Der Kaiser in Ketten …

Der Kaiser in Ketten …

Die Zeit der Aufklärung ist bei uns beinahe vollkommen vergessen. Was die Habsburger Kaiser und Könige angeht, so erinnern sich die meisten maximal noch an Maria Theresia, die Über-Mutter und dann wieder an Sisi und Franzl …
das sollte man tunlichst ändern und zu diesem Zweck empfiehlt sich das Buch von Monika Czernin, welches ich ihm Folgenden vorstellen möchte …

Credit: Penguin Randomhouse

Der Kaiser reist inkognito

Ein junger Mann liegt im Dreck. Angekettet an eine feuchte, eisige Mauer.

Um ihn herum nichts als Dreck und menschliche Exkremente.

Der Mann jedoch wirkt gepflegt. Seine Kleidung ist wertvoll und nur vom Knien beschmutzt.

Jeder Leser fragt sich natürlich bei dieser Stelle zu Beginn des Buches, wer das ist, der da in einem Kerker zu verrotten scheint.

Die Antwort kommt prompt: Kein Geringerer als Kaiser Joseph II, Sohn der Kaiserin Maria Theresia und ihr Mitregent.

Was war passiert? Der Kaiser wollte das Leben seiner Untertanen kennenlernen und dazu gehörte die Kerkerstrafe. Er wollte wissen, wie all die Männer und Frauen sich fühlen, wenn sie für Tage, Wochen – gar Jahre so eingesperrt wurden.

Diese Stunden in Ketten sollten ihn prägen.

Er beschloss, seine Länder inkognito zu bereisen und so direkt und ungeschönt zu erfahren, wie das alltägliche Leben der Menschen verlief. Welche Sorgen und Probleme sie hatten.

Monika Czernin nimmt uns nunmehr mit auf seine zahlreichen Reisen kreuz und quer durch sein Reich. Aufgefüllt wird das Ganze durch Briefexzerpte, die er u.a. an seine Mutter und seinen Bruder schrieb, der in der Toscana Vorbildliches an Reformen leistete.

Über all den Anstrengungen, die der Graf von Falkenstein (wie der Kaiser sich auf seinen Resien nannte) aber stand der Begriff der Aufklärung.

Joseph verlangte Zahlen. Gespräche beinahe auf Augenhöhe. Keine geschönten Berichte, die ins ferne Wien geschickt wurden, um Ruhe und Zufriedenheit zu verbreiten, wo eigentlich Alarmstimmung herrschen müsste.

Ich muss gestehen, ich habe das Buch von der ersten Seite an verschlungen. Es bringt einem die grauenhafte Lebenssituation der einfachen Menschen so unverstellt näher, dass man nur mit Verwunderung auf jene blicken kann, die behaupten, früher sei doch alles besser gewesen.

Czernin versteht es dabei, die Hintergründe der wirtschaftlichen und politischen Misere, die in jenem gewaltigen Reich herrschte, leicht nachvollziehbar, und dabei dennoch nicht oberflächlich vorzustellen.

Durch Zitate von Augenzeugen, trifft einen das Geschehen so unmittelbar, dass man beinahe den Gestank riechen kann, der von den zahllosen Siechen und Bettlern ausgeht. Vom auf dem Feld verrotteten Getreide und den sterbenden Tieren. 

Wo es sicherlich verlockend wäre, Schuld zuzuweisen, bringt sie es fertig, aufzuzeigen, wie die Herrschenden versucht haben, gegen Strukturen und Traditionen anzugehen und doch scheiterten. Aber auch diejenigen werden benannt, die von der Misere, von der Leibeigenschaft und der Ausbeutung schamlos profitierten. 

Es stimmt einen sehr nachdenklich, wenn man diesen neuen Blick auf das 18. Jahrhundert tut. Man merkt, wie einfach es war ein „Ancien Régime“ zu kritisieren und wie schwer es den Menschen damals fiel, Auswege zu erkennen. 

Beinahe frustrierend, wenn man sieht, wie lange es noch brauchen sollte, bis zum Beispiel das „Robot“ abgeschafft wurde. 
Unter Robot verstand man verschiedene Arten von Frondienst. Das bedeutete, dass Bauern zum Beispiel erst das Land des Herrn zu bewirtschaften hatten, bevor sie ihr eigenes bestellen durften, was dann – logischerweise zu kurz kam und Hunger und Elend vorprogrammiert waren. Es galt als üblich, dass an drei Tagen pro Woche Robot geleistet werden durfte, und an den restlichen für sich selbst gearbeitet. Tatsächlich waren aber 5 Tage durchaus Gang und Gäbe. Wenn man bedenkt, dass am Sonntag nicht gearbeitet werden durfte/ sollte, kann man sich denken, wie das für die Leibeigenen ausging.

