Wir waten immer noch durch Nebel?
Nein – nicht wirklich.
Fassen wir mal zusammen, was wir bis jetzt festgestellt haben:
– Die Menschen des 16./ 17./ 18. Jahrhunderts waren in Glauben, Aberglauben und Religion verwurzelt
– Es gab nur wenig formale Bildung in unserem heutigen Sinne
– Nicht nur andere glaubten an Hexenkräfte, auch die Hexen selbst taten es oftmals
– „Hexe“ waren Männer und Frauen
– Es gab für den Durchschnittsmenschen keine Unterscheidung zwischen Fact und Fiction
– Wenn ein Unglück geschah, blickte man auf das Ungewöhnliche. Hexen nun traute man alles zu. Im Guten wie im Bösen
– Hexen waren die Ärzte der Normalsterblichen. Für all jene Leute, die keinen Zugriff auf einen Arzt hatten
– Normale Kenntnisse zu Kräutern und Tränken hatten fast alle, Hexen aber noch ein wenig mehr
– Offizielle Religion und Aberglauben vermischten sich, was von der katholischen Kirche zumindest geduldet wurde, solange nichts Schwerwiegendes aus dem Ruder lief. Erst dann wurde eingegriffen. Kirchliche Gerichte konnten keine Todesurteile verhängen. Ein Angeklagter musste dazu an ein weltliches Gericht überstellt werden
– Das Hexenwesen wurde erst dann problematisch, als der Teufelsbund mit ins Spiel kam
– Die katholische Kirche war vor allem eins: pragmatisch
– Man muss – will man das Phänomen in seiner Tiefe ergründen – jeweils den Einzelfall betrachten. Es gibt gravierende Unterschiede je nach Zeit und Region
– Es gibt kaum belastbare Zahlen zu den tatsächlichen Opfern der Verfolgungen
– Es gab für einzelne Wellen der Hexenverfolgung sehr oft sozioökonomische Ursachen.
– Man muss zwischen Wellen der Verfolgung und Einzelereignissen unterscheiden
– Es ging um die Ewigkeit!
Davon war sicherlich so mancher Fürst überzeugt.
Und das sollte man zunächst auch keinem absprechen.
Nehmen wir uns an dieser Stelle in Acht vor den von Hollywood erfundenen Bösewichtern aus der Geschichte. Oftmals zeichnet die quellenbasierte Forschung ein ganz anderes Bild der jeweiligen Person.
Erinnern wir uns:
Ein Fürst und seine Untertanen sind durch ein engmaschiges Netzt von Pflichten und Verpflichtungen verbunden. Allen gemeinsam ist, dass sie Gott Rechenschaft schuldig sind. Auch die Fürsten.
Das ist nun keine Kleinigkeit.
Vernachlässigt die übergeordnete Stelle ihre Fürsorge, – und Schutzpflicht dem Anvertrauten gegenüber, so versündigt er sich direkt gegen Gott und die von ihm eingesetzte Ordnung. Vergeht er sich gegen Gottes Willen, mag er auf Erden damit durchkommen. Stirbt er aber, hat er ein Problem …
Im Idealfall entsteht so ein tragfähiges Gebäude, aus dem auch in schwierigen Zeiten niemand stürzt.
WICHTIG!
Heutzutage sind wir Reglementierungen, Gesetze und Vorschriften gewöhnt. Wenn wir geboren werden, trägt man sogar die Uhrzeit offiziell in die Archive ein. Von Tag zu Tag – auch Dank Internet und erhöhter Rechnerleistungen – werden wir durchsichtiger. Jeder unserer Schritte wird nachverfolgbar.
Und was nicht im Personenstandsregister und den Polizeiakten steht, posten wir for all the world to see.
Es gibt so gut wie keinen weißen Fleck mehr auf der menschlichen Landkarte des Lebens.
Gleichzeitig aber ziehen wir uns immer mehr in unsere eigenen vier Wände zurück. Pochen wuchtig auf unsere Privatsphäre- Einstellungen.
Mischt sich jemand (ungefragt) in unsere Belange ein, kriegt er Saures.
Was nun die früheren Jahrhunderte angeht, so sprechen wir von vollkommen anderen Lebenswelten.
Es gab bestenfalls noch Tratsch und der zog sich kaum mehrere Straßen weit. Seinen Wohnort verließ man nur ungern. Kam kaum ein paar wenige Kilometer im Umkreis herum. Dort aber kannte jeder jeden und keiner machte einem etwas vor. Der Ruf eines Menschen begründete sich nicht zuletzt in seinen Vorfahren. („Ja … der Müller- Karl … Die Müllers waren schon immer Halunken …“ Es kommt nicht von Ungefähr, dass bis heute in manchen Landstrichen der Nachnamen einer Person zuerst genannt wird.)
In den Wald ging man nicht zum Vergnügen. Der war ein Ort der Gefahren, den man nur betrat, wenn man unbedingt musste. Weil man Holz oder Wild brauchte. (Darum wohnen Hexen im den Geschichten auch immer im Wald!)
Kurz – das Blickfeld blieb ein beengtes.
