Eigentlich gehört das vorliegende Buch in einem Atemzug mit „Cold Case Mayerling“ vom gleichen Autor genannt. Wo sich „Cold Case Mayerling“ mit der eigentlichen Tat befasst (Mord an Mary Vetsera und nachfolgender Selbstmord des Thronfolgers Rudolf von Habsburg), beschäftigt sich Reinmüller im vorliegenden Band mit dem Grabraub von 1992.
Helmut Reinmüller ist nun nicht irgend ein Autor, der sich mit dem Kriminalfall befasst, sondern war als Polizist selbst Teil der damals aktiven Ermittlungsgruppe der Wiener Polizei.
Spannend wie ein Roman liest sich dieser Bericht der damaligen Ereignisse, wenn Reinmüller auch alle Informationen liefert, die man – zumal als deutscher – Leser so braucht. (Aufbau der Polizei, juristische Begriffsklärung etc)
Reich bebildert stellt uns das Buch die Bemühungen des Möbelhändlers Helmut Flatzelsteiner vor, der durch den Raub des Sarges mit den sterblichen Überresten Mary Vetseras, versuchte, deren Todesursache herauszufinden.
Helmut Reinmüller (linke), Helmut Flatzelsteiner (rechts) Credit: Kral Verlag
Mittels eines von ihm geschriebenen Buches stellte er die Ergebnisse der Wissenschaftler vor, die in seinem Auftrag die Überreste untersucht hatten. (Diese wussten natürlich nicht, wen sie da vor sich hatten.) Sie wussten am Ende aber eines sicher: die junge Frau war durch einen Kopfschuss gestorben. Damit hatte der Möbelhändler durch einen Gesetzesbruch ein jahrzehntealtes Geheimnis gelüftet, nämlich die Frage, wie Mary Vetsera tatsächlich gestorben war.
Wie es dem geschichtsbesessenen Möbelhändler im Nachgang erging – darüber hat sich Reinmüller selbst ein Bild gemacht: er hat nämlich den Kontakt zum Täter von damals aufgenommen und mit ihm über die Tat gesprochen. (Flatzelsteiners Versuch, mit den Medien in Kontakt zu treten und seine Geschichte an sie zu verkaufen, ist übrigens nochmals beinahe ein Krimi im Krimi …)
Helmut Flatzelsteiners Buch mit Autogramm für seinen damaligen „Jäger“ Credit: Kral Verlag
Aber ich will nicht zu viel verraten … Lest selbst, was sich alles zugetragen hat.
Nachdem die ermordete Mary Vetsera bereits zweimal in ihrer Totenruhe gestört wurde, (Sowjetische Soldaten drangen bereits 1945 in ihr Grab ein) kann man nur hoffen, dass die schwere Platte, die inzwischen den Sarg bedeckt, künftig dafür sorgen wird, dass das Mädchen in Ruhe gelassen wird.
Wenn ich auch „Cold Case Mayerling“ mit all seinen Quellen und Belegen persönlich für spannender halte (und für Hobby-Detektive wesentlich ergiebiger), empfehle ich doch, BEIDE Bücher zu lesen, denn zusammen geben sie ein komplettes Bild. Tatsächlich würde ich mich SEHR freuen, wenn es irgendwo da draußen ein(e) Historiker(in) gäbe, die sich mit Marys Geschichte befassen würde und sie aufschreiben. Mary hätte es verdient!
FAKTEN: Helmut Reißmüller: Mary Vetsera – Der Grabraub 1992, Kral Verlag 2019, 158 Seiten, 24,90 €
Kaiserlicher True Crime in der österreichischen Provinz
Credit: Kral Verlag
Wir alle kennen die Geschichte vom todunglücklichen österreichischen Thronfolger Rudolf. Als Kind von Erziehern drangsaliert und beinahe in den Untergang geschickt. In hündischer Liebe der immer fernen Mutter, Kaiserin Elisabeth („Sisi“) ergeben und verheiratet mit der belgischen Königstochter Stephanie.
