Die Königin wünscht …

Die Königin wünscht …

„Die Königin denkt …“ – So kann man es in zahlreichen Briefen lesen, die Queen Victoria an Premierminister, Minister, Schriftsteller, Maler, Ärzte, Könige, Kaiser, Musiker, Polizisten, Beamte, Offiziere, Abgeordnete, Grafen, Barone … geschrieben hat.

Die Königin“ – Victoria schrieb bei Briefen, die sich nicht an Angehörige richteten oder allgemein privater Natur waren, von sich in der dritten Person.
Das erinnerte mich stark an die von mir so sehr verehrte Maria Callas, die von sich als Sängerin ebenfalls immer nur in der dritten Person sprach.

In Julia Bairds Biografie der Königin Victoria, die ich euch heute vorstellen darf, ist mir dieses Phänomen immer wieder aufgefallen. Diese Trennung zwischen der öffentlichen Person und dem privaten Menschen.

Baird schafft es, diese Aufspaltung der Königin zu erklären und nachvollziehbar zu machen und das in einer denkbar spannenden Art und Weise. Seite um Seite habe ich verschlungen ohne mich auch nur ein einziges Mal zu langweilen.
Beinahe romanhaft schildert sie das Leben dieser ganz und gar durchschnittlich überdurchschnittlichen Frau.
Beispiel gefällig?

„Victoria lag auf dem Bett und war außer sich. Noch nie hatte sie sich so elend gefühlt. Ihr Kopf hämmerte. Ihr war übel, seit Tagen plagte sie hohes Fieber und ihre Wangen waren so eingefallen, dass sie sich im Spiegel kaum mehr erkannte. Neben ihr stand die geduldig Kümmel kauende Baroness Lehzen, auf der anderen Seite des Raumes jedoch stand wie erstarrt die Herzogin von Kent und blickte mit geballten Fäusten unverwandt aus dem Hotelfenster, von wo aus der Strand von Ramsgate in der Abendsonne zu sehen war.“

Eine Szene, die genau so eins zu eins in einem Roman vorkommen könnte. Doch man sollte sich durch diese Lesbarkeit nicht irritieren lassen: es handelt sich um eine hervorragend recherchierte Biografie der Königin, bei der sogar im Anhang die Einteilung in Primär- und Sekundärquellen vorbildlich wissenschaftlich ist.

Das große Phänomen in Victorias Leben ist und bleibt für mich die Trennung ihres Lebens in v.A. und n. A.
VOR ALBERT und NACH ALBERT.
Allerdings wird diese Aufteilung auch in Bairds Buch problematisch.
Zu Erklärung: wir lernen mit Victoria eine junge Frau kennen, die bis zu jenem Tag da sie Königin von England wurde, eindeutig von ihrer Mutter, der Herzogin von Kent, und deren Liebhaber, Sir John Conroy, dominiert wurde. Die Mutter schlief sogar in Victorias Zimmer. Jeder ihrer Schritte wurde überwacht und für jede Bewegung erhielt sie von den beiden Anweisungen. Jeder ihrer Gedanken schien nur dahin zu gehen, ob sie der Mutter dieses und jenes zumuten könne.

Als dann aber die Krone auf ihr Haupt gesetzt wurde, änderte sich alles.
Hatten sich eben nicht nur die englischen Politiker und Diplomaten Gedanken gemacht, wie die neue, junge Königin einzuschätzen sei, gab es bald keinerlei Fragezeichen in den Köpfen der Herren mehr.
Die Abschirmung der künftigen Königin war derart vollständig gewesen, dass alle vollkommen verunsichert waren, mit was da zu rechnen sei.
Victoria aber setzte sich energisch und selbstbewusst auf den Thron. Ohne Zögern oder Zaudern ergriff sie die Macht. Entschlossen – wie sie selbst schrieb – „gut zu sein„.

Mit einem entschlossenen Befreiungsschlag sperrte sie nunmehr ihre Mutter – wortwörtlich – aus, denn diese musste Victorias Schlafzimmer räumen. Conroy wurde in die Eiszeit entlassen. Alleine Baroness Lehzen, ihre alte Kinderfrau, blieb beständig als Ratgeberin und Vertraute an Victorias Seite.

Victoria regierte, als hätte sie nie etwas anderes getan. Voller Fleiß und Energie durchackerte sie bei Tag die Regierungspapiere, während sie die Nacht durchtanzte.
Selbst mehrere auf sie verübte Attentate überstand sie mit stählernen Nerven. Wenn sie – alleine in ihren Räumen – dann auch bebte und zitterte, so setzte sie sich doch am nächsten Tag wieder in ihre offene Kutsche und ließ sich durch London chauffieren. Jeder – absolut jeder – sollte sehen, dass sie zwar jung und eine Frau war, sich aber nie und nimmer einschüchtern lassen würde.

Die Engländer begannen, ihre Königin nicht mehr nur zu lieben, sondern zu respektieren.
Und ihre Königin? Sie bewegte sich wie ein Fisch im Wasser.

Dann aber kam die leidige Frage der Heirat. Victoria brauchte einen Ehemann und zum ersten Mal wurde sie sich ihrer Anomalie als Frau auf dem Thron bewusst.

Baird schildert diese Situation ohne zu verurteilen oder Partei zu ergreifen. Das macht hier, wie an manch anderer Stelle, die große Qualität des Buches aus. Neutral schildert sie die Gemütslage Victorias, die sie aus zahlreichen Quellen erschließt. Das erste Treffen mit Prinz Albert, aus dem beide wenig enthusiastisch herausgehen. Albert, der wenig attraktive, stets kränkelnde deutsche Prinz, der immer nur ernst ist und kaum die Überfahrt über den Ärmelkanal unbeschadet überstanden hat.
Soll der sie etwa amüsieren und die Nächte durchtanzen? Wohl kaum …
Victoria hingegen – klein, pummelig und wahrhaftig keine Intellektuelle in Alberts Augen, war für den recht mittellosen Prinzen auf der Suche nach einer Lebensaufgabe, alles andere als ein automatisches Love-Interest.
Beim zweiten Anlauf hatte die Beziehung dann aber bessere Karten und tatsächlich verliebten sich die beiden. Wobei Albert zurückhaltender schien als Victoria. Diese aber war ihrem Mann vollkommen verfallen.