Ich darf an dieser Stelle nochmals daran erinnern, dass das für die Menschen früherer Zeiten im Normfall nicht als bedrückend wahrgenommen wurde. Den gewohnten Kreis zu verlassen – aus reiner Abenteuerlust, wäre wohl den wenigsten eingefallen. Es konnte einen die Existenz kosten.
Und wo bleiben Gott und die Hexen?
Ja stimmt!
Wir waren also bei der Verantwortung, die ein Fürst vor Gott und dem ihm übergeordneten Fürsten für seine Untertanen trug.
Idealerweise fußte jede gesellschaftliche Schichte auf den Leistungen der unter ihr befindlichen und über allem war Gott. Kümmerte ein Fürst sich nun nicht um das Seelenheil der Menschen in seinem Fürstentum, hatte er (nicht nur) vor Gott ein Erklärungsproblem.
Das ging so weit, dass er sein eigenes Seelenheil aufs Spiel setzte, wenn er die Seelen der Seinen nicht ausreichend schützte. (Hölle, Satan, Fegefeuer. Man erinnert sich …)
Nochmals: Für die Menschen damals waren das REALITÄTEN!!!!
Ob wir das heute noch genauso sehen oder nicht, spielt für unseren Erkenntnisgewinn keinerlei Rolle.
Ging nun eine Hexe einen Bund mit dem Satan ein, um ihre Macht auszuweiten, oder überhaupt erstmal zu erlangen, so wurde sie zu einem schleichenden Gift für die Gemeinschaft.
Man musste nämlich davon ausgehen, dass sie andere, schwache Gemüter, mit in den Abgrund lockte.
Was musste ein guter Fürst also tun? Genau! Sich mutig zwischen den Satan und sein mögliches künftiges Opfer werfen.
Der erste Schritt in diesem Kampf wiederum bestand darin, die Hexe dingfest zu machen.
Da man nun also sowohl Satan als auch dessen Jünger, die Hexen, als Tatsache wahrnahm, musste es auch Wege geben, sie zu erkennen und aus dem Verkehr zu ziehen.
Denken wir nun mal kurz modern …
Wir haben einen gewaltsamen Todesfall. Das Opfer wurde vergiftet.
Wir untersuchen den Tatort, verifizieren das Umfeld des Opfers, sprechen mit den Leuten, die ihn kannten. Forensiker und Pathologen untersuchen die Leiche. Profiler erstellen ein Täterprofil. Dann setzt man sich dem möglichen Täter auf die Fersen.
So weit so bekannt aus Film, Funk und Fernsehen.
Nun machen wir einen Gedankensprung in die Zukunft: Sagen wir … ins Jahr 2090.
Da sitzen dann auch Leute vor einem Mordopfer. Sie haben die früheren Vorgehensweisen studiert und … sie schütteln die Köpfe.
„Kannst du dir vorstellen … Die haben damals gedacht, mit DNA könnten sie irgendwas nachweisen …“ „Ja, putzig, gell? Und haben so lange auf einen Verdächtigen eingeredet bis der was gestanden hat.“ Schallendes Gelächter.
Nein?
Doch! Denn genauso wie wir heute über die Methoden des 17. Jahrhunderts lachen, wird man in absehbarer Zeit über unsere lachen. DNA ist unwiderlegbar? Sicher? Genauso sicher war man auch, wenn man die Leberflecke bei einer Hexe suchte, oder darauf hoffte, dass jemand, der mit dem Teufel im Bunde sei, kein Vaterunser sprechen könne.
In unseren Augen hilflose, sinnlose Versuche.
Und genauso wird man eines Tages unsere heute ach so zuverlässigen Methoden abqualifizieren.
Zurück in die Vergangenheit …
Der Mensch sucht stets nach dem Verlässlichen. Nach dem endgültigen Beweis für was auch immer.
Man versuchte sogar, Gott wissenschaftlich zu beweisen.
Es war ein Schritt auf dem Weg in die Wissenschaftlichkeit. Auf der Suche nach dem festen Boden, auf dem wir sicher würden stehen können.
Niemand wollte einer Hexe zum Opfer fallen und in der Hölle schmoren. Man wollte sich damals gegen das Böse ebenso wappnen wie wir Heutigen, wenn wir unsere Türen abschließen und Pfefferspray in unsere Handtaschen werfen.
Machen wir uns nichts vor – sooooooo sehr haben wir uns seit damals gar nicht verändert.
Zumindest nicht so sehr, dass unser moderner Hochmut gerechtfertigt wäre.
Wenn etwas geschah, für das wir keine Erklärung hatten, begannen wir, die Erklärung zu suchen.
Wir irrten dabei und es gab Opfer.
Aber das Wichtige war und ist, dass wir uns überhaupt in Bewegung setzten (und setzen)!
Schauen wir uns im nächsten Teil deswegen mal König James, den VI von Schottland und I von England an. Ein Paradebeispiel für einen Menschen seiner Zeit. Und zwar einen, der ganz vorne mit dabei war! Neugierig, gebildet, gottesfürchtig.
Ein Mann der Poesie und der Bibelübersetzung („King James- Bible“ – die noch heute in jedem angloamerikanischen Hotelzimmer ausliegt …)
Und der Autor der Daemonologie!