sie in der Arbeit mit diesen Gruppen ihre Zukunft sieht.

Natürlich klingt das auf den ersten Blick nett und „volksnah“, doch auf den zweiten Blick, verbunden mit ihren übrigen Äußerungen, stimmt es doch nachdenklich. Hat sich Diana damit nicht ausgerechnet jene Menschen ausgesucht, von denen sie am wenigstens Widerspruch zu erwarten hatte?

Von Hellsehern und Wunderheilern

Ein weiterer Punkt stimmt einen mehr als nachdenklich: Ihre im Buch nachzulesende Hingabe an Wahrsager und Wunderheiler.
Plus, Dianas Überzeugung, dass sie selbst über die Gabe, in die Zukunft sehen zu können, verfüge.

Wir finden ihre geglaubten hellseherischen Fähigkeiten auch bei Harry wieder, der das Buch offensichtlich förmlich inhaliert haben muss.

Wie komme ich darauf?

Diana schildert Morton an mehreren Stellen, wie sie zukünftige Ereignisse vorhergesehen habe. So sei Prince Charles Pferd an ihr und einem Begleiter vorbeigelaufen und sie habe vorhergesehen (und es dem Begleiter auch gesagt), dass das Pferd an einem Hitzschlag eingehen werde und so sei es auch gekommen. (Das bedarf eigentlich keines Kommentars mehr …)
Wir alle kennen außerdem ihre immer wieder zitierte „Vorhersage“, die Königsfamilie werde einen Unfall inszenieren, bei dem sie getötet werden würde.

Es ist nicht zynisch, wenn ich sage, dass alles, was dann zu ihrem tatsächlichen Tod geführt hat, ein ungenutzter Sicherheitsgurt war. Den hatte die Prinzessin in jener verhängnisvollen Nacht in Paris nämlich einfach nicht angelegt.

Dass sie eine Wahrsagerin als ihre Freundin bezeichnet, mag noch nachvollziehbar sein, doch, dass sie als derart genau beobachtete und verfolgte öffentliche Person sich die Zukunft vorhersagen lässt, bzw. Hinweise geben lässt, wie sie sich verhalten sollte, stimmt zumindest nachdenklich.
Diana hat sich nämlich offensichtlich keinerlei Gedanken gemacht, was passieren würde, wenn sie mit diesen Sachen erpresst würde, denn sie hat sicherlich diesen Freunden -gutgläubig – sehr viel Intimes berichtet.

Selbst dann nicht, als sie auf die harte Tour lernen musste, dass ihre Handys abgehört werden und die Mitschnitte in der Öffentlichkeit landen.

FAZIT:

Es ist erfreulich, dass dieses Buch, das seinerzeit international derart hohe Wellen geschlagen hat, jetzt vom Lifestyle Busse Seewald Verlag in einer erweiterten und bearbeiteten Version auf Deutsch vorgelegt wurde.
Es ist ein unbedingtes Zeitzeugnis und enorm hilfreich beim Verständnis jener Frau, die die Menschen wie kaum eine zweite in der Gegenwart bewegt hat.
Wenn man sich für das englische Königshaus und die englische Zeitgeschichte interessiert, ist die Lektüre ein Muss.
Vielleicht kann es auch dazu dienen, ein wahrhaftigeres Bild der Prinzessin, jenseits aller Heiligenverehrung, zu schaffen.

Insgesamt muss ich gestehen, fand ich speziell die Äußerungen zu den Schlagworten, also die Diana-Zitate, auf Dauer schwer erträglich.
Es handelt sich bei diesen Worten Dianas um eine einzige Aneinanderreihung von Beschwerden. Nach wenigen Seiten bekommt man das Gefühl, selbst in einem sowjetischen Gulag sei es angenehmer gewesen als im Königshaus. Mir wäre praktisch keine Stelle aufgefallen, wo sie sich freundlich oder dankbar geäußert hätte. Alles und alle waren mies. (Sie fand nur süß, dass ihr Vater bereits in St. Martin in the Fields hatte aus der Hochzeitskutsche aussteigen wollen, weil er dachte, sie seien schon in St. Paul’s.)

Insgesamt lernen wir eine unzufriedene, ständig sich beklagende junge Frau kennen, deren Welt nur um sich selbst und ihre Bedürfnisse kreist, und die bereit ist, selbst ihr sehr nahestehende Menschen aufgrund von Nichtigkeiten zum Teil für Jahre zu ghosten. (Was zum Beispiel die Herzogin von York bestätigt hat.)

Man kann nur hoffen, dass – hätte sie länger gelebt – Diana den Groll und die Verletzungen hätte hinter sich lassen können. So aber hat sie (nicht nur) ihren Söhnen ein schweres Erbe hinterlassen.

Wer sich für weitere Titel des Verlages interessiert, dem sei die Homepage der Frech Verlagsgruppe empfohlen:
https://www.topp-kreativ.de

Ich danke dem Verlag dafür, dass sie mir ein Exemplar zur Besprechung überlassen haben.

FAKTEN:

Andrew Morton: Diana. Ihre wahre Geschichte in ihren eigenen Worten. Memorial Edition: Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe zum 25. Todestag: Biographie von … mit Material aus seinen Original-Interviews, Busse Seewald Verlag 2022, 496 Seiten, 30€

Sonne, Strand, Mega-Cities, Wüste, Royals und Baumriesen

Sonne, Strand, Mega-Cities, Wüste, Royals und Baumriesen

Wo findet man all das? Natürlich in Kalifornien! Ich muss wohl keinem hier erzählen, dass Harry und Meghan in Montecito/ Kalifornien leben oder, dass Clint Eastwood Bürgermeister des einzigartigen Ortes Carmel-by-the-Sea war. (Wo Doris Day ein Hotel besaß).
Ihr seht – viele gute Gründe, sich gut auf eine Reise nach Kalifornien vorzubereiten …

Credit: Dumont Verlag

Seit unserer ersten Reise in die USA sind wir schockverliebt in dieses Land, das eigentlich aus vielen Ländern besteht.
Eines der erfolgreichsten, wenn auch umstrittensten ist ohne Zweifel Kalifornien.

Würde Kalifornien – statistisch betrachtet – ein eigenes Land/ Staat werden, würde es zu den 40 ökonomisch erfolgreichsten und reichsten Ländern der Erde gehören. Nicht zuletzt, weil seine Natur und Kultur (Hollywood) kreative Menschen seit jeher anzieht.

In meinem vorhergehenden Artikel habe ich ja schon den dickeren Dumont Reiseführer zum Thema vorgestellt, wollte für euch aber auch noch einen weniger umfangreichen Titel aussuchen, der mir gefällt.

Da ich die Reiseführer von Dumont allgemein mit am liebsten mag, habe ich mir deren Bildatlas genauer angeschaut.

Tatsächlich ist der Bildatlas ein Mittelding zwischen einem Heft und einem Buch, wobei die mir vorliegende Ausgabe alleine schon von der wertigen Aufmachung her punktet.

Das Cover ist – wie heute beliebt – matt gedruckt mit lackglänzenden Details. Das macht alleine schon von der Haptik her richtig Spaß.

Im Inneren geht es mit der Qualität weiter. Hier haben mich vor allem die Fotos überzeugt.

Credit: Dumont Verlag und ich 😉

Mein selbstgemachtes Foto kommt logischerweise nicht mal annähernd an das echte Bild ran. Ich habe es übrigens deswegen für euch gewählt, weil es sehr schön verdeutlicht, wie atmosphärisch die teilweise doppelseitigen Fotos sind.

Für mich ist solch ein Bildatlas der Schritt zwischen Reiseführer und Bildband. Er ist leichter und preiswerter als der Bildband, kann aber auch informieren sowie die Stimmung und Schönheit einer Landschaft, eines Ortes vermitteln wie ein ausführlicher Reiseführer.