Und mit der Hochzeit und der ersten Schwangerschaft Victorias kommt der Bruch in Victorias Leben: Dem Namen nach ist sie noch immer Königin, tatsächlich aber überlässt sie während der Schwangerschaften die Regierungsarbeit weitgehend Albert. Er wird Schritt für Schritt König – außer dem Namen nach.
So lange Albert lebt, ist das vorliegende Buch dann mehr eine Albert- denn eine Victoria-Biografie.
Das finde ich persönlich nicht schlimm, doch ich hätte gerne mehr darüber gewusst, wie der Alltag einer Königin mit permanent wachsender Kinderschar aussah. Wie sie de facto die beiden Leben vereinte.
So wie es Baird herausarbeitet, hat sich Victoria ihrem Mann in diesen Jahren völlig untergeordnet. Sie hat ihn sogar für den Fall ihres Todes als Regenten für den künftigen König eingesetzt.
Ein Regent, der sogar ohne Rat regieren konnte.
Das Buch stellt Victoria vor und nach Albert am intensivsten dar, womit es Victorias persönlicher PR-Aktion unterliegt und sie auf Rolle des Heimchens am Herd reduziert.

Die andere Schwachstelle liegt meines Erachtens nach in der Einschätzung der Figur Kaiser Wilhelms. Baird betrachtet ihn zu negativ. Er wird als unerwünschter Aufdringling in London dargestellt, was aber nach meinem Kenntnisstand nicht zutrifft. Im Gegenteil. Queen Victoria hat „Willy“ sehr geliebt und sie starb sogar in seinen Armen.
Es muss einen Grund gegeben haben, dass sie so über seine Fehler hinweggesehen hat und gleichzeitig ihre Tochter und deren Ablehnung des behinderten Sohnes sehr kritisch kommentiert hat.

In diesem Zusammenhang hätte ich mir ein paar mehr Details über Vicky in Berlin gewünscht. Es wird nur angedeutet, wie unglücklich sie dort war. Gewiss, es ist eine Victoria und keine Vicky- Biografie, trotzdem hätte ich das spannend gefunden.
Seltsamerweise erfährt Victorias Enkel Eddie (ja – der, den manche für den Ripper halten) die gegenteilige Behandlung. Der Mann, der ein denkbar liederliches Leben geführt hat und in diverse Skandale rund um Homosexuellen-Bordelle verwickelt war, taucht plötzlich als netter Kerl auf, dem man all die schlimmen Sachen ungerechtfertigterweise vorwirft. Hier hätte ich mir schon gewünscht, wenigstens den einen oder anderen Beleg zu bekommen.

Neutral geschildert werden der schottische Begleiter der Königin John Brown und Abdul Karim, ihr „Munschi“ (= Sekretär).
Dass Brown und die Queen verheiratet waren – dafür gibt es keinen Beweis. So viel sei bereits gesagt. Und die positive Wertung, die der Munschi in dem berühmt gewordenen Film mit Dame Judi Dench erfährt, dürfte nach Einschätzung Baird auch nicht haltbar sein.

Auch Victoria selbst wird von Baird durchaus kritisch gesehen. Sie arbeitet sehr schön heraus, dass Victoria sich immer dann am intensivsten eingesetzt hat, wenn sie persönlich betroffen war. Albert hingegen hat stets ein Problem zum Anlass genommen, nicht nur praktische Lösungen zu entwickeln, sondern auch strukturelle Schwachstellen zu erkennen und diese auszumerzen. Dies auch wenn er nicht persönlich betroffen war.

In dieses Themengebiet gehört auch die Behandlung des Krim- Krieges und des Burenkrieges. Victorias damalige Haltung kann man heute natürlich nicht unkritisch stehen lassen. Vor allem auch bei der Irland- Frage zeigt Baird, wir fragwürdig Victorias Haltung den zu hunderttausenden verhungernden Iren gegenüber war. Sie verstand einfach nicht, wo die Mitschuld Londons an der Misere der Iren lag und entsprechend waren ihre Unterstützungsmaßnahmen – vorsichtig gesagt – fragwürdig.
Baird untersucht immer wieder Victorias Entscheidungen und beleuchtet dadurch auch die problematische Tatsache, dass ein Land einem (nicht gewählten) König/ Königin beinahe hilflos ausgeliefert war, wenn diese(r) falsche Entscheidungen traf. Wobei im englischen Fall natürlich immer noch das Parlament einen gewissen Ausgleich liefern konnte.

Am Ende bleibt bestehen, dass eine zuverlässige Quellenauswertung bezüglich Victorias schwierig ist, denn sowohl die Tagebücher Victorias wie auch ihre Briefe wurden redigiert, respektive vernichtet. Ebenso wie viele Erinnerungsstücke, die die Königin aufbewahrt hatte.

Als Fazit kann ich sagen, dass das Buch eine rundum gelungene Biografie ist (mit den oben genannten winzigen Einschränkungen), das ich jedem empfehlen kann.
Es liest sich spannend und flüssig, selbst für jene, die Sachbücher normalerweise nicht gerade schätzen.

Von daher: Daumen hoch für diese hervorragende Biografie einer hervorragenden Königin.