Wir wissen auch wie die Geschichte endete: menschenfreundlich und liberal gesinnt (wieder nach dem Beispiel der Mutter), überwirft der Prinz sich mit dem übermächtigen Vater, Kaiser Franz Josef, und sucht schlussendlich sein Heil im Untergang. An seiner Seite: seine letzte große Liebe: Mary Vetsera.
So weit – so charmant – so unwahr.
„Cold Case Mayerling“ macht nun ein ganz anderes Szenario auf. Der Autor Helmut Reinmüller ist Polizist im Ruhestand und hatte sich in seinen aktiven Zeiten in der Ermittlungsgruppe befunden, die den Grabraub Mary Vetseras aufzuklären hatte.
Dieses faktenorientierte Behandeln des Stoffes führt zu einem vollkommen neuen Bild, das sich einem auftut.
Reinmüller stellt zunächst alle Beteiligten vor, bis hin zum Kammerdiener. Er verfolgt die Abläufe kurz vor der Tat aus der Perspektive eines jeden Beteiligten, was einem auch die Widersprüche bzw. Lücken in den Aussagen sehr deutlich vor Augen führt.
Ich war von der ersten Seite an von der akribischen Recherche begeistert, die Reinmüller zu seinem Buch betrieben hat. Er tappt deswegen auch kein einziges Mal in die Falle, jenen Mythen auf den Leim zu gehen, die sich mit der Zeit rund um den Fall gegründet haben.
Am besten fand ich, dass Reinmüller einem sogar all jene Orte vorstellt, an der sich das Drama abgespielt hat. Vom damaligen Wohnort Mary Vetseras bis zu den Wegen, die sie gegangen ist, wenn sie den Thronfolger in der Hofburg besucht hat. Seien es die damaligen Adressen aller Beteiligten, oder die Ansichten von Schloss Mayerling mit zeitgenössischen Skizzen – es ist alles da, um sich selbst auf die Suche zu machen. Sogar die Galanteriewarenhandlung Rodeck, wo Mary Vetsera jenes goldene Zigarettenetui für Rudolf gekauft hat, dessen Gravur an ihre erste gemeinsame Nacht erinnern sollte.
Credit: Kral Verlag
Meines Wissens nach ist Reinmüller auch der erste, der die vor nicht allzu langer Zeit wiedergefundenen Abschiedsbriefe Mary Vetseras geschlossen vorstellt.
Unabdingbar für Hobbydetektive natürlich auch eine ausführliche Zeittafel der Geschehnisse.
Ein ganz wichtiges Kapitel widmet der Autor dem Tathergang. Mittels Holzfiguren stellt er nach, wie Rudolf zunächst Mary und dann sich selbst getötet hat.
Das Buch lebt von den Bildern. Das muss man ganz klar sagen. Ob Fotos oder Skizzen – es ist alles da und es ist hervorragend gemacht.
Was es mich zu einer erstklassigen Quelle macht, ist eindeutig das Fehlen jeder Romanhaftigkeit. Reinmüller widerlegt all jene Verschwörungstheorien, die da besagen, Rudolf und Mary seien im Auftrag dunkler Mächte ermordet worden, da der Thronfolger ihnen mit seinen liberalen Ansichten in die Quere gekommen sei.
Was aber bleibt nach der Lektüre von jenem – in zahllosen Spielfilmen und Romanen kolportierten – Bild des Thronfolgers, das ich zu Beginn gezeichnet habe? Nichts! Wir sehen einen vollkommen ruchlosen Charakter, der ein junges Mädchen in den Selbstmord manipuliert, weil er wohl zu feige ist, alleine zu gehen. Wir sehen einen Mann, der sich bei Prostituierten mit Geschlechtskrankheiten infiziert, seine Ehefrau damit ansteckt und zur Unfruchtbarkeit verdammt. Einem Mann, der nicht davor zurückschreckt, beim Vatikan eine Auflösung dieser Ehe zu beantragen, und als Begründung eben jene Unfruchtbarkeit ins Feld zu führen. Einem Mann, der schlussendlich in einem Sumpf aus Alkohol und Drogen untergeht.