Dass die Karten, die sich im Buch finden, wirklich sehr gut sind, erwarte ich eigentlich schon bei einem Verlag wie Dumont und werde nicht enttäuscht. Sowohl die großen Übersichtskarten wie auch die Karten zu bestimmten Stadtteilen oder Regionen überzeugen.

Was ich aber nicht erwartet hätte, ist die Tatsache, dass man sich nicht nur mit Szenelokalen und Sehenswürdigkeiten befasst, sondern zum Beispiel einem Thema wie der Obdachlosigkeit in Kalifornien sogar eine Doppelseite widmet.
Das macht für mich das Heft zusätzlich empfehlenswert, denn es ermöglicht so zumindest den Versuch, ein abgerundetes Bild der Region anzubieten und weniger schöne Themen nicht auszusparen.

In zahlreichen kleinen Artikeln finden sich auch Informationen zu spleenigen, unerwarteten und verwunderlichen Details, die das Bild dieses Bundesstaates abrunden. Oder wer kannte all die wundervollen viktorianischen Villen in Kalifornien, die sich den Platz mit der von der Wüste inspirierten Architektur der 60er, 70er und 80er Jahre teilen?

Natürlich finden sich all die großen, bekannten Sehenswürdigkeit, vom Getty Museum bis zu den Nationalparks. Aber auch kleine, spannende Abstecher bekommen wir vorgestellt. So eine organische Farm in Camarillo, die durch Selbstgezogenes und freilaufende Hühner hervorsticht.

Besonders charmant: am Schluss des Heftes gibt es Tipps zu ganz besonderen Mitbringseln, die einem die Zeit in Kalifornien immer wieder in Erinnerung bringen. (Okay – das gilt vielleicht nicht für das Sauerteigbrot aus San Francisco …)

Von mir in diesem Zusammenhang noch ein Mitbringsel-Tipp: Wer in Carmel-by-the-Sea in Highheels flanieren möchte, braucht dazu eine Genehmigung, die man bei der Stadtverwaltung bekommt. DAS dürfte ein Souvenir sein, das man sonst nirgends findet.

FAZIT:

Der Bildatlas ist natürlich kein Ersatz für einen ausführlichen Reiseführer. Allerdings hat er seine großen Vorteile zum einen beim Bildmaterial und zum andern bei den aktuellen Artikeln zu Land und Leuten. Sein Format und Gewicht erlaubt es auch, ihn einfach in der Tasche mitzunehmen und in einer ruhigen Minute zu schmökern und zu schwelgen.

Auch wenn ich davon ausgehe, dass man sich verlagsseits und autorenseits bemüht, mit allen Angaben aktuell zu sein, würde ich dennoch dringend empfehlen, sich vor Besuch einer bestimmten Sehenswürdigkeit z.B. online über die aktuellen Öffnungszeiten zu informieren. Die sich blitzschnell ändernde Witterung in Kalifornien tut ihr übriges dazu, dass z.B Vergnügungsparks geschlossen werden und man sich einer großen Enttäuschung gegenübersieht.

FAKTEN:

Ulrike Wirtz: DuMont Bildatlas Kalifornien: Das praktische Reisemagazin zur Einstimmung. 120 Seiten, 11,50€, Dumont Reise Verlag, März 2022

Weitere Infos:

https://www.dumontreise.de

Go West! – Kalifornien ruft!

Go West! – Kalifornien ruft!

Kalifornien ist sicher mit eines der am meisten gewählten Reiseziele in den USA. Strände, Großstädte (wie Los Angeles und San Francisco) und Naturschönheiten locken ebenso wie historische Landmarks und Museen.
Dass die Sussexes ihre Villa in Montecito bezogen haben, war für uns allerdings nur ein nachranziger Grund, Kalifornien anzusteuern.

Wenige US-Staaten haben eine solche Vielfalt zu bieten wie Kalifornien. Alles ist dabei: Großstädte wie Los Angels und San Francisco, aber auch endlose Sandstrände, gewaltige Baumriesen in den Nationalparks bis hin zu endlosen Wüsten. Umso wichtiger, dass man gut vorbereitet ist. In jeder Hinsicht.

Wie ihr sicherlich wisst, ist das das nicht unsere erste Reise in die USA. Wir haben bereits Florida und den nördlicheren Teil der Ostküste, inklusive New York gesehen.

Diesmal ist nun die Westküste an der Reihe.

Da ich mich gerne gut auf solche Reisen vorbereite (es soll mir ja nichts entgehen …), ist für mich der wichtigste erste Schritt die Auswahl eines guten Reiseführers. Hierbei möchte ich gute Informationen, gepaart mit schönen Bildern, die mir eine Idee von der herrschenden Atmosphäre vermitteln.

Wenn es dann ums reine Schwelgen geht, greife ich – wie ihr sicher auch – zu den Bildbänden.

Für mich persönlich gibt es zwei Verlage, bei denen ich seit Jahren immer wieder zuerst nachschaue: „Vis-à-Vis“ / DK / Dorling Kindersley, Kunth und Dumont.

In diesem Fall möchte ich euch den Band „Kalifornien“ von Manfred Braunger und Ralf Wohnen aus dem Dumont Verlag vorstellen.

Credit: Dumont Verlag

Zunächst sei gesagt, dass das Buch eine kleine Wuchtbrumme ist. Es kommt nämlich, wenn auch in Taschenbuchformat, so doch mit einem gehörigen Gewicht daher. Hat man einen guten Rucksack, merkt man das Gewicht natürlich nicht. Will man ihn aber in die Handtasche packen …
Aber egal. So gewichtig das Buch – so gewichtig die Infos, die sich hier finden.

Nicht nur die Geschichte Kaliforniens wird uns vorgestellt, wir bekommen auch spannende historische oder biografische Exkurse.

Credit: Dumont Verlag

Da ich immer auch für meinen Kanal und meine Homepage recherchiere, sind solche Artikel enorm wichtig. Hier sehe ich, worauf es sich lohnen würde, meine Aufmerksamkeit zu lenken. Zudem steuern sie wichtige Erkenntnisse bei, wenn es darum geht, eine Region und ihre Menschen besser zu verstehen.

Im gleichen Kontext sehe ich da auch die politisch/ sozialen und ökonomischen Erläuterungen des Buches, das dadurch mehr ist, als nur ein reiner Ratgeber, wo ich am besten essen kann und wann ein Museum geöffnet hat. Ich lerne über die Geschichte sowie die Lebensgegenwart der Menschen in meinem Urlaubsland.

Kartenmaterial

Was wäre nun ein Reiseführer ohne seine Karten?

Besonders wenn man reist, muss man immer gewahr sein, dass man nicht überall ein Netz hat und somit oftmals nicht auf sein Online-Kartenmaterial zurückgreifen kann.
Es mag für Oldschool-Reisende wie mich eine Selbstverständlichkeit sein, aber trotzdem sollte darauf hingewiesen werden, dass gedruckte Karten gerade heutzutage ihre unbedingten Vorteile haben.

Im vorliegenden Reiseführer kann man sich dabei nicht beschweren. Wenn man die kleine Wuchtbrumme nun nicht komplett mitnehmen will, kann man aus einer kleinen eingefügten Tasche die beigelegte Landkarte entnehmen und in die Handtasche geben.

Im Buch selbst finden sich unterschiedliche Karten. Geographische Überblicke ebenso wie detaillierte Straßenkarten, wenn man zum Beispiel in Downtown Los Angeles unterwegs ist.
Die Karten sind sauber gedruckt und übersichtlich, was mir sehr gut gefällt, denn man hat nicht unbedingt Zeit und Raum, um sich einer komplexen Suche nach einem bestimmten Ort zu widmen. Handlichkeit ist ebenfalls bei Karten ein wichtiger Punkt für mich, denn mein größtes Grauen ist der Moment, wenn ich eine gewaltige Karte auffaltend, in einem Café zwei Tische belegen muss, um einen Überblick zu bekommen.