FAKTEN:
Julia Baird: Queen Victoria – Das kühne Leben einer außergewöhnlichen Frau, wbg Theiss Verlag, 2018, 596 Seiten, 19,95 €


Die Diamanten der Queen – Buchpräsentation

Die Diamanten der Queen – Buchpräsentation

Copyright: Gerstenberg Verlag

Sechs Königinnen und gaaaanz viele Schmuckstücke

Als ich dieses Buch im Mai im Shop des Buckingham Palace im englischen Original in Händen gehalten habe, war ich augenblicklich hin und weg.
Es verbindet nämlich alles, was mich an diesem Thema interessiert: fabelhafte Fotos, Königinnen, Royalty und – SCHMUCK!

Verteilt auf über 300 Seiten findet ihr aber nicht nur Details zu den Schmuckstücken und Informationen zu den Trägerinnen – es gibt auch ein hervorragendes Glossar und einen Stammbaum ab George III.

Copyright: Gerstenberg Verlag

Die innere Struktur des Buches bewegt sich an den Biografien der Königinnen seit Queen Adelaide bis Elizabeth II entlang, wobei jedem Kapitel eine kleine Biografie der Königin vorangestellt wird.
Wir lernen dann die wichtigsten Stücke kennen und finden sie auf diversen Porträts der Königinnen wieder.

Schnitzeljagd für Fortgeschrittene

Das ist nun etwas richtig Cooles bei dem Buch – man kann sich auf Porträt-Schnitzeljagd begeben.
Will sagen: Seit ich das Buch gelesen habe, macht es mir einen Riesenspaß, die Porträts der Königinnen durchzugehen und die jeweils getragenen Juwelen zu erkennen.

Tipp hier: Es geht um eine Tiara in verschiedenen Tragevarianten
Copyright: Gerstenberg Verlag

Die Greville Erbschaft
Mit Margaret Greville, der schottischen Bierbrauer-Erbin, lernen wir einen wirklich zweifelhaften Charakter kennen, die von Cecil Beaton als „galoppierende, neidische, arrogante alte Kröte“ bezeichnet wurde, „der das Wasser beim Anblick von Königen im Mund zusammenläuft, und die in ihrem Leben nie für jemanden etwas Gutes getan hat, außer für die Reichen.“
Und Lady Leslie fügte an: „Maggie Greville – ich hätte lieber ein offenes Abwasserrohr in meinem Wohnzimmer.“

Nun – womit hat die gute Margaret dieses vernichtende Urteil verdient? Genau weiß ich es natürlich nicht, aber ich habe mir vorgenommen, es herauszufinden, denn nachdem Margaret verwitwet war, schaffte sie es, ihren Ruf als Gastgeberin der Chromklasse aufrecht zu erhalten.
Ihre Empfänge waren derart beliebt, dass es nicht mal der Prince of Wales schaffte, die Treppe zu den Empfangssälen hochzukommen, weil sich die Gäste dort derart drängten.
Also muss wohl etwas an ihr gewesen sein, das die Leute angezogen hat.

Nach ihrem Tod wurde die Königinmutter zur Nutznießerin der von Margaret angehäuften Juwelen. Hatte Greville nämlich zu Zeiten als der spätere König George VI noch Duke of York war und nicht davon auszugehen war, dass er jemals König würde, zugesagt, ihren Landsitz Polesden Lacey dem Freund zu hinterlassen, vererbte sie das Schloss tatsächlich an den National Trust.

Wahrscheinlich dachte sie, dass er als König nicht noch ein Schloss bräuchte.
Zum Ausgleich aber erhielt die Königin Elizabeth die Königin Mutter ihren gesamten Schmuck.

Hier seht ihr die Greville Honigwaben Tiara, die heute bevorzugt von Queen Camilla getragen wird
Copyright: Gerstenberg Verlag

Die Begeisterung für das Erbe hinderte die Königin Mutter allerdings nicht daran, diverse Stücke komplett verändern zu lassen.

Das ist übrigens etwas, das ihr in dem Buch „Die Diamanten der Queen“ immer wieder findet: wie stark die einzelnen Schmuckstücke verändert wurden. Teilweise wurden sie komplett auseinander genommen und die Steine zu etwas vollständig Neuem zusammengefügt.

Version 1901
Version 1921
Copyright: Gerstenberg Verlag

Oben auf dem Bild seht ihr ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man mit den Schmuckstücken umging. Auf dem oberen Bild seht ihr die Tiara, die Boucheron 1901 für Mrs Greville angefertigt hat. In den 20er Jahren ließ sie dann die komplette Tiara auseinandernehmen und die wesentlich geometrischere Honigwaben- Tiara kreieren.
Jetzt ist es natürlich eine Frage des persönlichen Geschmacks, was man hübscher findet.

Tatsächlich stellt das Buch mehrere Fälle vor, bei denen massiv in das Design eines Stückes eingegriffen wurde.
Hierbei tauchte für mich die Frage auf, ob es den Königinnen tatsächlich freisteht, historische Stücke so intensiv umarbeiten zu lassen und ob es keine Fachleute gibt, die da gegebenenfalls einschreiten.
Was mich zur Queen bringt, die scheinbar solche Eingriffe nie hat vornehmen lassen.
Sie trug die meisten Stücke tatsächlich unverändert. (Ich denke, die Queen war einfach auch kein kreativer Mensch. Wenn sie einmal eine Sache für brauchbar erachtet hat, hat sie sie unverändert über Jahrzehnte beibehalten. Das galt sogar für ihren Ehemann …)


Auch schön von hinten

Nein, das ist keine anzügliche Bemerkung, sondern eine absolut passende Feststellung, wenn es um royalen Schmuck geht.