Alles in allem ist mein Fazit, dass Rudolf Selbstmord begangen hat (was auch nie bestritten wurde. Allerdings gab man an, es sei in geistiger Umnachtung geschehen). Das sehr ernste Gespräch, das die ganze Nacht gedauert hat und von Rudolfs Leibdiener mit angehört wurde (er verstand allerdings nicht, was gesagt wurde), diente in meinen Augen einzig dazu, Mary vom gemeinsamen Tod zu überzeugen. Dass sie auf der Bettkante saß, als sie erschossen wurde, ist für mich ein eindeutiger Hinweis darauf, dass sie nicht mit dem Schuss gerechnet hat, denn dann hätte sie sich wohl eher hingelegt, Kleid und Haar glattgestrichen und sich bereit gemacht. Ebenso, dass sie mit sechs Koffern angereist ist …
Ihr seht – auch wenn das Buch eine hervorragende Sammlung von Fakten ist, kann man eben genau aufgrund derer in wunderbare Spekulationen eintreten zu jenem … Cold Case Mayerling.
FAKTEN: Helmut Reinmüller, Cold Case Mayerling, Kral Verlag 2021, 200 Seiten, 24,90 €
Auf dieses Buch habe ich sooo lange gewartet und als ich es entdeckt hatte, war ich sehr glücklich! 111 Sisi-Orte – ein Reisehandbuch, das einen von Bayern über Österreich, Frankreich, Großbritannien bis nach Griechenland begleitet. Wunderbar. Jedem der Orte ist eine Doppelseite gewidmet, wobei man auf der einen Seite ein ganzseitiges Foto des Ortes findet mit einem Kästchen für die wichtigsten praktischen Informationen und auf der anderen Seite einen Text, der erläutert, was der Ort mit der Kaiserin zu tun hat. Die Fotos sind übrigens absolut hinreißend.
Das Ganze ist wirklich schön gemacht. Das Papier ist dick und kann so manche Blätterei ab. Dass die Autorin mit Herzblut und Begeisterung fürs Thema schreibt, merkt man mit jeder Zeile.
Sabine Gruber lebt übrigens als Reiseschriftstellerin mit ihrer Familie in Klosterneuburg bei Wien und hat damit praktisch schon die Sisi-Expertise halb in der Tasche.
Tatsächlich könnte nun ein solches Buch leicht Gefahr laufen, auf jeder Seite den gleichen Sermon herunterzubeten: XXX erbaut von dem und dem, eingestürzt im Jahre XXX, wieder aufgebaut und so weiter. Nichts dergleichen passiert im vorliegenden Band. Jeder Ort wird interessant und abwechslungsreich geschildert. Man bekommt absolut Lust, sich sofort auf den Weg zu machen.
Eines fehlt mir allerdings und das muss ich anmerken: Karten! Eigentlich hätte ich erwartet, zu den Ländern, die im Buch vorkommen, jeweils eine Karte zu finden, in die die jeweiligen Sisi-Orte eingetragen sind. Nicht zuletzt um zu sehen, wo die Kaiserin überall unterwegs war.
Was ist positiv finde, ist die Tatsache, dass Sabine Gruber nicht nur jene Orte vorstellt, die so die „typischen Verdächtigen“ sind, wie Possenhofen oder die Hofburg, sondern auch unbekanntere wie zum Beispiel die Postalmhütte, die Sisi 1865 erklettert. Und auch Überraschendes findet sich hier, denn wer wusste, dass Sisi bereits 1876 zur Jagd in Althorp House weilte, jenem Schloss, in dem knapp hundert Jahre später eine gewisse Lady Diana Frances Spencer aufwachsen sollte …
Also alles in allem finden wir mit den 111 Sisi-Orten nicht nur 111 SISI-Orte, sondern 111 Orte, die einfach eine Reise wert sind. Und wenn dann in einer kommenden Auflage auch Karten dazukommen, bin ich gänzlich glücklich.