Die Tipps

Ich persönlich war noch nie in einer richtigen Wüste.

Natürlich habe ich mich zum Beispiel bei YouTube informiert, vertraue aber mindestens ebenso gerne den Hinweisen von echten Profis, was den Umgang mit diesen lebensfeindlichen Arealen angeht.

So war ich über den Hinweis der Autoren sehr überrascht, dass in der kalifornischen Wüste tatsächlich mehr Menschen ertrinken als verdursten. Warum? Weil es zu plötzlichen Platzregen kommt und große Wassermassen sich dann blitzschnell ihren Weg durch glatte Täler suchen und unachtsame Wanderer mit sich reißen. („Flash-floods“)
Diese und viele andere ebenso überraschende wie wichtige Infos bieten die Autoren.

Die Aufteilung

Das Buch insgesamt ist unterteilt in eine Einführung, „Wissenswertes“, sowie sieben Kapitel (Los Angeles und Umgebung, San Diego und Umgebung, Kalifornische Wüsten und Las Vegas, Zwischen Los Angeles und San Francisco, Central Valley und Sierra Nevada, San Franciso und Bay Area, Nordkalifornien)
Außer dem Register gibt es noch einen kleinen lukullischen Ratgeber und einen Sprachführer im Anhang.

Jedes Kapitel wird mit einem Überblick eingeleitet, wo wir auch einen Hinweis auf besonders schöne Routen und Geheimtipps der Autoren finden. Natürlich gibt es auch Extra- Abschnitte zu besonderen (sportlichen) Aktivitäten.

Was die bekannten Sehenswürdigkeiten angeht, so finden sie sich alle, gespickt mit Geheimtipps.

FAZIT:
Ich habe den Reiseführer fast wie einen Roman gelesen. Er hat die vielen tollen Bilder, die ich bislang von Kalifornien kannte, mit praktischen und interessanten Informationen unterfüttert und meine Vorfreude nochmals intensiviert.
Natürlich muss man bei wichtigen Besuchen auch immer vorher nochmals auf der Webseite der Sehenswürdigkeit nachschauen, aber ich gehe davon aus, dass die Angaben im Buch zuverlässig und aktuell sind.

Für mich besonders toll ist die eingelegte Landkarte, die äußerst handlich ist und in jede noch so kleine Seitentasche passt.

Alles in allem kann ich den Reiseführer ohne Einschränkung empfehlen. Dem Praxistest werde ich ihn dann im April unterziehen, wenn ich vor Ort bin.

FAKTEN:

Manfred Braunger, Ralf Wohnen: Kalifornien, Dumont Reisehandbuch, April 2023, 464 Seiten, 25,95€

MEHR INFOS:

https://www.dumontreise.de

Der Kaiser in Ketten …

Der Kaiser in Ketten …

Die Zeit der Aufklärung ist bei uns beinahe vollkommen vergessen. Was die Habsburger Kaiser und Könige angeht, so erinnern sich die meisten maximal noch an Maria Theresia, die Über-Mutter und dann wieder an Sisi und Franzl …
das sollte man tunlichst ändern und zu diesem Zweck empfiehlt sich das Buch von Monika Czernin, welches ich ihm Folgenden vorstellen möchte …

Credit: Penguin Randomhouse

Der Kaiser reist inkognito

Ein junger Mann liegt im Dreck. Angekettet an eine feuchte, eisige Mauer.

Um ihn herum nichts als Dreck und menschliche Exkremente.

Der Mann jedoch wirkt gepflegt. Seine Kleidung ist wertvoll und nur vom Knien beschmutzt.

Jeder Leser fragt sich natürlich bei dieser Stelle zu Beginn des Buches, wer das ist, der da in einem Kerker zu verrotten scheint.

Die Antwort kommt prompt: Kein Geringerer als Kaiser Joseph II, Sohn der Kaiserin Maria Theresia und ihr Mitregent.

Was war passiert? Der Kaiser wollte das Leben seiner Untertanen kennenlernen und dazu gehörte die Kerkerstrafe. Er wollte wissen, wie all die Männer und Frauen sich fühlen, wenn sie für Tage, Wochen – gar Jahre so eingesperrt wurden.

Diese Stunden in Ketten sollten ihn prägen.

Er beschloss, seine Länder inkognito zu bereisen und so direkt und ungeschönt zu erfahren, wie das alltägliche Leben der Menschen verlief. Welche Sorgen und Probleme sie hatten.

Monika Czernin nimmt uns nunmehr mit auf seine zahlreichen Reisen kreuz und quer durch sein Reich. Aufgefüllt wird das Ganze durch Briefexzerpte, die er u.a. an seine Mutter und seinen Bruder schrieb, der in der Toscana Vorbildliches an Reformen leistete.

Über all den Anstrengungen, die der Graf von Falkenstein (wie der Kaiser sich auf seinen Resien nannte) aber stand der Begriff der Aufklärung.

Joseph verlangte Zahlen. Gespräche beinahe auf Augenhöhe. Keine geschönten Berichte, die ins ferne Wien geschickt wurden, um Ruhe und Zufriedenheit zu verbreiten, wo eigentlich Alarmstimmung herrschen müsste.

Ich muss gestehen, ich habe das Buch von der ersten Seite an verschlungen. Es bringt einem die grauenhafte Lebenssituation der einfachen Menschen so unverstellt näher, dass man nur mit Verwunderung auf jene blicken kann, die behaupten, früher sei doch alles besser gewesen.

Czernin versteht es dabei, die Hintergründe der wirtschaftlichen und politischen Misere, die in jenem gewaltigen Reich herrschte, leicht nachvollziehbar, und dabei dennoch nicht oberflächlich vorzustellen.

Durch Zitate von Augenzeugen, trifft einen das Geschehen so unmittelbar, dass man beinahe den Gestank riechen kann, der von den zahllosen Siechen und Bettlern ausgeht. Vom auf dem Feld verrotteten Getreide und den sterbenden Tieren. 

Wo es sicherlich verlockend wäre, Schuld zuzuweisen, bringt sie es fertig, aufzuzeigen, wie die Herrschenden versucht haben, gegen Strukturen und Traditionen anzugehen und doch scheiterten. Aber auch diejenigen werden benannt, die von der Misere, von der Leibeigenschaft und der Ausbeutung schamlos profitierten. 

Es stimmt einen sehr nachdenklich, wenn man diesen neuen Blick auf das 18. Jahrhundert tut. Man merkt, wie einfach es war ein „Ancien Régime“ zu kritisieren und wie schwer es den Menschen damals fiel, Auswege zu erkennen. 

Beinahe frustrierend, wenn man sieht, wie lange es noch brauchen sollte, bis zum Beispiel das „Robot“ abgeschafft wurde. 
Unter Robot verstand man verschiedene Arten von Frondienst. Das bedeutete, dass Bauern zum Beispiel erst das Land des Herrn zu bewirtschaften hatten, bevor sie ihr eigenes bestellen durften, was dann – logischerweise zu kurz kam und Hunger und Elend vorprogrammiert waren. Es galt als üblich, dass an drei Tagen pro Woche Robot geleistet werden durfte, und an den restlichen für sich selbst gearbeitet. Tatsächlich waren aber 5 Tage durchaus Gang und Gäbe. Wenn man bedenkt, dass am Sonntag nicht gearbeitet werden durfte/ sollte, kann man sich denken, wie das für die Leibeigenen ausging.

Oder wie Czernin schreibt: „Die Scholle klebte am Bauern und der Bauer an der Scholle“, denn natürlich dürften solche Leibeigenen ihre Herren nicht einfach verlassen …

Aufgeteilt ist das Buch übrigens in Kapitel, die sich an den Reisen des Kaisers orientieren. Wer mag, kann zu Beginn jedes Kapitels die Stationen der Reise nachvollziehen und sich im nächsten Urlaub vielleicht sogar auf die Spuren des Kaisers begeben.

Ein spannendes Unterfangen mit Sicherheit.

