Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe …

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe …

Copyright: C.H. Beck Verlag

Seine Memoiren zu veröffentlichen ist nun wirklich nichts Neues.
Das hat man zu allen Zeiten getan, wenn man selbst (oder die Leute um einen herum) der Meinung war, diese seien der Veröffentlichung wert.

In diesem speziellen Fall nun handelt es sich um jene des Herzogs von Bayern. Jenes Mannes, der heute König von Bayern wäre, wenn es denn noch eine Monarchie gäbe. (Oder auch König von Schottland. Aber das ist für einen anderen Tag …)

Tatsächlich denke ich, sind wir alle froh, dass wir unsere Herrscher inzwischen selbst wählen können und nicht mehr auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen sind, dass es das Schicksal und die Erbfolge gut mit uns Völkern meinen.

Betrachtet man aber Herzog Franz, kann man ohne jeden Zweifel sagen, dass an diesem sicherlich ein guter König verloren gegangen ist.
Warum?

Das erschließt sich aus seinen Erinnerungen!
In einem sanften Parlando gehalten, entstand das Buch aus Gesprächen, die der Herzog seit 2021 mit der Historikerin Marita Krauss geführt hat.

Das Buch zeichnet auf über 300 Seiten das Porträt eines Mannes, der in seinem Leben – wie man so schön sagt – viel rumgekommen ist.
Geboren als Nachfahre des letzten bayerischen Königs, wurde seine Familie, die Wittelsbacher, bald von den Nationalsozialisten verfolgt.

Dies ging soweit, dass die Familie in diverse KZs gebracht wurde. Flossenbürg, Sachsenhausen, Dachau waren nur einige Stationen.
Der kleine Franz blickte auf Leichenberge und erkannte für sich selbst „Da kommen wir nicht lebend raus.“
Aber – getreu dem Motto seines Vaters – hieß es: Geheult wird nicht!
Auch nicht, als der Vater in der Gefangenschaft schwer krank wurde, und nur allzu häufig auf Stress und Krankheit mit Aggressivität reagierte.
Dass es immer Menschen gab, die der Familie halfen, prägte sicherlich das Denken und die Haltung des Herzogs.

Ohne Selbstmitleid und mit einem unbändigen Wissensdurst startete der Herzog nach dem Krieg durch. Er verkaufte seine Briefmarkensammlung, um seine erste Reise nach Amerika anzutreten. (Die Familie war nicht mit Reichtümern gesegnet …)
In New York kam er zur zeitgenössischen Kunst, die er zu sammeln begann und deren Fürsprecher er in Deutschland bis heute mit großer Leidenschaft ist.

Diese Leidenschaft prägt ihn bis heute. Schmunzelnd lesen wir von seinen Abenteuern, wie er z.B. versuchte, seiner Bank einen 8000 DM- Kredit für einen Jasper Johns aus den Rippen zu leiern, diese aber den Kredit nicht geben mochte.
Dumm gelaufen – denn heute hängt das Werk im Museum of Modern Art in New York.
Seine Expertise war übrigens derart gefragt, dass er in den Beirat des MoMA gewählt wurde.

Bemerkenswert ist nun nicht nur der Lebensweg des Herzogs an sich und die vielen Anekdoten, mit denen er seine Erinnerungen würzt, bemerkenswert ist auch, mit welcher geistigen Offenheit er bis ins hohe Alter Neuem begegnet.

Ungeheuer amüsant sind sie allemal, seine Geschichten. Sei es die Story der sprudelnden „Teekanne“, die Prince Charles eine warme Dusche verpasste oder Prince Philip, der bei einem Besuch in München die Mikrophone mit seinen ganz eigenen Sprüchen testete.
Auch die Reise auf der „Agamemnon“ nach dem Krieg bleibt nicht unerwähnt, bei der sich so ziemlich alle gekrönten Häupter Europas ein Stelldichein gaben. Nicht zuletzt, um die zahlreichen Prinzen und Prinzessinnen in den Stand der Ehe zu bugsieren.
Warum für Herzog Franz von Bayern da nichts draus wurde – dazu komme ich später.