Oder wie Czernin schreibt: „Die Scholle klebte am Bauern und der Bauer an der Scholle“, denn natürlich dürften solche Leibeigenen ihre Herren nicht einfach verlassen …

Aufgeteilt ist das Buch übrigens in Kapitel, die sich an den Reisen des Kaisers orientieren. Wer mag, kann zu Beginn jedes Kapitels die Stationen der Reise nachvollziehen und sich im nächsten Urlaub vielleicht sogar auf die Spuren des Kaisers begeben.

Ein spannendes Unterfangen mit Sicherheit.

Dieser aufgeklärte Monarch, der inkognito durch die Lande reiste, mit Bauern und Herren sprach und nicht müde wurde, Bittschriften entgegenzunehmen und Reformen anzustoßen, hatte aber auch seine Schattenseiten, wie Czernin darlegt.

Es geht um die Teilung Polens. Maria Theresia hat sie unterschrieben, aber der Kaiser hatte sie zu verantworten. Maria Theresia unterschrieb, weil sie einen Krieg fürchtete, den sie nicht würde stemmen können bei all der wirtschaftlichen Not in ihrem Reich. So zitiert Czernin sie mit einem Briefzitat: 

„Diese schreckliche Teilung Polens kostet mich zehn Jahre meines Lebens.“

Und:

„Ihr werdet sehen, wie unglücklich sich diese ganze Affäre entwickeln wird.“

Joseph aber hatte sich mit Friedrich II verständigt, der wiederum hatte die russische Zarin ins Boot geholt und dann stand der Teilung nichts mehr im Wege. „Partager le gâteau“ („Den Kuchen teilen“), wie man das nannte.

Was vielleicht manche Leser eines Sachbuches irritieren könnte, sind die romanhaften Stellen.

„Sind wir angekommen, fragt sich Joseph, während er sich den Schlaf aus den Augen reibt. Er hört Stimmen. Einige sprechen Ungarisch, andere Deutsch (…) Er hat schlecht geträumt. (…) Joseph atmet tief ein. Als on ihn seine geheimen Wünsche irgendwie beunruhigen würden.“

Ich muss gestehen, dass ich mich erst an sie gewöhnen musste. Allerdings konnte ich keine Stelle finden, deren Erfindung irgendwelche falschen Schlussfolgerungen ermöglicht hätte. Möglicherweise sind sie sogar durch Briefe oder Tagebucheinträge gedeckt. Das vermag ich nicht zu sagen.

Auf jeden Fall gestalten sie das Buch lebendiger als es eine reine Aufzählung von Fakten könnte.

Sehr gut finde ich auch die Zeittafel im Anhang, die einem einen sehr guten Überblick über die wichtigsten Geschehnisse gibt, sodass man alles gut nachvollziehen kann, auch wenn man später etwas nachschauen möchte.

Es gibt des weiteren ein Ortsregister, das aber zu wünschen übrig lässt. Wenn man eines anhängt, sollte es auch wirklich alle Orte, die im Text genannt werden, erwähnen. Dies geschieht hier nicht, was ich schade finde. So hatte ich nicht gewusst, dass der Kaiser auch im zu meinem Wohnort nahegelegen Worms war, das dann aber im Anhang fehlt. (Ja, ja – ich weiß – der Lokalpatriotismus …)

Auf den Klappeninnenseiten finden sich farbige Karten Europas und seiner Aufteilung, was ich sehr interessant finde.

FAZIT: 

Ein rundum gelungenes Buch, das nicht nur einen ungewöhnlichen Kaiser vorstellt und begreifbar macht, sondern, das auch einen unverstellten Blick auf die Menschen des 18. Jahrhunderts ermöglicht.
Die Zeit der Aufklärung, die leider weitgehend in Vergessenheit geraten ist mit ihren modernen Ansätzen und Reformversuchen, wird wieder lebendig und verführt die Leser hoffentlich zu einer neuerlichen Beschäftigung mit dieser aufregenden und für Europa wegweisenden Zeit.

Es liest sich spannend wie ein Roman und regt dazu an, sich noch weitergehend zum Thema zu informieren.

Was mich persönlich angeht, so habe ich noch eine umfangreiche Maria Theresia- Biografie liegen, die ich jetzt angehen werde. Immerhin war das 18. Jahrhundert auch das Jahrhundert der großen Herrscherinnen.