Dieser aufgeklärte Monarch, der inkognito durch die Lande reiste, mit Bauern und Herren sprach und nicht müde wurde, Bittschriften entgegenzunehmen und Reformen anzustoßen, hatte aber auch seine Schattenseiten, wie Czernin darlegt.

Es geht um die Teilung Polens. Maria Theresia hat sie unterschrieben, aber der Kaiser hatte sie zu verantworten. Maria Theresia unterschrieb, weil sie einen Krieg fürchtete, den sie nicht würde stemmen können bei all der wirtschaftlichen Not in ihrem Reich. So zitiert Czernin sie mit einem Briefzitat: 

„Diese schreckliche Teilung Polens kostet mich zehn Jahre meines Lebens.“

Und:

„Ihr werdet sehen, wie unglücklich sich diese ganze Affäre entwickeln wird.“

Joseph aber hatte sich mit Friedrich II verständigt, der wiederum hatte die russische Zarin ins Boot geholt und dann stand der Teilung nichts mehr im Wege. „Partager le gâteau“ („Den Kuchen teilen“), wie man das nannte.

Was vielleicht manche Leser eines Sachbuches irritieren könnte, sind die romanhaften Stellen.

„Sind wir angekommen, fragt sich Joseph, während er sich den Schlaf aus den Augen reibt. Er hört Stimmen. Einige sprechen Ungarisch, andere Deutsch (…) Er hat schlecht geträumt. (…) Joseph atmet tief ein. Als on ihn seine geheimen Wünsche irgendwie beunruhigen würden.“

Ich muss gestehen, dass ich mich erst an sie gewöhnen musste. Allerdings konnte ich keine Stelle finden, deren Erfindung irgendwelche falschen Schlussfolgerungen ermöglicht hätte. Möglicherweise sind sie sogar durch Briefe oder Tagebucheinträge gedeckt. Das vermag ich nicht zu sagen.

Auf jeden Fall gestalten sie das Buch lebendiger als es eine reine Aufzählung von Fakten könnte.

Sehr gut finde ich auch die Zeittafel im Anhang, die einem einen sehr guten Überblick über die wichtigsten Geschehnisse gibt, sodass man alles gut nachvollziehen kann, auch wenn man später etwas nachschauen möchte.

Es gibt des weiteren ein Ortsregister, das aber zu wünschen übrig lässt. Wenn man eines anhängt, sollte es auch wirklich alle Orte, die im Text genannt werden, erwähnen. Dies geschieht hier nicht, was ich schade finde. So hatte ich nicht gewusst, dass der Kaiser auch im zu meinem Wohnort nahegelegen Worms war, das dann aber im Anhang fehlt. (Ja, ja – ich weiß – der Lokalpatriotismus …)

Auf den Klappeninnenseiten finden sich farbige Karten Europas und seiner Aufteilung, was ich sehr interessant finde.

FAZIT: 

Ein rundum gelungenes Buch, das nicht nur einen ungewöhnlichen Kaiser vorstellt und begreifbar macht, sondern, das auch einen unverstellten Blick auf die Menschen des 18. Jahrhunderts ermöglicht.
Die Zeit der Aufklärung, die leider weitgehend in Vergessenheit geraten ist mit ihren modernen Ansätzen und Reformversuchen, wird wieder lebendig und verführt die Leser hoffentlich zu einer neuerlichen Beschäftigung mit dieser aufregenden und für Europa wegweisenden Zeit.

Es liest sich spannend wie ein Roman und regt dazu an, sich noch weitergehend zum Thema zu informieren.

Was mich persönlich angeht, so habe ich noch eine umfangreiche Maria Theresia- Biografie liegen, die ich jetzt angehen werde. Immerhin war das 18. Jahrhundert auch das Jahrhundert der großen Herrscherinnen.

FAKTEN:

Monika Czernin: Der Kaiser reist inkognito – Joseph II und das Europa der Aufklärung, Penguin Verlag, 3. Auflage 2021, 384 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,00

Mehr zum Verlag:

www.penguin.de

Mehr zur Autorin:

www.monikaczernin.com

Mit der Kaiserin in die Freiheit

Mit der Kaiserin in die Freiheit

Wir alle kennen die Wanderleidenschaft der Kaiserin von Österreich. Sisi einsam in den Bergen. Sisi, die ihren Hofdamen voranrennt, in einem Tempo, dass der Kaiser (die Hofdamen bemitleidend) eine Kutsche hinterherschickt, die die erschöpften Damen einsammelt.

Bislang gab es allerdings noch kein Buch, dass sich auf diese Leidenschaft konzentriert hätte. Das hat sich jetzt geändert. Grund genug für mich, einen genaueren Blick in den Band zu werfen …

Zunächst muss ich eines feststellen: Ich liebe die Berge sehr, bin aber kein Berg-Fex.
Da die nächsten Berge von uns aus doch recht weit entfernt sind, komme ich auch so gut wie nie in die Verlegenheit zu wandern.
Nichtsdestotrotz habe ich schon ein paar Mal Berge er-spaziert und fand es großartig.

Umso mehr habe ich mich gefreut, dass mir der Frederking und Thaler- Verlag dieses neue Buch zur Verfügung gestellt hat, trifft sich doch da alles, was mich interessiert: Geschichte, Natur und tolle Fotos.

Das Buch orientiert sich dabei an den verschiedenen Lebensabschnitten der Kaiserin. Beginnend in Possenhofen, wo sie in ihrer Kindheit viel Zeit zugebracht hat. (Anders als in den Sisi-Filmen vermittelt, lebte Sisis Familie tatsächlich eigentlich in München)
Das letzte Kapitel ist dann auch der letzten Etappe ihrer Lebens-Reise, nämlich dem Genfer- See und der dortigen Bergwelt gewidmet. Hier begab sie sich mit ihrer Hofdame auch auf ihre letzte Wanderung.

Hier eine der vielen wunderbaren Doppelseiten, wo Zitate mit besonders schönen Bildern verbunden werden.

Wenn man die erste Seite aufgeschlagen hat und zu lesen begonnen, mag man es am liebsten wie Sisi halten und losmarschieren.

Umso besser – auch für all diejenigen, die keine Bergziegen sind – dass es bei den Wandervorschlägen am Ende jedes Kapitels Touren für Geübte wie auch für Laien gibt.
Jedem Kapitel schließen sich zwei Wandervorschläge an. Die kleine Beschreibung der Tour ist wirklich hilfreich, wenn man einschätzen will, ob der Weg etwas für einen ist. Die Angabe von ungefährer Wegzeit und den zu überwindenden Höhenmetern ist ebenfalls für viele von uns notwendig.
Ich persönlich würde es allerdings so halten, dass ich loslaufe und wenn ich merke, dass mich die Strecke überfordert, einfach wieder umkehren.

Übrigens zeigt sich an diesen Details, dass sowohl die Autorin Sandra Freudenberg als auch der Fotograf Andy Dauer eingefleischte Kenner der Materie sind. Freudenberg lebt auf einem Bergbauernhof am Alpenrand und Dauer auf einer Alm im Salzburger Land. (Alleine wenn ich die Ortsbezeichnungen schreibe, rieche ich die duftenden Bergwiesen und höre die Vögel in den Tannen zwitschern)

Was man auch merkt – Dauer hat ein Gespür für die Landschaft, die er fotografiert. Es sind nicht nur Schnappschüsse, es sind kleine Kunstwerke entstanden, die an die Gemälde der alten Meister erinnern.

Diese Fotos illustrieren aber nicht nur Informationen zu Sisi selbst oder ihren Reisen – wir erfahren auch vieles über die Orte, die sie besucht hat und was aus ihnen geworden ist.
So lernen wir, dass König Max II 1865 den Bahnhof Possenhofen errichten ließ und die Kaiserin nun bequem ihr heimatliches Schloss erreichen konnte. Heutzutage befindet sich dort ein Sisi-Museum, dessen Besuch von der Autorin empfohlen wird.
Ich selbst war noch nicht dort, aber wenn ich es das nächste Mal nach Bayern schaffe, werde ich es mir garantiert ansehen.