Vorder, -oder Rückseite?
Copyright: Gerstenberg Verlag

An dieser Brosche Ihrer Majestät könnt ihr sehen, was ich meine. Sie ist von der Rückseite ebenso schön gearbeitet, wie wenn man sie vorne betrachtet …

Hier seht ihr auch noch einmal das filigran auf der Rückseite eingearbeitete EIIR (= Elizabeth II Regina)
Wer übrigens wissen will, wie die Brosche von vorne aussieht, muss sich dringend das Buch besorgen …


Der Cullinan Diamant und seine „Geschwister“

Wie die meisten sicherlich wissen, ist der Cullinan Diamant der größte jemals gefundene Diamant. Er war so gewaltig, dass er 1908 in Amsterdam von Joseph Asscher in 105 Steine gespalten werden musste, um überhaupt weiter bearbeitet werden zu können.
Es entstanden dadurch neun große und 96 kleine Steine.
Die Geschichte dieses wohl großartigsten Diamanten der königlichen Sammlung stellt der Autor ebenfalls vor.

Hier sehen wir Joseph Asscher mit seinem Team bei der Überlegung, wie der Stein zu spalten sei …
Copyright: Gerstenberg Verlag

Und hier trägt Ihre Majestät die große Cullinan- Brosche sowie den Cullinan IX als Ring.


Das ist übrigens so ein Fall, bei dem ich mich fragte, wie man es schafft, dass ein solch gewaltiger Stein den Stoff des Kleides nicht bis auf den Boden zieht.
Tatsächlich erklärt Roberts auch das …

FAZIT


Dass ich das Buch großartig finde – ich denke, das ist bereits klar geworden. Es ist ein wunderbarer Titel, der mit ungeheuer viel Liebe und Expertise gemacht wurde.
Wenn man vielleicht auch keine Tiara vererben kann, so tut dieses Buch den gleichen Dienst.

Selbstverständlich ist es mit 79€ nicht gerade billig, aber absolut preis-wert.
Nicht nur, weil qualitativ alles stimmt, sondern weil man es aufgrund seiner Schönheit immer wieder gerne aufschlägt.
Ich selbst habe es auf einem Ständer präsentiert, sodass ich immer andere Seiten aufschlagen und betrachten kann.
Von daher ist es sogar ein kleines Kunstwerk.

Ich hoffe sehr, dass es noch einen weiteren Band geben wird, wo Roberts sich vielleicht mit den Farbsteinen (Smaragde, Rubine etc) der königlichen Juwelen befasst. Auch würde mich interessieren, inwieweit König Charles III sich um das Thema kümmert. (Ob er da genauso involviert ist, wie seinerzeit Prinz Albert?)

Was ich definitiv aus dem Buch mitnehme, ist ein tiefer Respekt alleine schon für den handwerklichen Aspekt dieser Juwelen.

Tatsächlich ist der Titel aber auch ein Zeitdokument, denn wenn ich die jüngere Generation der Royals (Princess Catherine, Princess Beatrice, Princess Eugenie, Zara Tindall etc) betrachte, sehe ich keine unter ihnen, die eben jene Juwelen tragen würde wie z.B. noch die Queen.
Die Prinzessin von Wales hatte nicht einmal bei der Krönung eine Tiara auf.

Bei ihrer Hochzeit sah man sie ebenfalls nur mit der sehr dezenten Halo-Tiara.
Die letzte Trägerin dieser Stücke dürfte wohl Königin Camilla sein und dies womöglich auch nur, weil der König seine Frau gerne so geschmückt sieht. (Sie selbst trägt privat ja praktisch keinen Schmuck).

Von daher gehe ich davon aus, dass wir diese wunderbaren Stücke künftig nicht mehr an der Frau, sondern bestenfalls noch irgendwann im Museum sehen werden.
Das ist natürlich auch toll, aber doch nicht das gleiche. Oder?

Infos:
Roberts, Hugh: Die Diamanten der Queen, Gerstenberg Verlag 2012, 320 Seiten, 79€

Einen Film von mir zum Buch gibt es natürlich auch: https://youtu.be/wKjrLuuat_Y

Jack the Ripper – Symphonie des Grauens

Der Diebstahl eines schlichten Damenhuts reißt die junge Modistin Elizabeth mitten hinein in jene Mordserie, die noch mehr als hundert Jahre später die Welt in Atem hält. Doch damit stört sie die Kreise des Londoner Polizisten Harris, für den sie bald mehr als nur kriminalistisches Interesse entwickelt. Dann aber geraten die Dinge außer Kontrolle und Elizabeth muss um ihr Leben kämpfen, denn sie hat ungewollt in ein Wespennest gestochen …

Mord in der Priory – Das Geheimnis der Florence Bravo

Was für ein seltsames Gefühl, wenn man nach so langer Zeit der Recherche und des Schreibens sein neuestes literarisches Kind auf die große Bühne entlässt.

Es sind viele Jahre her, dass ich zum ersten Mal mit der Geschichte der Florence Bravo in Berührung kam. Es geschah – wie so viele Begegnungen in meinem Leben – über ein Gebäude.
Nämlich die Priory in Balham/ London.

Hier seht ihr den Haupteingang des Hauses, das heute, in mehrere Apartments aufgeteilt, vermietet wird.
Der ehemals großzügige Garten, der Florence‘ ganzer Stolz war, ist mittlerweile wesentlich verkleinert worden.
Sie war eine begeisterte Gärtnerin und wenn ihr das Foto genau anseht, erkennt ihr am oberen Rand eine Eiche. Diesen Baum hat Florence noch selbst gepflanzt.

Wir werden im Mai nach London fahren und bei der Krönung dabei sein. Bei der Gelegenheit werde ich auch zur Priory fahren und mich dort umsehen. Vielleicht sieht mich ja ein netter Bewohner und lässt mich ins Haus, damit ich mal ein bisschen umschauen kann. Das wäre natürlich toll.

