Alles begann im Jahre 1993 als Martin Bashir sich an Commander Patrick Jephson, Dianas Privatsekretär, wandte, um sie um ein Interview mit seiner (erfahrenen BBC- Kollegin) Sue Lawley zu bitten. Jephson lehnte in Dianas Namen ab.
Doch Bashir war wild entschlossen, diesen Coup zu landen.
Er brachte einen freischaffenden Grafik-Designer dazu, Bankbelege zu fälschen, die dazu dienen sollten, Alan Waller, den Sicherheitsexperten von Dianas Bruder, in Misskredit zu bringen.
Es sollte so aussehen, als habe Waller Zahlungen von der britischen Presse und zweifelhaften Offshore-Firmen bekommen. Im Gegenzug habe er Storys der Spencer- Familie durchgestochen.
Der Künstler hatte keine Ahnung, was er da tat.
Im September nun legte Bashir Charles, dem Earl Spencer, die gefälschten Unterlagen vor.
Kurz danach präsentierte er Dianas Bruder weitere Unterlagen, die scheinbar belegten, dass Jephson und Richard Aylard (Prince Charles‘ Privatsekretär) ähnliche Zahlungen erhalten hatten. Zudem gab es Unterlagen, die beweisen sollten, dass Tiggy Legge Bourke, die von Charles engagierte Begleiterin der Prinzen William und Harry, eine Abtreibung gehabt hätte und es sich dabei um Charles‘ Kind gehandelt habe.
Spencer – nicht dumm – meldete sich bei der BBC und fragte nach, ob Bashir vertrauenswürdig sei. Dies wurde bestätigt. (Warum er sich nicht bei Waller erkundigt hat – keine Ahnung)
Spencer kontaktierte sofort seine Schwester Diana, die noch angefasst war durch das lange Interview, das Charles Jonathan Dimbleby gegeben hatte und in dem er seinen Ehebruch gestanden hatte.
Am 19. September fand das erste Treffen zwischen Diana und Bashir statt.
Es fiel Bashir nicht schwer, Diana zu manipulieren, da diese von jeder Menge Wahnvorstellungen heimgesucht wurde. Sei es, dass man sie ausspioniere (nicht übertrieben gedacht) und, dass man ihr nach dem Leben trachte. (Eher nicht…)
Ihre Furcht, man würde einen Wagen so manipulieren, dass die Bremsen versagen würden und sie getötet (oder zumindest schwer verletzt), scheint für viele auf den ersten Blick ein A-Ha-Moment, bedenkt man, wie sie starb. Doch tatsächlich hätte sie überlebt, wäre sie nur – ganz banal – angeschnallt gewesen.
Auch, dass sie abgehört werde, bestätigte sich nicht, denn sonst hätte das Königshaus (oder andere finstere Mächte im Dienste des Systems) gewusst, dass sie Bashir traf und hätten versucht, diese Bombe rechtzeitig zu entschärfen.
Spencer seinerseits, der bei dem Treffen dabei war, teilte später bei der offiziellen Untersuchung mit, dass er immer misstrauischer geworden sei, denn vieles von dem, was Bashir jetzt zu Diana sagte, passte nicht zu dem, was er zuvor Spencer bei deren Treffen in Althorp gesagt hatte. Wieso er dann aber seine Schwester nicht ermahnt hat, das Interview sein zu lassen – diese Frage darf wohl erlaubt sein.
Als das Interview schlussendlich ausgestrahlt wurde, schlugen die Zuschauerzahlen alles bislang Dagewesene. Circa das halbe Vereinigte Königreich hatte vor dem Fernseher gesessen. Nicht zu vergessen alle im Nachgang ausgestrahlten Dokumentationen in aller Welt.
Doch gleichzeitig begannen die Alarmglocken bei den Beteiligten zu schrillen. Der Grafik-Designer, der die Dokumente gefälscht hatte, meldete sich damit bei der BBC. Diese hatte sämtliche Schutzmechanismen des sauberen Journalismus bewusst außer Kraft gesetzt, damit das Interview zustande kommen sollte. Bashirs Produzent, der normalerweise jeden Schritt (vor allem eines noch recht unerfahrenen Journalisten wie Bashir) in mehreren Stufen hätte kontrollieren müssen, ließ diesem vollkommen freie Hand. Offensichtlich waren beide (wir erinnern uns an die Mechanismen bei den gefälschten Hitler- Tagebüchern) angefixt von dem Köder, der vor ihren Nasen baumelte: ein Tell-All-Interview mit der berühmtesten Frau der Welt!
Als Vorgesetzte Bashir im Dezember 1995 schlussendlich mit den Vorwürfen konfrontierten, gab dieser zu, die Unterlagen erfunden zu haben, aber er hätte sie niemals Diana selbst gezeigt.