Übrigens: Wen es nach noch mehr 111 Orten gelüstet, dem sei die Reihe wärmstens empfohlen. Es gibt kaum einen Ort oder Land, das hier nicht abgedeckt würde. Schaut also gerne mal rein!
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Die beiden dunkel gekleideten Frauen nähern sich dem Anlegesteg des Dampfers, der die gegenüberliegenden Seiten des Genfer Sees miteinander verbindet. Vor ihnen liegt ein Tag wie so viele zuvor: Wanderungen, Essen gehen, Besichtigungen. Ihr Leben scheint nur daraus zu bestehen. Als ein Mann in schäbiger Kleidung auf sie zugestürmt kommt und der Größeren der beiden mit der Faust gegen die Brust schlägt, sodass diese zusammenbricht, wissen beide nicht, was der Hintergrund dieser Attacke war. Passanten rennen hinter dem Flüchtenden her, halten ihn fest und übergeben ihn der Polizei. Die beiden Frauen besteigen den Dampfer.
„Was wollte der Mann von mir? Sicherlich wollte er meinte Uhr…“, vermutet die Angegriffene.
Dann sackt sie zusammen. Als sie noch einmal kurz zu sich kommt, sagt sie „Was ist denn eigentlich geschehen?“ Es sind ihre letzten Worte.
Wir alle wissen, wer die beiden Frauen waren: Elisabeth Amalie Eugenie, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn. Unterwegs mit ihrer Hofdame Gräfin Irma Sztáray.
Es war der 10. September 1898.
Während die Kaiserin im Hotel Beau Rivage stirbt, sitzt der Kaiser in der Hofburg und schreibt einen Brief an seinen Engel.
Es ist das Ende einer langen Geschichte. Eines nicht sehr langen Lebens. Und vor allem: eines verschwendeten Lebens.
Wer denkt, seit dem Monumentalwerk von Brigitte Hamann über die Kaiserin sei nichts Nennenswertes mehr erschienen, täuscht sich. Den hier vorliegenden Band aus dem Kral-Verlag kann man jedem empfehlen, der sich fundiert über alle Facetten von Sisis Leben informieren will, ohne aberhunderte von Seiten lesen zu müssen. Chronologisch sortiert präsentiert das Buch das Leben der Kaiserin und ihres Umfeldes ohne jede Schönfärberei. Das ganz Besondere an dem Buch ist aber ohne jeden Zweifel die hervorragende Bebilderung. Seite um Seite erschließt sich uns dieses Leben, das schlussendlich keinen bleibenden Nachhall in der österreichischen Geschichte hatte, dafür umso mehr in der Populärkultur.
Die Kaiserin hatte einen denkbar günstigen Start im Leben. Da sie einem nicht thronfähigen Zweig des Hauses Wittelsbach entstammte (in Bayern – nicht von Bayern), konnte die Familie ein sorgenfreies Leben führen und musste sich keinen königlichen Pflichten unterwerfen. zudem verfügte die herzogliche Familie über genügend Geld, um einen recht exzentrischen Lebensstil mit vielen Reisen zu pflegen. Mit zahlreichen, auch weniger bekannten Abbildungen und Zitaten stellt uns das Buch diese Herkunft Sisis vor. Den exzentrischen Vater und die Mutter, die weit unter ihren Schwestern heiraten musste. (Eine war Königin von Sachsen geworden, eine andere Kaiserin von Österreich)
Von den üblichen royalen Erziehungsmaßnahmen verschont geblieben, lebte Sisi ein freies und ungezwungenes Leben. Fast so idyllisch wie Ernst Marischka es uns in seinen Sissi-Filmen vorführt.