=========== ACHTUNG! SPOILERALARM!!!! ==========


Florence Bravo, geborene Campbell, verwitwete Ricardo (5. September 1845 – 17. September 1878) steht im Mittelpunkt meines Romans, der uns ins England der Königin Victoria führt.
Als Tochter eines erfolgreichen Unternehmers in Australien geboren, heiratete sie mit nur 19 Jahren den Offizier Alexander Ricardo.
Die Ehe geriet sehr bald in Schwierigkeiten. Ricardo entwickelte sich zum wirtschaftlich erfolglosen Alkoholiker, nachdem er die Armee verlassen hatte.
Florence verließ ihn, nachdem er ihr gegenüber gewalttätig geworden war. Um das Gesicht zu wahren, schickten ihre Eltern sie in ein Sanatorium in Malvern, wo die damals hochmoderne Wassertherapie praktiziert wurde.
Der wesentlich ältere, verheiratete Dr. James Gully leitete die Klinik und galt als einer der Pioniere auf dem Gebiet. Er stand unter anderem auch mit dem bei uns bekannten Pater Sebastian Kneipp in regem Austausch.

Bald entstand zwischen Gully und Florence eine enge Beziehung. Sie verliebten sich. Da beide verheiratet waren, schien es keine Lösung zu geben.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse im Hause Ricardo entspannten sich nach dem Tod von Alexanders Mutter, die ihrem Sohn ein stattliches Vermögen vererbte.
Ricardos Zustand hatte sich zwischenzeitlich weiter verschärft und er war nach Köln gezogen.
Die Scheidung, die Florence anstrebte, zerschlug sich, da Ricardo seine Zustimmung verweigerte. Noch bevor etwas geschehen konnte, starb er in Köln an den Folgen seiner Trunksucht.



Florence, die sein Vermögen erbte, war nun eine reiche, alleinstehende Frau. Sie mietete sich in Balham/ London in der stattlichen Villa The Priory ein.

Sie war nun frei für ihren Geliebten Dr. Gully, der in ein Haus schräg gegenüber der Priory einzog, nachdem er sich in seiner Klinik hatte auszahlen lassen.
Doch Florence wurde enttäuscht. Gully hielt zu seiner Ehefrau, die seit Jahren in geistiger Umnachtung in einem Sanatorium vor sich hinvegetierte.
Er weigerte sich, die Scheidung einzureichen.
Verzweifelt wurde Florence‘ Lage, als sie von Gully schwanger wurde und die Affäre durch einen Zufall bekannt wurde.

Da eine Abtreibung in einem Krankenhaus vollkommen unmöglich war, musste Gully selbst den Eingriff vornehmen.

So, körperlich wie seelisch verwundet, beendete Florence die Beziehung zu Gully. Dies allerdings war nicht ausreichend, um sie in die Gesellschaft zurückzuführen.
Dies versprach sie sich von einer neuerlichen Ehe.



Mit Charles Bravo, einem aufstrebenden jungen Anwalt, durch ihre Gesellschaftsdame Mrs Jane Cox bekanntgemacht, schien die Lösung all ihrer Probleme gefunden.

Die beiden trafen sich nur wenige Male und beschlossen schon, zu heiraten. Florence erhoffte sich gesellschaftliche Anerkennung und Bravo interessierte Florence‘ Geld.
Um reinen Tisch zu machen, gestand sie ihm die Affäre mit Gully, woraufhin er ihr gestand, dass er eine Geliebte sowie ein gemeinsames Kind hatte.
Unter dem Vorbehalt, dass er sich auch weiter um das Kind kümmern könne und sie jeglichen Kontakt zu Gully abbräche, planten die beiden die Hochzeit.

Bravo hatte sich offensichtlich ausgemalt, dass er nun das Sagen über Ehefrau, Haushalt und Vermögen haben würde. Als er aber bemerkte, dass nach einem erst vor Kurzem erlassenen Gesetz eine Frau das Vermögen selbstbestimmt behalten konnte, das sie in die Ehe mit eingebracht hatte, und dass Florence keineswegs vorhatte, ihrem künftigen Mann die Zügel zu überlassen, drohte die Hochzeit kurzzeitig zu platzen. (Es gab eine sehr unschöne Szene als Bravo bei Florence‘ Anwalt vorsprach und dessen Glückwünsche brüsk abwies, mit dem Satz „Ich will keine Glückwünsche – ich will Geld.“)

Es war Dr. Gully, der Florence riet, mir ihrem künftigen Mann zu verhandeln. So überließ sie ihm die Einrichtung der Priory, sowie deren Mietvertrag. Bravo erklärte sich einverstanden und so konnte am 8. Dezember 1875 in Kensington geheiratet werden.
Alles schien sich gut anzulassen. Florence wurde gleich zwei Mal nacheinander schwanger, doch verlor sie jedes Kind nach wenigen Monaten der Schwangerschaft.

Betreut von ihrer Gesellschaftsdame Mrs Jane Cox kam sie nach jeder Fehlgeburt nur langsam wieder zu Kräften.
Ihr Mann aber wurde immer intensiver von Eifersucht geplagt. Dass Dr. Gully nur wenige Schritte von der Priory entfernt wohnte, machte die Sache nicht besser.
Hinzu kam seine stets intervenierende Mutter, die sich von Anfang an gegen eine Hochzeit mit Florence gestellt hatte.

Bravo überzog seine Frau bald mit Drohungen, Streitereien und Gewalt. Seine Stimmungsschwankungen wurden unerträglich.
Die Rekonvaleszenz nach den Frühgeburten wurde von ihm eher unduldsam ertragen und er konnte gar nicht schnell genug ins Ehebett zurückkehren. Wobei Mrs Cox, die bei Florence nächtigte, um sich ständig um sie kümmern zu können, ihm ein steter Dorn im Auge war. Erst wenn Mrs Cox aus dem ehelichen Schlafzimmer auszog, konnte Charles wieder einziehen.