Das sollte sich als enorm kluger Schachzug erweisen, denn es ersparte ihm am Ende sogar eine Gefängnisstrafe, denn die BBC- Granden baten kurzerhand Diana, dies schriftlich zu bestätigen, was diese naiverweise auch tat.
Im März 1996 rief die Mail on Sunday bei Spencer an (der Grafik-Designer hatte ihnen einen Tipp gegeben) und fragte ihn nach seiner Meinung zu den Vorgängen.
Der Earl verweigerte einen Kommentar.
Doch nun war die Katze aus dem Sack und die Mail hatte nicht vor, sich mit dem Einfangen derselben zu beeilen.
Stattdessen riefen sie bei der BBC an, die sich wiederum Bashir vorknöpfte. Der gab jetzt zu, die Unterlagen zwar nicht Diana, aber ihrem Bruder gezeigt zu haben.
Die Beteiligten hatten Glück. Da die Mail keine Zeugen auftreiben konnten, verlief die Geschichte im Sand.
Es dauert beinahe 25 Jahre, bis die Story endlich explodierte.
Jetzt war die BBC gezwungen, eine Untersuchung zu beauftragen. Der Dyson Report wurde erstellt.
Die BBC schrieb Entschuldigungsbriefe an die Prinzen Charles, William und Harry. An Jephson, den Grafik-Designer und den Earl Spencer.
Jephson, Waller und der Grafik-Designer erhielten ebenso wie Tiggy Legge Bourke ein Schmerzensgeld.
Legge Bourke war sogar von der empörten Diana bei einer Feier vor allen Gästen konfrontiert worden und die Story von der Abtreibung fand sich in mehr als einem Artikel oder Buch wieder …
Die BBC gab des Weiteren alle Preise (inklusive dem BAFTA Award) zurück, die sie für das Interview erhalten hatten.
Bashir beharrt bis zum heutigen Tag darauf, dass es nicht die gefälschten Unterlagen gewesen seien, die Diana dazu gebracht hätten, das Interview zu geben. Die Unterlagen hätten ihm lediglich den Zugang zur Prinzessin über ihren Bruder ermöglicht. Gegeben hätte Diana das Interview mit Sicherheit sowieso.
Es bleibt festzustellen, dass der Betrug für Bashir keine weiteren Konsequenzen hatte. Er wechselte 1999 zu ITV und arbeitete in Großbritannien und dann in den USA als Korrespondent und kehrte 2016 sogar zur BBC zurück.
Aus gesundheitlichen Gründen beendete er 2021 seine Karriere als Journalist.
Die Verantwortlichen bei der BBC erlitten auch keine weiteren Konsequenzen. Sie wurden von den Vorwürfen und naseweisen Kollegen abgeschirmt.
(Wer sich für die kritischen Recherchen anderer Presseleute interessiert, dem sei der Artikel „The Big Lie“ von Tom Mangold in der aktuellen Ausgabe von „The Critic“ empfohlen …)
Wenn ich nun diesen Skandal so betrachte, frage ich mich schon, wie die BBC es vor sich selbst und ihren Zuschauern verantworten konnte und kann, einen Mann wie Bashir nach diesem Skandal auch nur mit der Kneifzange anzufassen.
In Zeiten wie diesen, wo sauber durchgeführter Journalismus so rar geworden zu sein scheint wie ein gelber Diamant, müssten die Verantwortlichen anders mit ihrem Ethos umgehen.
In Zeiten, wo Wahrheit ein beliebiges Gut geworden ist, das jeder nach eigenem Gusto hinbiegen kann, empört mich dieser Skandal über alle Maße.
Und wenn ich noch weiter über all diese Vorgänge nachdenke, die uns allen ein scheinbar so klares Bild der auf Messers Schneide spazierenden Diana präsentierten, die mit Kuhblick berichtete, dass Charles nicht gemacht sei für den „Top Job“ etc – dann frage ich mich, was eines Tages über Harry und Meghan herauskommen mag.
Ich sage nicht: der hat Recht und der lügt. Ich sage nur: wir müssen vorsichtig sein. Wir müssen Dinge überprüfen und nicht leichtfertig über Dinge hinweggehen, denn am Ende sind es Menschen, die den Preis bezahlen.
Was mich selbst angeht, so hat mich die neuerliche Beschäftigung mit diesem Skandal in der Überzeugung bestärkt, dass wir unseren Kindern schon in der Schule beibringen müssen, wie man herausfindet, ob etwas wahr oder falsch ist. Wie man mit Quellen umgeht.
Und wir müssen ihnen und uns beibringen, wachsam zu sein. Wachsam und misstrauisch.