FAKTEN:

Monika Czernin: Der Kaiser reist inkognito – Joseph II und das Europa der Aufklärung, Penguin Verlag, 3. Auflage 2021, 384 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,00

Mehr zum Verlag:

www.penguin.de

Mehr zur Autorin:

www.monikaczernin.com

Neuigkeiten vom Wiener Hof

Neuigkeiten vom Wiener Hof

Kaiserin Elisabeth von Österreich fasziniert die Menschen bis heute.
Auch mich.
Allerdings muss ich auch gestehen, dass mein Bild von ihr alles andere als positiv ist …
Da ich nun gerne all das hinterfrage, was ich so an Vorstellungen über die Vergangenheit habe, wartete ich sehnsüchtig auf eine neue Sisi-Biografie, die eventuell noch das eine oder andere Neue seit Erscheinen der epochalen Kaiserinnen-Biografie von Brigitte Hamann bringen würde.
Mir konnte geholfen werden!





Zunächst eine WARNUNG!
Dieses Buch zerschießt euch alle rosaroten Blütenträume, die ihr je von Sisi gehabt haben mögt und füllt gleichzeitig jene Lücken, die Hamann noch stehen lassen musste, da die entsprechenden Quellen einfach nicht vorlagen.

Da es zahllose Biografien gibt, die das Leben der Kaiserin schildern, konzentriert sich Katrin Unterreiner auf jene Bereiche, die aufzuklären sie sich vorgenommen hat. Seien es die Reisen der Kaiserin, ihr Begleitpersonal oder ihr privates Vermögen.
Hier tun sich dann auch Abgründe auf, wenn ich das so sagen darf, ohne zu Spoilern.

Mein eigenes Bild der Kaiserin war – jenseits meiner Liebe zu Romy Schneider und jenseits der Sissi-Filme – ein negatives.
In meinen Augen war sie eine auf SEHR hohem Niveau jammernde Frau, die sich selbst permanent bemitleidete und mit einer kaum noch nachvollziehbaren Egomanie alle und alles ignorierte, worum sie sich eigentlich hätte kümmern müssen. Inklusive ihrer engsten Familie.

Nun dachte ich immer, dass ich ein zu negatives Bild von Sisi hätte und wartete gespannt auf Unterreiners Buch, das neue Informationen und Belege versprach.
Ich wurde nicht enttäuscht.

Wir alle wissen ja, dass der Großteil von Sisis Erwachsenenleben aus Reisen bestand. Wohl gemerkt: Vergnügungsreisen! Denn sie vermied es so gut es nur ging, auf andere Staatsoberhäupter zu treffen, oder sonstwie zu repräsentieren.
Für diese Reisen kamen der Kaiser privat oder die kaiserliche Schatulle, sprich: der Steuerzahler, auf.
Alleine dieses Kapitel über die Reisen lässt einen erkennen, mit wem man es bei Sisi zu tun hatte … Sie fragte nicht, was etwas kostete oder was sie anderen abverlangte – sie sah nur, was ihr selbst in den Sinn kam und das wurde umgesetzt.

So schreibt die ihr ergebene Hofdame Marie Festetics:
„Am Schiff wird es von Tag zu Tag unerträglicher … Ihre Majestät besetzt das ganze Schiff, wenn es regnet, oder am Abend weiß man nicht wohin zu gehen. Ihre Majestät erzählt die vertraulichsten Sachen, sie ist sehr lieb und gut, doch oft erschaudere ich über die schöne Seele, die in Egoismus und Paradoxen untergeht.“

Wenn das nun schon eine Frau schreibt, die der Kaiserin zutiefst ergeben war – was dachten dann erst andere von ihr? Zum Beispiel das Personal, das mitreisen musste? Wenn man alleine bedenkt, dass die Kaiserin bei jeder Witterung Wandern ging oder in See stechen ließ … (Wobei sie gerne ihre wertvollen Kleider – sobald es ihr heiß wurde – einfach zu Boden warf. Ihre Begleiter durften diese dann aufheben und tragen …)

Es ist in diesem Zusammenhang übrigens traurig in dem Buch zu lesen, was der Kaiser selbst an seine Frau geschrieben hat:
Meine Stimmung ist melancholisch mit wehem Herzen und Heimweh nach Gastein. Als ich Gestern den Berg unter der Johannespromenade hinunter fuhr und mich traurig und sehnsüchtig nach der Helenenburg umsah, glaubte ich Deinen weißen Sonnenschirm auf dem Balkon zu erkennen und die Tränen traten mir in die Augen. Nochmals meinen heißen Dank für Deine Liebe und Güte während meines Gasteiner Aufenthaltes; so gute Tage habe ich jetzt selten.
An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass Sisi ihren Mann nicht so alleine ließ, weil sie vielleicht hätte zur Kur gemusst oder durch andere Notwendigkeiten von ihm ferngehalten gewesen wäre. Nein! Sie machte Urlaub. Wie immer. Beziehungsweise, besuchte die Familie in Bayern. (Bei ihrem Tod stellte man übrigens fest, dass sie kerngesund war. Selbst das jahrelang vorgeschützte Herzproblem existierte nicht!)