Als beide Frauen an der See kuren wollten, damit Florence sich erholen konnte, verweigerte Bravo seine Zustimmung zu der Reise. Mehr noch: er drohte damit, Mrs Cox zu entlassen. (Er hatte zuvor schon andere Dienstboten hinausgeworfen, was abermals zu Auseinandersetzungen führt hatte.) Geld war bei den Eheleuten ein ständiger Streitpunkt, zumal es für Charles Bravo offensichtlich ein Zeichen seiner Macht als Hausherr war.

Am 18. April 1876 gingen Florence und er gemeinsam nach London. Er hatte am Nachmittag Probleme beim Ausreiten, da das Pferd permanent bockte. Am Abend dann – nach einer heftigen Auseinandersetzung beim Essen – brach er mit Vergiftungserscheinungen zusammen.
Diverse Ärzte eilten an sein Krankenbett, unter anderem der Leibarzt von Königin Victoria. Doch sie alle konnten Bravo nur sagen, dass er innerhalb von Stunden sterben werde.
Er hatte kein Glück und starb nicht innerhalb von Stunden. Seine Agonie dauerte drei volle Tage. Heftiges Erbrechen, Krämpfe und Zeiten der Ohnmacht wechselten sich ab.

Nach seinem Tod kam es zu einer Anhörung zur Todesursache in der Priory, die ohne Ergebnis endete.
Doch seine Freunde und Familie gaben keine Ruhe. Sie waren sich sicher, dass Bravo ermordet worden war, und kämpften dafür, dass dies untersucht würde. Sie verdächtigten Florence.

Tatsächlich uferte die zweite Anhörung zu einem Beinahe- Prozess aus. Es wurden alle mögliche Zeugen gehört, unter anderem das Personal, Mrs Cox, Florence und Dr. Gully.
Alle schockierenden Details wurden ans Licht gezerrt, so auch die Abtreibung.
Die Anwälte der Gegenseite taten alles dafür, Florence Ruf in den Dreck zu ziehen. Es wurde so schlimm, dass die Geschworenen eingriffen und ihr Sprecher sich gegen die Vorgehensweise der Anwälte verwahrte.

Auch diese zweite Anhörung ging ohne Ergebnis zu Ende. Man kam zu dem Schluss, dass Charles Bravo ermordet worden sei, dass es aber keinerlei Beweise, oder auch nur Hinweise auf einen Täter gebe, die eine Anklage rechtfertigen würden.

Es war bitterer Lorbeer, der bei dieser Anhörung verteilt wurde.

Mrs Cox wanderte nach Jamaica aus, wo sie eine Erbschaft antrat. Dr. Gully lebte bis zu seinem Lebensende schräg gegenüber der Priory, zog sich aber vollkommen aus der Öffentlichkeit zurück.
Florence, verfolgt von den Schatten der Vergangenheit, wurde ebenfalls zur Alkoholikerin wie ihr erster Mann. Der Vermieter der Priory hatte ihr gekündigt und sie hatte sich nach Southsea zurückgezogen.
Ihr Onkel kam aus Schottland, um sie mit sich zu nehmen, damit sie sich erholen konnte. Doch als er ankam, war sie bereits in hoffnungslosem Zustand. Von ihm und zwei Dienstmädchen umsorgt, starb Florence am 17. September 1878. Sie überlebte ihren zweiten Mann also gerade mal um zwei Jahre.

Was aus den anderen Beteiligten wurde, könnt ihr natürlich in meinem Buch nachlesen. Dort findet ihr auch Fotos, die ich an Originalschauplätzen aufgenommen habe.

LESEPROBE

Die letzte Schaufel Erde war gerade über dem kleinen Hügel umgedreht worden, als die vier Männer bereits den Sarg über das Loch hoben, um es sodann langsam herabzulassen.

Es musste kurz vor fünf sein, denn gerade hatten die Vögel begonnen zu zwitschern.

Der Wind rauschte im dichten Laub der umstehenden Bäume und der Umriss der St. Mary’ s Church erhob sich undeutlich am Horizont.

Ende September. Es würde nicht mehr lange dauern, und das Grün würde sich verlieren. Das Zwitschern würde enden.

Die kleine Frau in dem schwarzen Umhang – sie hielt ihn mit zwei Fingern zusammen und versuchte gleichzeitig, die Hände im Gebet zu verschränken – blickte in den dunklen Abgrund, der den Sarg aufgenommen hatte. Man konnte bereits riechen, dass der Herbst nahte. Im kühlen Nachtwind verlor sich der sanfte Duft von Astern und den letzten Rosen.

Sie sprach ein leises Vaterunser, währenddessen die Arbeiter – die Mützen in Händen, die Köpfe gesenkt – schweigend mitbeteten.

Als die Frau, deren Gesicht selbst ohne den Schleier nicht zu erkennen gewesen wäre in dieser nur von Fackeln erhellten Nacht, geendet hatten, hoben sie fast gleichzeitig die Köpfe, setzten ihre Mützen auf und begannen, die Erde in das Loch zurück zu schaufeln.

Einer von ihnen stand schon bereit mit der ersten Grassode, um diese sorgsam auf das frische Grab zu legen.

Sie würden sich in ein paar Wochen wieder darum kümmern, wenn das Grab sich gesenkt hatte.

Wie in stummem Gruß nickte die kleine Frau noch einmal in Richtung des Grabes, wobei nicht klar war, ob diese Geste nicht vielleicht den Arbeitern gelten mochte.