Der Nachteil dieses Lebens tat sich allerdings auf, als der Kaiser beschloss, nicht die ältere Schwester Helene, sondern die 15jährige Sisi zu heiraten. Mitten in den höchst intriganten Wiener Hof gestoßen, fand sich das Mädchen wieder in einem wahren Haifischbecken. Erzherzogin Sophie, die verhasste Schwiegermutter, sah sich mit der Aufgabe konfrontiert, aus dem unwilligen Backfisch mit den gelben Zähnen eine Kaiserin von Österreich zu machen.
Hier liegt nun ein ganz großes Plus des Buches: niemals lassen sich die Autoren von den tiefhängenden Früchten des schlechten Rufes der Protagonisten verführen. Sie stellen uns alle am Drama Beteiligten in ihren Facetten vor.
Erzherzogin Sophie, die ihren Mann dazu gebracht hatte, zugunsten des Sohnes Franz Josef abzudanken, wusste nur all zu gut, welche Last es bedeutet, Kaiserin zu sein, wenn man begriffen hat, was der „Job“ erfordert. Es war Sisis Tragik, das sie es nicht begriffen hat. Auch war sie nicht das kalte Biest, als das sie in den Sissi-Filmen dargestellt wurde, sondern nahm zum Beispiel am Leben der Enkelkinder lebhaften Anteil und wurde von diesem wiedergeliebt.
Im Buch kommt ein sehr erhellendes Zitat Sisis vor: „Was hat man davon, heutzutage Kaiserin zu sein!“ bemerkte sie voll Bitterkeit. „Man ist nur eine Anziehpuppe. Ah, wie gern hätte ich im alten Rom geherrscht! Die Kaiserinnen vergangener Tage wußten noch, was Tiefe des Lebens und der Liebe ist. Ihr Dasein war nicht grau und trübe, wie das meine, das von einem Wall von Etiketten ummauert ist.“ Das dürfte das gröbste Unverständnis römischer Kaiserinnen sein, das ich je gelesen habe…
Ausgerechnet Sisi, die jegliche Pflicht ablehnte, die sich keinen Pfifferling um ihr Land, ihren Mann oder die ihr untergebenen Völker scherte – ausgerechnet sie sehnt sich nach der Position einer römischen Kaiserin. Das hat was.
Solche Stellen sind es, die das Buch so ungeheuer lesenswert machen, denn sie stellen uns die betreffenden Personen so eindrücklich vor wie ein Blitz, der plötzlich eine dunkle Landschaft erhellt.
Wir lernen Sisi in dem Buch aber auch noch anders kennen, nämlich von ihrer humorvollen Seite … So als ihr Gegenüber bei einem Essen mit seinen Zahnstochern spielte, und dabei einen versehentlich in Sisis Teller schnippte. Sie bekam daraufhin einen Lachanfall. Der Kaiser, der den Vorfall nicht bekommen hatte, fragte, was denn passiert sei, worauf Sisi dem hochverlegenen Grafen die Ehre rettete, indem sie ihn nicht verriet, sondern unter Lachtränen sagte, es sie nichts passiert, sie habe nur gerade an etwas denken müssen.
Wir lernen in dem Buch sogar, dass die Kinder ihre Mutter „Mamutz“ genannt haben und sich über jede Minute freuten, die sie bei ihnen verbrachte, auch wenn es dann jedesmal Theater gab. (Ich persönlich denke, sie wurden Opfer des Stockholm-Syndroms …) Sisi hielt nämlich mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. So setzte sie ihrer Schwiegertochter Stephanie in absolut herzloser Weise nach.
Nach dem Selbstmord des Thronfolgers überfiel sie die verhasste junge Frau mit den Worten, diese habe ihren Vater gehasst, ihren Ehemann nicht geliebt und liebe auch ihr Kind nicht. Dazu gehört schon etwas. Zumal Rudolf der Auslöser aller Misere war. Man geht heute davon aus, dass er seine Frau mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt hat und sie deswegen keine Kinder mehr bekommen konnte. Seine Alkohol,- und Drogensucht war auch seiner Mutter bekannt. Von seinen zahlreichen Affären mal ganz zu schweigen. Dennoch kippte Sisi allen Hass über Stephanie aus, die sicherlich nicht das einfachste Leben hatte, zumal sie sogar ihren Vater hatte verklagen müssen, um das mütterliche Erbe ausgezahlt zu bekommen. (Dies vor dem Hintergrund, dass ihr Vater der berüchtigte Leopold II von Belgien war, der im Kongo ein Gewaltregime führte.)