In Bayern war sie übrigens, wie Unterreiner belegen kann, wesentlich öfter als allgemein angenommen. Sisi hielt sich sehr oft in München auf, um in der Nähe ihrer Mutter und Geschwister zu sein. Besonders an ihrer Mutter hing sie offensichtlich sehr, wohingegen sie ihre Schwestern nur dann schätzte, wenn diese sich ihr vollkommen unterordneten.
Was diese Familienbesuche anging, so waren sie nicht weniger kostspielig als ihre Fernreisen. Ein Sommeraufenthalt der Kaiserin in Feldafing und Ischl 1883 kostete umgerechnet ca. 2,7 Millionen Euro. Und das – so belegt es Hinterreiner – war nicht die Ausnahme, sondern die Regel.

Woher das kam? Auch dieses Rätsel wird gelöst: Die angeblich so menschenscheue und auf Einsamkeit bedachte Kaiserin reiste keineswegs nur von einer Hofdame begleitet. Mitnichten!
Jede Reise erforderte ein ungeheures Gefolge und einen ungeheuren Aufwand. Begleitet wurde sie im Normalfall von mindestens 50 Bediensteten/ Begleitpersonen. Mitgeführt wurden u.a. Mobiliar, Geschirr, Hunde, Pferde. Wobei alleine ihr Fechtmeister pro Monat umgerechnet 8.400 Euro Gehalt bekam.
Da Sisi eine zeitlang auf frischer Schafsmilch bestand, wurde nicht nur ein Schaf angeschafft, sondern eine ganze Herde gekauft.
Und was der Narreteien mehr waren.
Dies alles – wohlgemerkt – zu Zeiten, da sich Österreich in einer tiefen wirtschaftlichen Krise befand und die Menschen kaum die Kartoffeln auf dem Teller bezahlen konnten.

Wenn es nun nur Sisis Verschwendungssucht gewesen wäre, so hätte man vielleicht noch irgendwo sagen können: ja, sie war halt ein schwieriger Charakter, sie nutzte die Liebe ihres Mannes aus etc. Sie hatte als junge Kaiserin schwere Zeiten zu überstehen gehabt und war sich vielleicht auch über die Tragweite ihrer Extratouren gar nicht im Klaren …


Doch da war noch etwas anderes…

Sisi hatte einen zutiefst bösartigen Zug, der sie – beinahe soziopathisch – von scheinbar jeglicher Empathie fernhielt.

Wir alle kennen die Geschichte der zutiefst unglücklichen Ehe ihres Sohnes, des Kronprinzen Rudolf, mit Stephanie von Belgien. Das junge Mädchen, aus einem zerrütteten Elternhaus stammend (Kongo- Dämon Leopold II war ihr Vater), war weder gebildet noch schön. Sie konnte weder mit den anderen Damen bei Hof mithalten, noch gab es auch nur so etwas wie Zuneigung zwischen dem Kronprinzen und ihr.


Es steht wohl inzwischen fest, dass Rudolf seine Frau mit Syphilis angesteckt hat und sie deswegen nach der Tochter kein weiteres Kind mehr bekommen konnte. (Die Schuld dafür gab Sisi – erwartungsgemäß – der Schwiegertochter.)
Elisabeth nun – bei der wir immer wieder über ihre böse Schwiegermutter Sophie hören – entpuppte sich als Schwiegermutter from Hell für Stephanie.
Man muss nun zu Sisis Gunsten sagen, dass sie nicht erst nach der Hochzeit mit dem Stänkern gegen Stephanie anfing, sondern von Anfang an gegen die geplante Ehe anging.
So oft als möglich erklärte sie ihrem Sohn, wie unpassend das Mädchen für ihn sei und stellte unermüdlich deren Nachteile heraus. (Wobei sie da offensichtlich offene Türen einrannte …).
Da die Ehe vom Kaiser allerdings beschlossen war (und andere Prinzessinnen bereits dankend abgelehnt hatten), fand die Trauung statt.
Doch das bedeutete für Sisi keineswegs, dass sie sich geschlagen gab und die beiden jungen Leute einfach ihren gemeinsamen Weg finden ließ – die Kaiserin ließ keine Gelegenheit verstreichen, an der sie die Schwiegertochter bloßstellen oder beleidigen konnte. Dies nicht nur hinter deren Rücken, sondern auch direkt in ihr Gesicht.
War niemand da, bei dem sie über Stephanie ablästern konnte, so bedachte sie die Schwiegertochter in ihren Gedichten mit „Aufmerksamkeit“:

Ob’ron, ei! Zu deiner Rechten
Welch‘ ein mächtig Trampeltier,
Statt der langen falschen Flechten
Siehst du blondes Fell jetzt hier!

