Florence ist fertig

Die Rohfassung der Florence ist fertig.
Das ist die große Neuigkeit der Woche.
Wenn ich zunächst auch gedacht hatte, es würde noch ewig weitergehen, kam der Schluss dann doch ganz plötzlich.

Mal ein ganze anderes Cover

Während der Nebel um unser Haus wallt, konnte ich Florence‘ Geschichte abschließen.
Es war eine traurige Lebensgeschichte, die man eigentlich niemandem wünscht.
Aber vielleicht auch in seinen Extremen ein exemplarisches Frauenleben der Zeit.

The end sucks …
Dieses Gefühl kennt wohl jeder Autor. Du hast die Geschichte beinahe zu Ende erzählt, musst aber beim Schluss immer noch etwas Besonderes leisten, damit sich die Leser an dich und deine Bücher erinnern. Und zwar so, dass sie Lust bekommen, mehr von dir zu lesen, denn es gibt ja nicht gerade wenige zum Schreiben Berufene da draußen.

Im Fall von Florence war es doppelt schwierig, denn ich musste eine gutes Ende finden, was vor dem Hintergrund, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, nicht gerade einfach war.

Man leidet mit Florence durch alle Stadien ihres schwierigen Lebens und hofft mit ihr und für sie auf ein gutes Ende.
Nachdem die Anhörung abgeschlossen ist, so denkt man, sollte sie ein neues, besseres Leben habe anfangen können. Sich besinnen. Vielleicht mit ihrem Bruder William England verlassen. (Was er ihr auch angeboten hatte, denn er zog nach Abschluss des Skandals nach Australien) Eine Option wäre vielleicht auch gewesen, zu ihren Eltern nach Buscot zurückzukehren.
Nichts davon machte sie wahr.
Stattdessen kaufte sie ein kleines Haus in Southsea und soff sich zu Tode.

Man muss es so krass sagen, denn Florence Bravo starb langsam und qualvoll. Hatte sie zuvor auch schon ein auffälliges Trinkverhalten gehabt, so gab sie sich nach Ende der Anhörung komplett der Trunksucht hin.
In ihren letzten Tagen hatte sie aber auch die Stütze durch ein Familienmitglied – ihren Onkel James Orr, der von der besorgten Familie aus Schottland gerufen worden war, um nach Florence zu sehen und diese mit nach Schottland zu nehmen.

Als er in Southsea ankam, war allerdings schon alles zu spät. Er fand seine Nichte in einem desolaten Zustand. Ja, eigentlich schon fast tot. Sie war geistig umnachtet und körperlich am Ende.
Der Alkohol forderte seinen Tribut.
Ihre letzten Worte waren: „Save me!“ („Rette mich!“).
Er konnte es naturgemäß nicht.
James Orr blieb nur, die Tote nach Faringdon zurückzubringen (der Ort, zu dem Buscot, der Landsitz ihrer Eltern gehört), wo sie in einem unmarkierten Grab beigesetzt wurde.

Heute erinnert noch eine kleine Steinplatte daran, die aber dringend mal der Säuberung bedürfte. (Ich habe mir vorgenommen, wenn ich abermals dort hinreisen sollte, eine Bürste und Putzmittel mitzunehmen und den Stein von den Flechten sauber zu schrubben.)

Warum die Familie sich zu dieser Beisetzung entschied, konnte ich nicht herausfinden. Ich denke aber, man wollte – im wahrsten Sinne des Wortes – Gras über die Sache wachsen lassen. Zudem es auch keine Kinder gab, die zum Trauern an das Grab hätten gehen wollen.
Natürlich hätte es noch die Option einer Beisetzung an Charles‘ Seite gegeben, aber auch davon hat man abgesehen.

Nun aber zurück zu meinem Problem mit Florence‘ Ende:
Ich habe mich nämlich die ganze Zeit gefragt, in wieweit man einen solchen Ausgang den Lesern zumuten kann. Schließlich muss ich schon bei den Tatsachen bleiben und ihr Ende so vorstellen, wie es auch tatsächlich war: grausam!

Eine Zeitlang habe ich auch mit dem Gedanken gespielt, es tatsächlich umzudeuten, aber dies erschien mir doch nach einiger Überlegung nicht redlich.
Man kann in einem Roman, der auf wahren Ereignissen basiert, Dinge umstellen in ihrem zeitlichen Ablauf. Man kann die Handlungen umdeuten und die Charaktere den Gegebenheiten anpassen. Aber aus einem elenden Tod kann man kein Happy End zaubern.
Und ich hätte sie weiß Gott gerne mit ihrem geliebten James in den Sonnenuntergang reiten lassen.

Ich habe mich für eine andere Variante entschieden. Wie diese aussieht, werdet ihr bald persönlich sehen können, denn verraten will ich hier noch nichts …

Charles Bravos Grab auf dem West Norwood Cemetery
Prof. Robert Flanagan (Vorsitzender des Freundeskreises des West Norwood Cemetery und profunder Kenner des Friedhofs) und ich an einem sehr heißen Sommertag am Grab von Charles Bravo; Bob führte mich auch noch zu den Gräbern anderer Anhörungs- Beteiligter.

P.S. Ich wollte natürlich auch zu Charles Bravos Grab gehen und recherchierte, dass er auf dem West Norwood Cemetery begraben wurde. Als ich dort wegen der Lage des Grabes nachfragte, bekam ich Antwort von Prof. Flanagan, der mir mitteilte, dass ich das Grab nicht auf eigene Faust würde finden können. Er werde mich aber gerne persönlich hinführen.
Ich bekam von ihm aber nicht nur eine Begleitung zum Grab, sondern auch noch einen Rundgang über den Friedhof, wo er mir jede Menge historisch und künstlerisch wertvolle Grabmäler zeigte.
Im Zuge dieses Spaziergangs durfte ich auch den Erben der Doulton Porzellanmanufaktur kennenlernen, der gerade nach einem der Familiengräber schaute.
Mr. Doulton gestattete mir, das Innere eines der Mausoleen seiner Familie von innen zu fotografieren.

Ach – ich merke gerade, dass dies einen eigenen Post verdient hat.

Ich bitte um Geduld, aber ich verspreche: Ich werde über den West Norwood Cemetery ausführlicher schreiben!