Kritik: Ich teile die positive Einschätzung Sisis durch die Autorin nicht wirklich. Dennoch bietet mir das Buch mit vielen neuen Details die Möglichkeit, mein Bild der Kaiserin abzurunden. Jener Kaiserin, die ich so gerne mögen würde und die es mir so schwer macht.

Eine dieser kleinen Facetten ist jener Brief, den Sisi an den Kaiser schrieb:

„Da Valerie neben mir spielt, schreibe ich etwas konfus.
Sie kocht und der Kater springt immer in den Teig.“

Lobend möchte ich an der Stelle auch den Literaturanhang erwähnen.
Die Autorin hat die Titel nach inhaltlichen Themen sortiert: „Sisis Leben aus erster Hand“, „Über Sisi“, „Ihr Umfeld“ usw.
Im Normalfall dürften die Bücher auch noch zu bekommen sein, da es sich stets um Auflagen neueren Datums handelt.

FAZIT:

Das Buch ist natürlich kein Wanderführer, den man in den Rucksack packt. Es ist ein Buch für die Couch oder den Sessel. Ein Buch zum immer wieder Reinschauen. (Wie ich sie ja am liebsten empfehle)
Man bekommt Anregungen für eigene Wanderungen und jede Menge interessante Informationen und spannende Einblicke.
Natürlich ist es ein Buch hauptsächlich für Sisi-Interessierte, aber auch für all jene, die einfach nur mehr über die vorgestellten Gegenden erfahren wollen, ist es ein wunderbares Buch.

Hat die Kaiserin die Freiheit gefunden? – Vielleicht immer einen kurzen Augenblick lang.

FAKTEN:

Sandra Freudenberg, Andy Dauer: „Sisi – Es lebe die Freiheit“, Frederking & Thaler, Dezember 2023, 252 Seiten, 34,99€

Mehr Infos findet ihr auch noch auf der Verlagsseite:

https://verlagshaus24.de/sisi-es-lebe-die-freiheit

Japan – Der fremde Bruder

Japan – Der fremde Bruder

Seit vielen Jahren fasziniert mich Japan. Genauer gesagt – seit ich damals „Shogun“ im Fernsehen gesehen habe. Die Schönheit der Landschaft, das Gemeimnisvolle der Menschen und ihrer Kultur.
Sie tun das Gleiche wie wir – nur anders. Das faszinierte mich.
Dann kam meine Begeisterung für die Bücher und das Leben von Yukio Mishima.
Ich schloss Freundschaft mit einigen Japanern und konnte immer noch nicht behaupten, dass ich dieses Land auch nur annähernd verstand …
Solltet ihr genauso empfinden und eine Antwort zumindest auf die eine oder andere Frage suchen, so kann ich nun endlich einen Buchtipp geben:

Wenn wir an Japan denken, dann fallen uns Samurai ein, das Kirschblütenfest, weiß geschminkte Gesichter in Kimonos gehüllter Damen und geheimnisvolle Tempel ein. Aber natürlich auch ein jahrhundertealtes Kaiserhaus.

Wie bei mir vielleicht nicht anders zu erwarten, möchte ich dem Kaiserhaus meine besondere Aufmerksamkeit schenken, wobei mir das kürzlich entdeckte Buch „Das Erbe des Tennōs“ von Wieland Wagner ein ganzes Stück weit geholfen hat.

ZUNÄCHST ZUM AUTOR:
Geb. 1959 in Eckernförde. Studierte Geschichte und Germanistik in Freiburg, London und Tokio. Dissertation über Japans frühe Expansionspolitik in Ostasien, ausgezeichnet mit dem Gerhard-Ritter-Preis. Von 1990 bis 1993 arbeitete er als Korrespondent für die Nachrichtenagentur Vereinigte Wirtschaftsdienste (VWD) in Tokio. Bis 1995 war er Wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der Universität Freiburg. Seit 1995 berichtet Wagner für den SPIEGEL aus Asien, bis 2004 zunächst mit Sitz in Tokio, anschließend in Shanghai, ab 2010 in Peking, ab 2012 in Neu-Delhi und von 2014 bis 2018 wieder in Tokio. Er ist Autor der SPIEGEL-Bücher: »Japan. Abstieg in Würde. Wie ein alterndes Land um seine Zukunft ringt.« (2018) und: »Das Erbe des Tennos. Die geheimnisvollste Monarchie der Welt und das Ringen um Japans Zukunft.« (2023) (Quelle: SPIEGEL)

Wir haben es also mit jemandem zu tun, der nicht nur die Sprache spricht, sondern auch schon viele Jahre in Japan lebt. Sicherlich Grundlage, wenn man vernünftig über das Kaiserhaus berichten will.

Die Kaiserliche Familie

Das ist wohl das wichtigste Bild dieses Posts. Hier findet ihr die aktuellen Mitglieder des Kaiserhauses.
Kaiser Akihito und seine Frau Michiko sind zugunsten ihres Sohnes Naruhito seinerzeit zurückgetreten.

Der Himmel ist fern – und der Tennō ist es auch

So könnte man die Analyse Wagners zusammenfassen.
Im Gegensatz zu europäischen Monarchien, hat der Tennō seit dem Zweiten Weltkrieg keinerlei politisches Mitspracherecht mehr.
Ja – die Verfassung untersagt ihm jegliche – auch nur annähernd – politische Äußerung.

Tatsächlich untersucht Wagner anhand der jüngeren Geschichte des Kaiserhauses wie es dazu kam.

Beginnend mit der Öffnung des Landes, über Kaiser Hirohito, der mit knapper Not seine Beteiligung am WKII überlebte, bis hin zum heutigen Nachfolgeproblem des Kaiserhauses, untersucht Wagner inwieweit der Kaiser wirklich von seinem Land losgelöst ist, oder doch eben dieses Land mit seiner kompletten Existenz repräsentiert.
Die Erkenntnisse hierzu werden im Laufe des Buches zu einem Spiegel der japanischen Gesellschaft an sich und so sehr die Politiker auch versuchen, das Kaiserhaus in eine nebulöse, hermetische Existenz abzudrängen und so für ihre Zwecke manipulierbar zu machen, so sehr scheitern sie doch an den kraftvollen und entschlossenen Persönlichkeiten, die eben jenes Herrscherhaus nach dem Krieg ausgemacht haben und noch immer ausmachen.

Distanz-Probleme

Der Tennō hatte seinen Platz seit jeher fern von den normalen Menschen und das änderte sich auch nach dem zweiten Weltkrieg nicht. Was sich aber änderte, war das Interesse der Bevölkerung am Kaiserhaus. Wie auch bei uns schien sich das Publikum zu spalten: die jungen Menschen interessierten sich überwiegend nullkommanull für die kaiserliche Familie, während vor allem die mittleren Altersschichten enormes Interesse zeigten.

Dazu muss man wissen, dass die kaiserliche Familie in einem abgeschotteten Areal in Tokio lebt und von den Bürgern nur zu wenigen Anlässen im Jahr gesehen wird. Die Aufgaben des Kaisers beschränken sich tatsächlich auf rituelle Handlungen, besondere religiöse Zeremonien, die er als Nachkomme der Sonnengöttin Amaterasu durchzuführen hat.

Was Wagner nun sehr schön präsentiert, ist die ungewöhnliche Rolle der Massenmedien in Bezug auf das Kaiserhaus.

Man kann beinahe von einer Dreiecksbeziehung sprechen: 1) kaiserliche Familie, 2) Politiker/ Regierung und 3) Boulevard-Presse.

Dazu muss man wissen, dass in Japan die Liberaldemokratische Partei praktisch ununterbrochen seit dem Kriegsende das Land regiert. Es gab nur wenige, kurze Zeitabschnitte, in denen sie gezwungen war, sich einen Koalitionspartner zu suchen.