Dieses „Trampeltier“ über das sie nach dem Geburtstagsdiner anlässlich Kaiser Franz Josefs 57. Geburtstag dichtet, ist keine andere als Stephanie von Belgien.

Aber es wird in diesem „Gedicht“ noch besser, denn sie nimmt sich sogar ihre eigene Tochter Gisela mit deren Kindern vor:

Oberon zu deiner Linken,
Einer rackerdürren Sau
Blaue Äuglein ehrlich blinken
Ähnlich Dir fast im Geschau.

Ihre Ferkelein, herzig kleine,
Bracht’s sie aus dem Nachbarreich;
Sehen dort dem Vaterschweine
Bis aufs letzte Härchen gleich.

Wer solch eine (Schwieger)Mutter hat, braucht keine Feinde mehr …

So schlimm diese Zitate sind, so kurzweilig machen sie das Buch doch auch.
Die vielen alten Zöpfe, die Unterreiner gleichzeitig abschneidet, beziehen sich nicht nur auf die angeblich so einsamen Reisen der Kaiserin, sondern auch nicht zuletzt um ihre viel diskutierte Ernährung.
Es gelingt der Autorin, zum Beispiel mittels Lebensmittelrechnungen und Aufzeichnungen der Beteiligten, nachzuweisen, dass Sisi keineswegs unter Essstörungen litt.
Bulimie oder Anorexie wären auch nicht vereinbar gewesen mit dem äußerst sportiven Lifestyle, dem Sisi frönte. Seien es die Hetzjagden zu Pferd oder die tagelangen Gewaltmärsche bei Wind und Wetter durch die Berge – ohne etwas im Magen hätte sie das sicherlich nicht geschafft.
Im Gegenteil! Unterreiner stellt Sisis teilweise exzentrische Ernährung vor, die zwischen Diäten und Völlerei zu schwanken schien. So genoss sie, wenn sie sich in München aufhielt, jedesmal die Schweinshaxen und Bier im Hofbräuhaus. Ansonsten hatte sie einen Hang zu Süßem. Sei es Veilchen-Eis oder österreichisch- bayerische Mehlspeisen.

Es werden ja gerne Vergleiche zwischen Sisi und Prinzessin Diana angestellt.
Es gibt tatsächlich eine Verbindung zwischen den beiden Frauen:
Sisi hielt sich des öfteren in Althorp zu Jagden auf, jenem Schloss, in dem Diana aufgewachsen ist. Bei der Organisation ihrer Jagdaufenthalte unterstützte übrigens Dianas Ahnherr Lord Spencer, der damalige Vizekönig von Irland.
Ich fürchte, dass damit die Parallelen zwischen den beiden Frauen enden …

FAZIT:

Für mich ist das von Unterreiner vorgelegte Buch eines der wichtigsten wenn es darum geht, sich ein vollständiges Bild vom Leben der Kaiserin zu machen. Seien es ihre Reisen, ihre Ernährung oder ihre innenfamiliären Beziehungen. Hier kann man sich ein authentisches Bild der Kaiserin machen.
Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen und mich nicht eine Sekunde gelangweilt. Auch bin ich auf keinen Punkt gestoßen, den ich als schlecht belegt oder unlogisch empfunden hätte.
Schlussendlich bin ich ungeheuer froh, dass ich das Buch entdeckt habe und euch vorstellen darf.

ZUR AUTORIN:

Katrin Unterreiner ist studierte Historikerin und war lange Jahre wissenschaftliche Leiterin der Schloss Schönbrunn Ges.m.b.H. und Kuratorin des Sisi-Museums in der Wiener Hofburg. Sie veröffentlicht immer wieder Titel zum Thema k. u. k. – Monarchie und ist beratend für TV-Dokumentationen tätig.
Also – eine Frau mit enorm viel Expertise.

FAKTEN:

Katrin Unterreiner: Sisi – Das geheime Leben der Kaiserin, Ueberreuther Verlag 2023, 198 Seiten, 25 €

MEHR INFOS:

https://www.ueberreuter.at

Die Habsburger – Mehr als Kinn und Unterlippe

Die Habsburger – Mehr als Kinn und Unterlippe

Alles begann mit Henry VIII, dem englischen Tudor- König. Dem Gewaltherrscher auf dem englischen Thron und seiner Tochter Mary.