Dann wandte sie sich ab und bewegte sich scheinbar schwebend in Richtung der Kirchhofpforte mit dem kleinen Dach.

Der Himmel riss in der Ferne auf und das tiefe Anthrazit machte an jener Stelle einem matten Blau Platz.

Als sie sich dem Tor näherte, traten drei kleine Gestalten aus dem hölzernen Bogen.

Die kleine Frau hob eine Reisetasche an, auf die die drei Buben scheinbar aufgepasst hatten, und verließ sodann den Friedhof.

Jeder der Jungen hatte seinerseits eine Tasche oder einen kleinen Koffer.

„Es ist vorbei“, sagte sie verhalten, als wollte sie keinerlei Aufmerksamkeit mit ihren Worten erregen.

Die Jungen antworteten nicht, sondern gingen schweigend neben ihr her in Richtung der Dorfstraße von Buscot.

Gedenkstein auf dem Kirchhof von Faringdon

Zum Sterben schön …

Von Tapeten und Erbschaftspulver

Lasst mich mal ein paar Schlagworte in den Raum werfen —-

William Morris – Tapeten – Queen Victoria – Hexenjagd – Napoleon – Dschabir Ibn Hayyan – Grün – Scheele – Emma Bovary – Gesche Gottfried – Jack the Ripper —

Ich könnte die Aufzählung schier endlos fortsetzen und würde sicherlich mehr Verwirrung denn Klarheit stiften.

Was aber ist der gemeinsame Nenner all dieser Schlagwörter? Nun …

ARSEN!!!!

Der Stoff, der Generationen in Angst und Schrecken versetzt hat, wurde besonders im 19. Jahrhundert als so genanntes „Erbschaftspulver“ eingesetzt. Der Giftmord kam auf breiter Front ganz groß in Mode.
Wenn auch Dumas in seinem „Graf von Montechristo“ eher abriet, zu dieser Methode zu greifen (sie war ZU populär und deswegen dachte bei jedem unklaren Todesfall jeder zuerst an Arsen …)
Dennoch griff man gerne zu. Arsen war weit verbreitet und wurde in Haushalten z.B. zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt.

Arsen gab es also in jedem Haushalt. Es fand sich in Fliegenpapier und wurde gegen Ratten gestreut. Man bekam es praktisch überall zu kaufen und – zumindest in England – bis 1851 ohne irgendwelche Beschränkungen. Erst danach wurden Giftregister eingeführt und nur noch konzessionierte Händler, wie z.B. Apotheker, durften Arsen verkaufen.
Auch der Verkauf an Kinder wurde verboten (!)
Die Arsen- Vergiftung wiederum war nicht ganz so klar nachweisbar, wie man vermuten würde. (Bis die entsprechenden forensischen Nachweise entwickelt wurden). Durchfall und Erbrechen, die hervorstechendsten Symptome, kamen in der gleichen Form bei diversen Infektionskrankheiten und auch bei schweren Lebensmittelvergiftungen vor, die im 19. Jahrhundert wesentlich häufiger auftraten als heutzutage.

Wie kommt nun Jack the Ripper in dieses düstere Bild?
Vielleicht sagt den Name James Maybrick all jenen etwas, die sich mal mit den verschiedenen Kandidaten für die Täterschaft befasst haben. James Maybrick gilt vielen als ganz heißer Kandidat.
Der vermögende englische Baumwollhändler schrieb aber noch aus einem anderen Grund Kriminalgeschichte:
Der doppelt so alte Mann lernte 1881 die junge Amerikanerin Florence Chandler kennen. Kurz darauf heirateten die beiden. Die Ehe wurde zur Katastrophe. Beide hatten außereheliche Affären und Maybrick misshandelte seine junge Frau. Als er 1889 nach kurzer Krankheit verstarb, entstanden schnell Gerüchte, seine Frau habe sich seiner entledigt.
Zudem entstand die Theorie, er habe im Jahr zuvor die ominösen Whitechapel- Morde begangen. Die Mordserie habe eben deswegen geendet, weil der Täter seinerseits selbst Opfer eines Mordanschlags geworden sei. Dies wurde in den 1990er Jahren in einem angeblich authentischen Tagebuch beschrieben, was sich aber später als Fälschung erwies. (Aber das ist für einen anderen Tag … 😉 )
Florence Maybrick wurde angeklagt und nicht zuletzt die Aussage eines Dienstmädchens, das sie dabei beobachtet hatte, wie sie Fliegenpapier in Wasser tränkte (angeblich um sich ein Schönheitswässerchen selbst zu brauen), erwiesen sich als verhängnisvoll.
Florence Maybrick wurde verurteilt, doch nach 14 Jahren in Haft freigelassen. 1904 kehrte sie in die USA zurück, schrieb ein Buch, das sie selbst entlasten sollte und starb 1941 vereinsamt.

Damit hätte ich nur einen von zahlreichen Fällen kurz umrissen. Auch in Deutschland gab es mit der berüchtigten Gesche Gottfried eine Serien- Gift- Mörderin, die als letzte Frau in Bremen öffentlich hingerichtet wurde.