Politische Parteien in Japan haben nun – laut Wagner – eher die Aufgabe, Pfründe zu verteilen, als zur Meinungsbildung beizutragen. (Wie es ihre vom Grundgesetzt z.B. in Deutschland festgeschriebene Aufgabe ist).

Seit Jahrzehnten nun versucht die Regierungspartei den Kaiser dem Blick des Publikums zu entziehen. Er darf sich nicht öffentlich äußern und hat lediglich rituelle Bedeutung. Dadurch wird aber ein Tennō zu einer Figur, die man nach Belieben manipulieren kann, da der Tennō niemals etwas richtigstellen darf.

Sprich: Eine Regierung kann bei jeder Entscheidung behaupten, dies sei so der Wille des Kaisers. Dieser ist hingegen zum Schweigen verdammt.

Aus diesem Grunde haben die Kaiser sehr elaborierte Wege entwickelt, ihre Meinung dennoch kundzutun. Diskrete Hinweise auszusenden. Ähnlich wie die Queen es zum Beispiel mit der Wahl ihres Schmuckes getan hat.

Was ich bei Wagner besonders spannend finde ist, wie er die Tatsache herausarbeitet, dass mittlerweile ausgerechnet der Kaiser zum Hüter jener pazifistisch- demokratischen Verfassung wurde, die die Regierungen jeweils aufzuweichen versuchen.

Mädchen oder Junge – Das ist hier die Frage

Wir wissen inzwischen, wie König Charles III die Frage einer schlanken Monarchie angeht: Er lässt nur noch wenige seiner nächsten Anverwandten als Working Royals zu.

Das japanische Kaiserhaus hat da ganz andere Probleme.
Wenn sie sich in kompletter Aufstellung auf dem Palastbalkon versammeln, um die guten Wünsche der Untertanen entgegenzunehmen, sind nur noch eine Handvoll Royals versammelt …

Wagner erklärt auch wieso:
Mit Ende des ersten Weltkrieges lösten die Amerikaner sozusagen das kaiserliche Konstrukt auf. Sämtlichen Adeligen wurden die Titel entzogen, sie mussten den Palast verlassen und sich eine bürgerliche Existenz aufbauen.

Dazu kam noch ein Geburtenproblem in der Kaiserfamilie selbst:
Hatte Kaiser Hirohito mit seiner Gattin Nagano noch sieben Kinder gezeugt, hatte sein Sohn und Nachfolger Akihitio nur noch drei Kinder.

Wäre diese Welt nun eine gerechte, stünden ein knappes Dutzend Personen auf dem Balkon.
Aber diese Welt ist nicht so.

In Japan gilt nämlich das rein männliche Erbrecht.
Das führte dazu, dass bis zum 6. September 2006 nur ein Mädchen für die Thronfolge in Frage kam: Kaiser Naruhitos Tochter Aiko.

Da am Horizont kein weiteres erbfähiges Kind auftauchte, legte die Regierung eine Gesetzesänderung bezüglich der Thronfolge vor: Nunmehr sollten auch Mädchen Kaiserin aus eigenem Recht werden können. Ein Erdrutsch im konservativen Japan.

Tja – und dann kam jener denkwürdige Tag, an dem der Palast bekannt gab, dass die Schwägerin des Kaisers, Prinz Fumihitos Gattin, schwanger sei.
Und an eben jenem Tag im September war klar: der neueste Zuwachs der kaiserlichen Familie war ein Junge: Prinz Hisahito.

Ruckzuck verschwand der Gesetzesentwurf zur weiblichen Thronfolge in der Schublade des Parlaments. Denn nun gab es einen potentiellen männlichen Erben des Chrysanthemen-Throns.

Wem das merkwürdig vorkommt – im 21. Jahrhundert – der wird sich gleich noch mehr wundern!

Das Problem des fehlenden männlichen Thronfolgers bestand ja nun mehrere Jahre. Und wie man sich vorstellen kann, meldeten sich zahlreiche Stimmen, die Lösungsvorschläge anzubieten hatten.

Die wohl für uns exotischste lautete: Wenn Kaiserin Masako nicht in der Lage ist, weitere Kinder, geschweige denn einen Sohn, zu produzieren, sollte der Kaiser sich eine (oder mehrere) Konkubinen, sprich Nebenfrauen, nehmen.
Eine solche könnte nämlich einen Thronfolger zur Welt bringen.
Für frühere Kaiser war das die gängige Praxis und nicht wenige Tennōs stammten von Nebenfrauen eines regierenden Kaisers. Das setzte sie in keiner Weise herab.

Wir ahnen es: Der Kaiser lehnte ab. Keine gebährfreudigen Konkubinen für den Kaiser.
Wenig verwunderlich, hatte doch der amtierende Tennō Naruhito über viele Jahre zu seiner Frau gehalten, die einer unmenschlichen Nachstellung durch die japanische Öffentlichkeit ausgesetzt gewesen war und auf diese mit einer schweren depressiven Erkrankung reagiert hatte.
Der Kaiser hatte sich stets vor seine Frau gestellt und das Amt des Kaisers alleine bewältigt. Dies war umso trauriger, als seine eigenen Eltern als Dream-Team agiert hatten. Es gab Akihito nur im Doppelpack mit Michiko. Dies hatte sich als äußerst erfolgreiches Rezept erwiesen.

Ein weiterer Vorschlag bestand darin, einen Thronfolger zu adoptieren. Auch das ist in Japan möglich. Es müsste ein Mann aus einem der ehemaligen Adelshäuser sein, die nach dem WKII abgeschafft worden waren.

Wagner untersucht nun, inwieweit der Vorschlag praktikabel wäre und kommt zu dem Ergebnis, dass eigentlich nur noch zwei ehemalige Adlige in Frage kommen würden.
Also ist auch hier die Luft dünn.

Kurz gesagt: Mit dem kleinen Hisahito hatte Japan seinen Thronfolger. Wenn die ganze Sache auch am sprichwörtlichen seidenen Faden hängt.

Denn man darf nicht vergessen: selbst ein Kronprinz kann sagen: „Danke. Aber – nein, Danke!“
Was, wenn Hisahito eines Tages entdeckte, dass er nicht in einem goldenen Käfig verschwinden mag? Was, wenn er keine Lust hat, eine schweigende, fremdbestimmte Marionette zu sein, zurückgeworfen auf den Ausführenden zahlloser Rituale, die mit dem Leben der Menschen jenseits des Käfigs praktisch nichts mehr zu tun haben?
Was, wenn er keine Frau findet, die bereit ist, ihr eigenes Leben und das ihrer Familie in der Öffentlichkeit sezieren zu lassen?

Dann gibt es immer noch Aiko und die Möglichkeit der weiblichen Thronfolge.

Und so ist zur Überraschung vieler Japaner inzwischen – laut Wagner – ein Wettrennen zwischen den beiden jungen Leuten und ihren Eltern um die Gunst des Landes losgegangen.
Denn Aiko, respektive die kaiserlichen Eltern, scheinen entschlossen, nicht kampflos aufzugeben. So positionieren sie die junge Frau immer wieder als die Zukunft des Thrones.

Übrigens hat Aiko – im Gegensatz zu Hisahito noch ein weiteres Problem: Wenn sie einen bürgerlichen Partner heiraten wollen würde, müsste sie das Kaiserhaus wortwörtlich verlassen. Sie bekäme 1 Million Dollar Abfindung und müsste sich im Zivilleben eine Existenz aufbauen. Nicht einfach, wie man bereits vorhandenen Beispielen sehen kann.

Es gilt:

Du kriegst die Prinzessin aus dem Kaiserhaus.
Aber niemals das Kaiserhaus aus der Prinzessin…


(Aber dazu wird es noch einen eigenen Artikel geben. Versprochen!)

Ihr seht – es bleibt spannend!