Seit Jahrzehnten befasse ich mich mit der Geschichte der Tudors und damit natürlich eng verbunden – den Habsburgern. Schließlich war Mary I mit Philipp II von Spanien, einem Habsburger, verheiratet.

In die Schule ging ich in Speyer, wo im Dom der Stammvater des Hauses, König Rudolf I, beigesetzt ist.
Dazu kam dann Kaiserin Elisabeth II von Österreich. Jener Wittelsbacherin, die ebenfalls mit einem Habsburger (Kaiser Franz Josef) verheiratet war. Diese Aufzählung ließe sich schier endlos fortführen … Deswegen sage ich nur: Wer sich mit europäischer Geschichte befasst, kommt um die Habsburger nicht herum.
Und so empfand ich es als an der Zeit, endlich mal eine Monographie des Hauses zu lesen und wurde bei Martyn Rady fündig.

Zunächst erscheint das Buch monumental. Aber was kann man erwarten bei der Beschreibung einer Familiengeschichte, die mehrere hundert Jahre lang im Zentrum aller europäischen Ereignisse stand?

Aber das vorliegende Buch ist mehr als nur „ein Klotz“ von einem Buch. Es ist europäische Geschichte en gros und en Detail. Der Autor schafft es, beinahe einen Krimi zu schreiben. Das, was die Briten einen „Pageturner“ nennen.
Man will unbedingt wissen, wie es weitergeht.
Und das Buch ist noch viel mehr.
Man erhält einen Blick in das Weltwissen, denn die Familie hat mit all ihren verschiedenen Zweigen, nicht nur politisch und militärisch gewirkt, sondern auch in der Kunst und in der Wissenschaft.
Sei es die schier unbegrenzte Sammelleidenschaft, sei es die Manie, sich in die Alchemie hineinarbeiten zu müssen, die Welt verstehen zu wollen – all das findet sich in den Kapiteln des Buches.

Wir lernen mittels der international vernetzten Habsburger unglaublich viel über die Menschheitsentwicklung, aber auch über ihre Irrwege.
Besonders faszinierend hierbei, wie die politische und gesellschaftliche Entwicklung anhand bestimmter Aspekte der Kunst aufgezeigt werden.
So zum Beispiel der „schachspielende Türke“ – eine Maschine, die im 18. Jahrhundert Europa elektrisiert hat. Es handelte sich dabei um die Figur eines Türken, der (angeblich) Schach spielen konnte. Tatsächlich befand sich in der Installation ein kleinwüchsiger Schachspieler, der die Züge des Automaten steuerte.

Ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich die Angst vor einem türkischen Angriff zu Zeiten Maria Theresias in ein Unterhaltungsobjekt verwandelt hatte.

Am Beispiel des Vampir-Glaubens stellt uns der Autor den Eingriff des Rationalismus vor, der – im Auftrag Maria Theresias – belegen sollte, dass es sich bei dem Glauben an Vampire um nichts weiter als Aberglauben handelte.

Wissenschaftler wurden von der Herrscherin ausgeschickt, um diesen Aberglauben zu untersuchen und ad absurdum zu führen, was den Männern auch gelang. Verstand und logisches Denken befehlen – das ging wohl nur in diesen längst vergangenen Zeiten …

So ließen sich noch zahllose Beispiele dafür finden, wie der Autor uns nach und nach das Netz zu durchdringen hilft, zu dem Kaiser, Könige, Kaufleute, Bauern und Bettler gehören. Wie sie mit ihren ganz individuellen Interessen neue Zeiten und neue Denkweisen beförderten oder stoppten.

Ein wirklich spannendes Buch, das am Ende so viel mehr kann als nur die Geschichte der Habsburger darzustellen.

Das Ganze endet im Prinzip mit dem letzten Habsburger Kaiser Karl, der seinen Generälen erklärt, dass der Erste Weltkrieg keinen Sinn mehr mache, da man ihn nicht mehr gewinnen könne. Karl, ein ebenso kluger wie umsichtiger Mann, dem am Ende nichts blieb als das Exil.

Einen letzten Hauch von Habsburger Größe stellt Rady mit Otto von Habsburg vor, der als Europa- Abgeordneter die Umsicht und auch die Achtsamkeit, die gespeist wurden von Jahrhunderten habsburgischer Erfahrung, in die Tagespolitik einzubringen vermochte.