Und nun – Auftritt William Morris, Arts and Crafts und die grüne Tapete!

copyright: adobe stock

Wer sich mit der Kunstgeschichte Englands im 19. Jahrhundert befasst, kommt um William Morris und seine Arts and Crafts- Bewegung nicht herum.
Er war stilprägend für ganz Europa und sein noch heute erhaltenes Haus in Kelmscott ist absolut einen Besuch wert.
Zum Glück müssen wir heute nicht mehr in seinen Tapeten wohnen, kann ich nur sagen.
Zu seinem künstlerischen Werk zählte nicht nur Dichtung, Malerei und Kunsthandwerk – er entwarf auch Tapeten.
In strahlenden Farben schuf er hier jene Muster, die ihn weltberühmt machten und bis heute in allen allen Formen und Variationen verkauft werden.
Zur Herstellung dieser brillanten Töne griff man allerdings seinerzeit auf – ihr ahnt es – ARSEN zurück.
Die Herstellung von Papiertapeten wurde immer preiswerter und bald hatte jede gutbürgerliche Familie eine solche Zierde an ihren Wänden. Allerdings kam es auch öfter zu Todesfällen, die zunächst keine Erklärung fanden.
Man hätte es besser wissen können – in England – denn auf dem Kontinent waren die Arsen- Tapeten bereits verboten, als sich Morris noch immer weigerte, die fürchterlichen Folgend des Arsen- Einsatzes anzuerkennen und von einer Hexenjagd sprach.
Den erklärten Sozialisten und Philanthropen interessierte auch nicht, unter welchen Bedingungen sogar Kinder in seiner Miene schufteten.
Bereits in den frühen 1860 Jahren gab es eine Untersuchung, in deren Zuge er zugeben musste, dass sechsjährige Mädchen im giftigen Abraum Erze aussortierten, während zehnjährige Buben in den Miene beim Untertageabbau schufteten. (Alleine die Zeichnungen der körperlichen folgen können einen aus den Stiefeln hauen … Nichts für schwache Mägen!)

Besucher jener Tapetenfabriken, in denen die mörderische Dekoration hergestellt wurde, klagten, dass man dort kaum atmen könne, weil die Luft angereichert sei mit den giftigen Pigmenten von Schweinfurter Grün etc.

Doch nicht nur Tapeten vergifteten die Menschen nachhaltig – die arsenhaltigen Farben kamen in Stoffen und Pflegeprodukten vor. Bereits im Jahre 1884 gab es Untersuchungen in Massachusetts, die darlegten, dass durch ein Kleid mit arsenhaltigem Tarlatan pro Stunde beim Tanzen 20- 30 Gran des Pigments abgegeben werde.
In einem anderen Bericht stand zu lesen, dass in einem einzigen grünen künstlichen Blätterkranz genug Arsen enthalten sei, um 100 Menschen zu töten.
Die Zeitungen berichteten, Wissenschaftler belegten – und selbst im Buckingham Palace griff die Angst derart um sich, dass Queen Victoria befahl, die tödlichen Tapeten entfernen zu lassen.
Ein Verbot durch die Regierung erfolgte dennoch nicht.
Bereits im Jahre 1858 fragte eine Zeitung in England, warum die eigenen Bürger nicht genauso wie die in Kontinental- Europa durch Gesetze vor so etwas geschützt würden. Die Antwort ließ auf sich warten …

Ihr ahnt es bereits: Es gibt noch eine düstere, wenig charmante Seite an Mister Morris und die hat mit eben diesem Arsen zu tun …

Rund die Hälfte des weltweit gewonnen Arsens kam in den 1870er-Jahren aus der „Devon Great Consols“-Kupfermine im Südwesten Englands. Diese wiederum gehörte William Morris. (Welche Überraschung!)
So mag es auch nicht verwundern, dass er sich vehement gegen ein Verbot von jenen tödlich schönen Tapeten und der Verwendung von Arsen bei der Farbenherstellung wehrte, ja sie als Hexenfieber bezeichnete.
Deutschland, Frankreich, Österreich … sie alle hatten spätestens in den 1860 Jahren die Verwendung von Arsen(farben) und gesundheitsgefährdenden Stoffen reglementiert, bzw. komplett verboten.
Nicht so in England. Erklärterweise wollte man der Industrie nicht ins Handwerk pfuschen, und sich generell lieber aus Wirtschaftsangelegenheiten heraushalten.
Dann aber erledigte sich das Ganze praktisch von selbst.
Man hatte inzwischen Tapeten auf Ölbasis entwickelt, die auch noch abwaschbar waren. Hier hatte Arsen keinen Platz mehr. Und die Verbraucher begegneten der Möglichkeit, die eigenen vier Wände noch sauberer zu halten mit offenen Armen.
Das Ende der tödlichen Schönheit war gekommen.

Und was ist mit unseren Giftmischern? Nun – sie nutzten das leicht erhältliche Gift noch immer rege, wurden aber auch immer häufiger erwischt. Leider meistens zu spät für das Opfer, welches einen kaum vorstellbaren Todeskampf zu erleiden hatte.

Jesus – jetzt hätte ich beinahe Napoleon vergessen!!!! Was DER mit Arsentapeten zu tun hatte? Nun – es wurde in weiten Kreisen gemutmaßt, seine englischen „Gastgeber“ auf Sankt Helena hätten ihn absichtlich mittels dieser Tapeten vergiftet. Tatsächlich fand man bei seiner Exhumierung Reste von Arsen in seinem (sehr gut erhaltenen Körper), doch lassen sich diese Mengen zum einen auf den Umstand zurückführen, dass Arsen in der Umwelt natürlich vorkommt und zum anderen auf die Tatsache zurückführen, dass Napoleon jahrelang kleine Mengen Arsen zu sich nahm, in der Hoffnung, sich so gegen Giftanschläge zu immunisieren.

Und unser arabischer Freund Dschabir Ibn Hayyan? Den habe ich ganz vergessen … Er war der ENTDECKER von Arsentrioxid …

LESETIPP:

Der wunderbare Bildband „Gefährlich schön“ von Lucinda Hawksley, erschienen im Gerstenberg- Verlag. (Die Autorin selbst klingt, als käme sie aus einem viktorianischen Schauer- Roman … )

GUCKSDU:

Auf YouTube sei allen, die des Englischen mächtig sind, die Doku „Hidden Killers of the Victorian Home“ der Historikerin Susannah Lipscomb ans Herz gelegt.