Natürlich darf auch Sisis Ernährung als Thema nicht fehlen … Die Autoren untersuchen die Quellen dazu genauer und kommen zu dem Ergebnis, dass Sisi nicht ausschließlich von Brühen und Luft lebte, sondern vielmehr einen eher exzentrischen Geschmack hatte. Es war eine Art Achterbahn-Ernährung: Sisi ernährte sich tagelang von Säften und Milch, um dann wieder richtig zuzuschlagen. So aß sie – wenn sie in München war – grundsätzlich im Hofbräuhaus. Bayerisch. Deftig. Unterwegs mussten immer die Produkte der Heimat vorhanden sein, was einen ziemlichen organisatorischen und finanziellen Aufwand bedeutete. Da durften auch bestimmte Mehlspeisen zum Frühstück nicht fehlen. Als Fazit kann man sicherlich sagen, dass Sisi so sportverrückt wie zum Beispiel Prinzessin Catherine war, dass man aber um die Ernährung der Prinzessin von Wales weniger Aufhebens macht.
Eine Essstörung, wie sie oft unterstellt wurde, hatte Sisi wohl nicht.
Was sie aber sicherlich hatte, war Realitätsferne. So schildert das Buch sehr genüsslich einen Dialog zwischen ihrer Hofdame und der Kaiserin, den die Gräfin Festetics in ihrem Tagebuch notierte:
„Wir gingen auf dem Sikló hinab nach Pest. Im Coupé sagte Sie mir: „Haben Sie Geld?“ – „Ja, Majestät.“ – „Wie viel?“ – „Nicht sehr viel, 20 Forint.“ – „Das ist ja viel.“ – „Nicht besonders.“ – „Kann man nicht viel kaufen? Ich möchte zu Kugler (Konditorei) und für Valerie Einkäufe machen.“ (…) Glücklich unbemerkt kommen wir hinüber, dort fielen die Leute vor Überraschung fast um. Sie kaufte mit Wonne, und als ein großer Haufen der schönsten und besten Sachen beisammen war, fragte Sie: „Ist es schon zwanzig Forint wert?“ Ich glaube, es war für 150 Forint.“
Es sind diese kleinen Histörchen, die das Buch für mich so spannend machen und das Bild der Kaiserin vervollständigen.
FAZIT:
Das Buch ist rundum empfehlenswert. Nicht nur für diejenigen, die sich schon eingehend mit der Kaiserin beschäftigt haben, sondern auch für die Neu-Interessierten. Es besticht nicht nur durch Fachkenntnis und einen unterhaltsamen Aufbau, sondern besondern durch liebevoll gemachtes Design und Foto-Qualität. Es ist einfach ein Genuss, es durchzublättern und immer wieder an bekannten und unbekannten Abbildungen hängen zu bleiben. Hierbei sei auch darauf hingewiesen, dass „Elisabeth – Ungewöhnlich war sie zu allen Zeiten“ ein Buch ist, bei dem man die Untertitel der Fotos unbedingt lesen sollte, da sie immer wieder Interessantes wiedergeben und nicht nur festhalten, was auf dem Foto zu sehen ist.
Das Preis-Leistungsverhältnis ist sehr gut. Man bekommt wirklich etwas ganz Besonderes für sein Geld. Für mich persönlich hat sich der Kral-Verlag mit dem Buch in meinen Fokus geschoben und ich werde mir mit Sicherheit noch mehr Titel aus dem Verlag besorgen.
Die Fakten: – Hannes Etzlstorfer und Philipp Ilming: Kaiserin Elisabeth – Ungewöhnlich war sie zu allen Zeiten; Kral Verlag, 2023, 322 Seiten, 39,90 €