Für mich ist aber auch gerade Otto von Habsburg ein warnendes Beispiel gegen die Monarchie. Man darf es nicht der Macht des Schicksals überlassen, ob ein allgewaltiger Herrscher klug und umsichtig ist, oder brutal und dumm.
Was diese Macht des Schicksals anrichten kann, wenn sie in die Hände eines Einzelnen gelegt wird, zeigt das Beispiel der Habsburger.

Es sollte uns allen eine Warnung sein.

FAZIT: Ein Buch wie ein Krimi. Eine Tour de Force durch die europäische Geschichte. Allerdings weitaus mehr als eine Familiensaga. Der Autor schafft es, aus einzelnen Teilen das Bild des Ganzen erstehen zu lassen. Ein hervorragender, übersichtlich aufgebauter Anhang mit Literaturliste, Belegen, Stammbäumen und Personenregister rundet das Lesevergnügen ab.
Unbedingte Leseempfehlung!

FAKTEN:
Martyn Rady: Die Habsburger, Aufstieg und Fall einer Weltmacht, Rowohlt Verlag 2021, 623 Seiten, 34 €

Ein Mordopfer findet keine Ruhe …

Ein Mordopfer findet keine Ruhe …

Credit: Kral Verlag

Eigentlich gehört das vorliegende Buch in einem Atemzug mit „Cold Case Mayerling“ vom gleichen Autor genannt.
Wo sich „Cold Case Mayerling“ mit der eigentlichen Tat befasst (Mord an Mary Vetsera und nachfolgender Selbstmord des Thronfolgers Rudolf von Habsburg), beschäftigt sich Reinmüller im vorliegenden Band mit dem Grabraub von 1992.

Helmut Reinmüller ist nun nicht irgend ein Autor, der sich mit dem Kriminalfall befasst, sondern war als Polizist selbst Teil der damals aktiven Ermittlungsgruppe der Wiener Polizei.

Spannend wie ein Roman liest sich dieser Bericht der damaligen Ereignisse, wenn Reinmüller auch alle Informationen liefert, die man – zumal als deutscher – Leser so braucht. (Aufbau der Polizei, juristische Begriffsklärung etc)

Reich bebildert stellt uns das Buch die Bemühungen des Möbelhändlers Helmut Flatzelsteiner vor, der durch den Raub des Sarges mit den sterblichen Überresten Mary Vetseras, versuchte, deren Todesursache herauszufinden.

Helmut Reinmüller (linke), Helmut Flatzelsteiner (rechts)
Credit: Kral Verlag

Mittels eines von ihm geschriebenen Buches stellte er die Ergebnisse der Wissenschaftler vor, die in seinem Auftrag die Überreste untersucht hatten. (Diese wussten natürlich nicht, wen sie da vor sich hatten.)
Sie wussten am Ende aber eines sicher: die junge Frau war durch einen Kopfschuss gestorben.
Damit hatte der Möbelhändler durch einen Gesetzesbruch ein jahrzehntealtes Geheimnis gelüftet, nämlich die Frage, wie Mary Vetsera tatsächlich gestorben war.

Wie es dem geschichtsbesessenen Möbelhändler im Nachgang erging – darüber hat sich Reinmüller selbst ein Bild gemacht: er hat nämlich den Kontakt zum Täter von damals aufgenommen und mit ihm über die Tat gesprochen.
(Flatzelsteiners Versuch, mit den Medien in Kontakt zu treten und seine Geschichte an sie zu verkaufen, ist übrigens nochmals beinahe ein Krimi im Krimi …)

Helmut Flatzelsteiners Buch mit Autogramm für seinen damaligen „Jäger“
Credit: Kral Verlag


Aber ich will nicht zu viel verraten … Lest selbst, was sich alles zugetragen hat.

Nachdem die ermordete Mary Vetsera bereits zweimal in ihrer Totenruhe gestört wurde, (Sowjetische Soldaten drangen bereits 1945 in ihr Grab ein) kann man nur hoffen, dass die schwere Platte, die inzwischen den Sarg bedeckt, künftig dafür sorgen wird, dass das Mädchen in Ruhe gelassen wird.

Wenn ich auch „Cold Case Mayerling“ mit all seinen Quellen und Belegen persönlich für spannender halte (und für Hobby-Detektive wesentlich ergiebiger), empfehle ich doch, BEIDE Bücher zu lesen, denn zusammen geben sie ein komplettes Bild.
Tatsächlich würde ich mich SEHR freuen, wenn es irgendwo da draußen ein(e) Historiker(in) gäbe, die sich mit Marys Geschichte befassen würde und sie aufschreiben.
Mary hätte es verdient!