FAZIT:

Wieland Wagner gibt einen profunden Einblick in die neuere Geschichte des japanischen Kaiserhauses, das dennoch auch für Nicht-KennerInnen der Materie nachvollziehbar ist.
Ich selbst fand es spannender als einen Krimi.
Nicht zuletzt liegt Wagners große Leistung darin zu verdeutlichen, worin die einmalige Rolle eines Tennōs besteht. Wie sehr er tatsächlich sein Land verkörpert.
Man sieht dank dieses Buches nicht zuletzt den tieferen Zusammenhang zwischen dem Kaiserhaus und den politischen Kämpfen in Japan, was nicht zuletzt darin begründet liegt, dass das Nachkriegs-Kaisertum praktisch genauso lange an der Macht ist wie die Regierungspartei.

Wer also einen (Beinahe-) Insiderbericht über das japanische Kaiserhaus und seine Kämpfe sucht, das mit ungeheuer viel Sachkenntnis geschrieben wurde und dennoch spannend zu lesen ist, sollte unbedingt zu diesem Titel greifen.

Auf der Suche …

Auf der Suche …

… sind wir doch alle. Vor allem jetzt vor Weihnachten, wenn wir andere beschenken wollen. Oder auch uns selbst.
Aus diesem Grund habe ich ein hoffentlich ansprechendes Paket mit einem etwas ungewöhnlichen royalen Thema geschnürt. Es geht um Royals und das Fotografieren.
Für mich persönlich ein extrem wichtiges Thema, denn bedingt durch die Foto-Leidenschaft des 19. Jahrhunderts, haben wir zahlreiche realistische Abbildungen der Herrscher der damaligen Zeit und sind nicht mehr auf Gemälde angewiesen.
Nichts gegen Gemälde, aber viel zu oft waren sie in ihrer Qualität abhängig von den Fähigkeiten des Malers oder dem guten Willen des Auftraggebers.

Wer sich mit der Geschichte des 19. Jahrhunderts befasst, ist endlich nicht mehr auf Beschreibungen von Zeitzeugen oder die mehr oder minder wertigen Gemälde und Zeichnungen der Zeit angewiesen, sondern kann zum ersten Mal auf realistische Darstellungen von Personen zurückgreifen.
Eine Frau, die wohl wie keine andere Wegbereiterin nicht nur der Fotografie im Bereich VIPs war, sondern auch Vorreiterin in Sachen Selbstvermarktung, war die Gräfin di Castiglione.
Ihr ist der erste Band gewidmet, den ich heute vorstellen möchte:

La Castiglione – im 19. Jahrhundert eine Name wie Donnerhall.
Geboren als Virginia Elisabetta Luisa Carlotta Antonietta Teresa Maria Oldoïni  am 22.3.1837 in Florenz, heiratete sie siebzehnjährig den Grafen Francesco Verasis di Castiglione. Nachdem sie den italienischen König bezirzt hatte, kam man bei Hof auf die Idee, sie nach Frankreich zu schicken, damit sie sich an Napoléon III heranmachen solle, und diesem sodann Geheimnisse zu entlocken.
Die geborene Honey-Trap.
In immer wieder ebenso freizügigen wie spannenden Auftritten, machte die Gräfin sich bald einen Namen. Gesellschaften fanden dann den meisten Zulauf, wenn die Gräfin angekündigt wurde.
Tatsächlich beeinflusste sie diverse politische Entscheidungen des Kaisers zugunsten (des noch nicht geeinten) Italien zum Beispiel im Krim-Krieg. Nachdem ihre Affäre mit dem Kaiser publik wurde, trennte sich das Grafenpaar.
Von nun an lebte die Castiglione in Paris und Turin. Praktisch vergessen, starb sie 1899 und wurde auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt.
Wie Sisi hatte sie sich in ihren letzten Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und verließ nur noch bei Nacht das Haus für ausgedehnte Spaziergänge durch Paris.

Allerdings ließ sie sich noch fotografieren. Dies in jenen Verkleidungen, die sie zu ihren Glanzzeiten getragen hatte. Betrachtet man diese Bilder heute, schaut einem eine des Lebens überdrüssig scheinende Frau entgegen, die ihren ermatteten Zügen kein Lächeln mehr abzuringen vermag.

Das vorliegende Buch gibt einen Abriss über das Leben der Castiglione, legt aber logischerweise den Schwerpunkt auf ihre Fotografien: erotische Darstellungen ihrer Beine, szenische Impressionen, sowie Darstellungen der Gräfin in ihren aufwendigen Roben.
Doch es ist wesentlich mehr als nur eine Darstellung dieser aufsehenerregende Frau – es ist ein wunderbarer Einblick in das 19. Jahrhundert. Mit der Gräfin lernen wir nämlich jenes an Exzentrikern reiche 19. Jahrhundert kennen, in dem die Menschen – entgegen unserer heutigen Vorstellungen – wesentlich freier lebten als man denkt.
Den Abschluss bietet übrigens eine hervorragende Timeline, die auch noch die wichtigsten Adresse aus dem Leben der Gräfin benennt. So können wir mit diesem Buch in der Hand Paris auf ihren Spuren erkunden.

Mit dem Band „Photographie am Hof Napoleons III – Olympe Aguado“ bleiben wir im Paris des 19. Jahrhunderts und treffen dort einen der wichtigsten Pioniere im Bereich Fotografie.

Aguado war derjenige, der die Visitenkarten mit Fotografie populär gemacht hat und gilt bis heute als einer der wichtigsten Amateur-Fotografen.
Was war nun so besonders an diesen Cartes de Visite?
Visitenkarten waren im 19. Jahrhundert unverzichtbares Utensil eines jeden Mitglieds der besseren Gesellschaft. Wollte man einen Besuch machen – in diesen Kreisen obligatorisch z.B. wenn man neu an einem Ort war – gab man die Visitenkarte ab, sodass der Hausherr(in) sofort wusste, mit wem sie/ er es zu tun hatte. Traf man bei einem Besuch niemanden an, hinterließ man dennoch seine Karte und der Besuch galt sodann als erfolgt. Man hatte also seine Pflicht getan. (Man lese dies in „Anna Karenina“ nach …)

Fand sich ein Foto auf dieser Karte, demonstrierte man nicht nur, dass man etwas auf sich hielt – man zeigte sich zugleich als Speerspitze des Fortschritts, nutzte man doch diese bahnbrechende neue Technik. Na – und, dass man Geld hatte, zeigte man obendrein. War doch das fotografiert werden nicht gerade ein billiger Spaß.

Das Foto vom Cover des Buches ist übrigens ein scherzhaftes Familienporträt, denn alle Beteiligten wenden dem Betrachter den Rücken zu. Aguado machte übrigens die bemerkenswertesten Aufnahmen mit seiner Familie, die auf den Fotos zum Teil „Lebende Bilder“ nachstellten.

Zudem hat er die gesamte vornehme Gesellschaft des Hofes von Napoleon III fotografiert und diese finden wir unter anderen auch in diesem Buch wieder.

Das Besondere an seinen Porträts war im Übrigen, dass er sich nicht mit schlichten drapierten Vorhängen als Hintergrund zufrieden gab, sondern offensichtlich einen Bühnenmaler beschäftige, der die entsprechend theatralischen Inszenierungen für die Fotos schuf.

Was uns der Schirmer-Mosel- Verlag hier vorstellt, ist ein wahres Schatzkästlein von frühen Fotografien, die sonst sicherlich nur Fachleuten zugängig wären. Dank Wolfgang Kemp können wir sie tagtäglich genießen und so einen Einblick in die Vergangenheit erhalten, der uns sonst entgangen wäre.

Was speziell diesen Punkt angeht, hat mir das Buch einen wichtigen Anstoß zum Nachdenken geliefert: Warum wurden die Hof-Fotografen keine weltberühmten Künstler wie noch ihre Vorgänger mit Pinsel und Leinwand? Es lag wohl am Format. Die Ölgemälde wurden in Schlössern ausgestellt und von zahllosen Menschen gesehen. Die Fotografien hingegen verschwanden zumeist in Alben oder standen zu dutzenden gerahmt auf irgendwelchen kleinen Tischen.

Das in meinen Augen wichtigste Foto, das Aguado nie gemacht hat, war allerdings jenes seiner Geliebten Marie Duplessis, der berühmten „Kameliendame“. Die beiden verband eine vergleichsweise lange Beziehung und es war Aguado, der zusammen mit anderen Männern Maries Beisetzung organisierte und auch bezahlte.

Begeben wir uns nun in den deutschen Sprachraum und zwar in den Südosten – nach Österreich!

Michaela Pfundner legt mit diesem Buch einen wunderbaren Titel für all jene vor, die längst einmal wissen wollten, wie die Familie von Kaiser Franz Josef „in Echt“ ausgesehen hat.

Im Zentrum stehen die Arbeiten des Hoffotografen Ludwig Angerer …
1858 gründete er zusammen mit Hugo von Strassern das erste Fotoatelier, bereits 2 Jahre später war er selbständig und „kuk Hof-Photograph“.

Und auch bei Angerer finden wir die „Carte de Visite“ mit Foto wieder. Er war der erste, der sie, aus Paris kommend, in Wien populär machte. Man sieht, dass hier ein eindeutiger Bedarf gedeckt wurde.

Doch wir erfahren noch viel mehr! Wir erleben hochherrschaftliche Damen, die sich rauchend ablichten ließen und Herren, die sich auf Fotos selbst in den Mantel helfen.

Sich fotografieren lassen war ein wichtiges Freizeitvergnügen des (Hoch)Adels, wie wir hier sehen. Ob man sich in den prachtvollen Kostümen für entsprechende Bälle festhalten ließ, oder die Schlösser, in denen man lebte.
Dies übrigens ein ungemein wichtiges Zeitbild, denn viele dieser Schlösser und Villen existieren heute nicht mehr.

Fotos mit den Lieblingshaustieren waren auch enorm wichtig, wie wir besonders bei der Kaiserin Elisabeth sehen, denn es gibt zahlreiche Bilder mit ihren Hunden, aber nur eines mit ihren Kindern …

Es ist vor allem Angerer zu verdanken, dass wir heute diese hervorragenden Bilder haben und wissen, wie der Adel der damaligen Zeit wirklich ausgesehen hat.

Übrigens ist das Buch auch für Fans der historischen Mode eine echte Fundgrube, denn all die wunderbaren Kleider des 19. Jahrhunderts sehen wir hier getragen und die Fotos sind so scharf, dass man jedes Detail hervorragend erkennen kann.

Vom Format her ist es vielleicht nicht wirklich ein ausgesprochenes Coffee-Table-book, aber dennoch wunderbar dazu geeignet, immer wieder hervorgeholt und durchgeblättert zu werden, zumal die Texte, die jedes Kapitel einleiten, wirklich interessante historische Informationen bergen.

Der Allitera Verlag hat mit diesem großformatigen Band das sicherlich umfangreichste Buch meines heutigen Weihnachtsfest-Pakets vorgelegt.
Es verfolgt aber auch ein großes Ziel: die Darstellung der Wechselwirkung zwischen dem Haus Wittelsbach und der Fotografie des 19. Jahrhunderts.

Wir sehen durch den ganzen Band hinweg, wie wichtig ein Fürstenhaus war, wenn es darum ging, eine solche neue Technik bekannt zu machen und ihr Popularität zu verschaffen. Nur so konnte es gelingen, breite Massen für die Fotografie zu gewinnen. Dies zu einer Zeit, als der Siegeszug des Mediums keineswegs gesichert war.

Ebenso haben die Wittelsbacher früh das politische Potential der Fotografie erkannt. Zum ersten Mal konnten die Bilder von Fürsten und Fürstinnen für kleines Geld in Massen unters Volk gebracht werden.

Was für mich aber am schönsten bei diesem Buch ist: das Wiedersehen mit alten Bekannten. Begonnen mit Franz von Kobell, jenem Multitalent, der die erste so genannte Lichtzeichnung im deutschen Reich schoss und der auch hierzulande heute noch als der Dichter des „Brandner Kasper“ bekannt ist.

Von Kobell hat aber auch eine Beziehung zu meiner Geburtsstadt Mannheim: sein Vater war ebenfalls dort zur Welt gekommen und so verfasste Kobell auch literarische Werke in der Mannheimer Mundart. (P’älzische G’schichte‘. In der Mundart erzählt. München 1863)

Wir finden aber auch ein wunderbares Porträtgemälde der Therese Königin von Bayern, gemalt von Julie Gräfin von Egloffstein in dem Buch.

Diese Julie von Egloffstein taucht als „Julemuse“ in Thomas Manns Roman „Lotte in Weimar“ wieder auf, den ich so sehr mag.
Übrigens war es Königin Therese, die sich von Professor von Kobell in einem Kurs in die Kunst des Fotografierens einführen ließ. Was sogar einen Zeitungsartikel wert war.

Wir treffen bei den Foto-begeisterten Wittelsbachern natürlich auch Sisi, die bereits 1854 abgelichtet wurde.
An einem Armreif mit eingelassenem Foto der Kaiserin aus dem Jahre 1864 sehen wir, dass Fotos sehr bald schon zu persönlichen Liebesgaben wurden. In diesem Fall stammte das Porträt der Kaiserin von jenem Ludwig Angerer, den wir bereits kennengelernt haben.

Wir begleiten das Haus Wittelsbach nunmehr durch die Jahrzehnte bis hin zu Prinzregent Luitpold und seinem fotografisch festgehaltenem winterlichen Eisbad.

Seien es nun solche Aufnahmen der fürstlichen Freizeitbetätigung, oder auch Familienereignisse wie Hochzeiten und Todesfälle – alles wurde fotografisch festgehalten. Selbst das Innere der Schlösser wurde geknipst und so erhielt man der Nachwelt viele Eindrücke der längst verlorenen Lebenswelt des Hochadels.

Wir bewegen uns mithin durch die bewegte Familiengeschichte der Wittelsbacher, die auch bayerische Geschichte und gleichzeitig Fotografie-Geschichte ist.
Dass der Band sehr gute Fotos anbietet, versteht sich beinahe von selbst. Aber auch der Textteil nimmt breiten Raum ein. Es ist von daher kein Buch, das man innerhalb weniger Stunden durchliest. Auch ist es kein langweiliges Buch über die reine Entwicklung der Technik, sondern vielmehr ein Buch über die Menschen, die dieser Technik zum Siegeszug verholfen haben.

Übrigens ist dem Buch eine herausnehmbare Stammtafel der Wittelsbacher beigelegt für alle, die sich mehr Klarheit über die familiären Bezüge verschaffen wollen …

DIE FAKTEN:

Wolfgang Kemp: Olympe Aguado: Photographie am Hof Napoleons III., Schirmer-Mosel Verlag 2023, 120 Seiten, 39,80€
Catharina Berents: Contessa di Castiglione: Photographie am Hof Napoleons III.: Die Femme fatale des Second Empire, Schirmer-Mosel Verlag 2023, 120 Seiten, 39,80€
Michaela Pfundner: Der Fotograf des Kaiserhauses: Ludwig Angerer (1827–1879), Edition Winkler-Hermaden 2022, 160 Seiten, 38,90€
Bernhard Graf: Das Haus Wittelsbach und die Fotografie: Fotografie und Film erobern das Königreich Bayern, Allitera Verlag 2022, 224 Seiten, 35,00 €

Mehr zu den Verlagen:

Allitera Verlag: https://allitera-verlag.de
Schirmer- Mosel Verlag: http://www.schirmer-mosel.com/deutsch/index.htm
Edition Winkler-Hermaden: https://www.edition-wh.at