FAKTEN:
Helmut Reißmüller: Mary Vetsera – Der Grabraub 1992, Kral Verlag 2019, 158 Seiten, 24,90 €

Fun-Facts der Chromklasse

Fun-Facts der Chromklasse

Sisi – aus der Reihe „Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“
Credits: Klartext Verlag

Mit der Reihe „Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ hat der Klartext Verlag eine wirklich unterhaltsame und kurzweilige Reihe aufgelegt, auf die ich bei meiner Suche nach Sisi- Titeln gestoßen bin.

Ich darf hierbei vorausschicken, dass der Titel der Reihe in meinen Augen etwas irreführend gewählt ist.
Tatsächlich erfahren wir hier nichts zu Irrtümern, sondern erhalten vielmehr spannende Einblicke in das Leben der Kaiserin und ihres Umfelds.

Zunächst muss man sagen, dann die Bände sehr wertig gemacht sind. Das Layout ist absolut einfallsreich gestaltet und macht schon alleine von daher Spaß. Die Seiten sind abwechslungsreich und präsentieren somit adäquat den unterhaltsamen Inhalt.

Ob es die drei Züge sind, die der Kaiserin gleichzeitig für ihre Reisen zur Verfügung gestanden haben oder, dass ihre Milchzähne erhalten geblieben sind – es gibt immer noch Dinge, die selbst die Sisi-Kennerin so nicht auf dem Schirm hatte.

Bislang hatte ich auch nicht gewusst, dass Sisi an keinem Eisenstück, ob Nagel oder Hufeisen, vorbeigehen konnte ohne es mitzunehmen.
Dahinter steckte tatsächlich Sisis Aberglauben.
Meine persönliche Mutmaßung ist, dass dieses Sammeln vom Wertstoff Eisen auch der Ursprung des „Stock im Eisen“ in Wien ist, über den ich in meinem Steady- Blog geschrieben habe.

Natürlich bleibt auch ihre Ermordung sowie ihr Nachruhm nicht unerwähnt. Wobei hier – nicht ganz unerwartet – Romy Schneider mit ihren Sissi-Filmen hervorsticht. So kitschig die Filme heute erscheinen mögen – sie bleiben doch die Ursache dafür, dass man sich der Kaiserin heute überhaupt noch erinnert.

Selbstverständlich habe ich auch nach inhaltlichen Fehlern gesucht, aber keine finden können. Das passt zu dem ganzen Buch: es ist unterhaltsam, aber nicht oberflächlich gemacht.
Kein Wunder, denn Andy Englert ist ein ausgewiesener Kenner der Materie: seit mehr als dreissig Jahren befasst er sich mit Königshäusern. Derzeit ist er – laut Klappentext – stellvertretender Chefredakteur von „Frau im Spiegel“ und „Royal“. Außerdem arbeitet er als Royal- Experte für das Schweizer Fernsehen SRF.

Und um es nicht zu vergessen: Am Ende gibt es einen Multiple Choice- Test, bei dem man schauen kann, ob man auch gut aufgepasst hat beim Lesen.

Wenn ihr euch beeilt und meinen zugehörigen Film auf meinem YouTube Kanal „KTT -Kronen, Tee und Traditionen“ anschaut, könnt ihr noch bis zum Wochenende beim Gewinnspiel mitmachen.
Der Klartext Verlag war nämlich so nett, ein weiteres Exemplar des Buches als Gewinn zur Verfügung zu stellen.

FAZIT:
Ich empfehle das Buch allen, die einen amüsanten Einblick in das Leben der Kaiserin suchen. Vielleicht auch ein kleines Mitbringsel für eine Sisi- Enthusiastin.
Für mich ist es ein wunderbarer Einstieg ins Thema „Sisi“.

Übrigens: Wer nicht genug kriegt von der unterhaltsamen Reihe: es gibt noch viel mehr Titel. Von ABBA bis Klima.
Schaut auf jeden Fall rein! (Spoiler-Alarm: Es gibt auch noch eine Besprechung von mir zum Titel „The Royal Family“ aus dieser Reihe …
Den Band über meinen Lieblingskomponisten Richard Wagner werde ich mir übrigens auch noch zulegen. Da bin ich schon sehr gespannt!

FAKTEN:
Andy Englert: Sisi – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten, Klartext Verlag 2023, 120 Seiten, 16,95 Euro

AUSBLICK:
Am Ende des Buches findet ihr übrigens eine Werbeanzeige für „Sissi – Köstlichkeiten aus der kaiserlichen Küche“ von Nicole Kleinhammer und Sebastian Kadas, ebenfalls aus dem Klartext Verlag. Und nun ratet mal, welches wunderbare Buch (ich schwöre – es wird euch umhauen!) ich demnächst kochenderweise vorstellen werde?!