Die STRUKTUR
Zur Struktur des Buches – Tatsächlich wechselt Herzog Franz nach ungefähr dem ersten Drittel des Buches den Duktus. Jetzt begleiten wir ihn nicht mehr chronologisch durchs Leben, sondern lesen, wie er sich an bestimmte prägende historische Ereignisse erinnert. Ob es die 68er sind (bei denen er sich nur wundert, warum es so lange gedauert hat, bis die jungen Leute sich aufgelehnt haben), die Mondlandung, die Ermordung Kennedys oder 9/11 ist – stets geht sein Blick über das Ereignis hinaus und führt zu einer höheren Ebene.

Im letzten Teil der Memoiren ändert sich abermals die Struktur. Von A wie „Älterwerden“ bis zu Z wie „Zufriedenheit“ lässt er die Leser nun teilhaben an den Erkenntnissen aus seinem langen und ereignisreichen Leben.

Zu dieser Fülle an Sichten und Einsichten kommt noch eine unglaubliche Offenheit über sich selbst, so wenn er sich mit seinen Ängsten auseinandersetzt, was das Altern angeht. Das drohende Schicksal, dement oder anderweitig pflegebedürftig zu werden und anderen zur Last zu fallen. Aber auch hier wird nicht „geheult“, sondern nüchtern festgestellt.

Was ihm – so denke ich – wirklich zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass er oftmals auf den Kontakt zur jungen Generation verzichten muss. Wenn er, speziell innerhalb der Familie, einlade, so kämen sie natürlich alle, aber ihn anrufen – das täten sie eben kaum.
Es ist für mich wirklich rührend gewesen, von diesem schlichten Schmerz bei einem so weithin und über die Grenzen Bayerns hinaus geschätzten Mann zu lesen.

Zu den vielfältigen Interessen des Herzogs gehört aber nicht nur seine Leidenschaft für zeitgenössische Kunst, sondern auch sein Engagement für Natur und Umweltschutz, sowie sein soziales Engagement. Hier wären nicht nur der Hilfsverein Nymphenburg zu nennen, sondern auch die „Learning Lions“, für die sich der künftige Chef des Hauses Wittelsbach, Prinz Ludwig von Bayern, engagiert.

Das Fazit seines Lebens ist offensichtlich nicht das Bedauern dessen, was er getan hat, sondern höchstens Bedauern über das, was er NICHT getan hat.
Das schreibt er auch selbst. Dass es ihm heute noch leid tut, wenn er Dinge unterlassen hat. Weil er nicht die Stärke zu dem entsprechenden Schritt hatte, oder ihm die Expertise fehlte, die Wichtigkeit zu erkennen.

Was mir übrigens auch überaus gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass das ganze Buch gespickt ist mit Privataufnahmen. Das geht los mit Fotos aus dem Familienalbum seiner Eltern bis hin zu Schnappschüssen der Gegenwart, die ihn auch immer wieder mit seinem Lebenspartner Thomas Greinwald zeigen.
(Dies ist übrigens ein Thema, das der Herzog deutlich, aber doch auch mit Fingerspitzengefühl aufgreift. Er steht offen zu seiner Homosexualität, skandalisiert sie aber nicht.)


Was die Bebilderung angeht, so gebührt den Machern des Buches ein ganz großes Lob, denn es sind gerade diese Fotografien, die das Buch zu einem ganz besonderen Dokument machen.

Alles in allem ist das Buch dazu geeignet, es immer wieder hervorzuholen und die Gedanken des Herzogs zu den unterschiedlichen Themen als Denkanstöße zu nehmen.

FAZIT:
Das Buch ist mehr als nur empfehlenswert. 302 Seiten prallvoll mit Erinnerungen, Anekdoten und Weisheiten. Die Memoiren eines klugen und stets neugierigen Mannes. Eines Mannes, dessen Körper vielleicht inzwischen alt geworden ist, dessen Geist aber noch immer frisch und jung geblieben ist.

Vielleicht hat die Monarchie doch etwas für sich …

FAKTEN:
von Bayern, Franz: Zuschauer in der ersten Reihe, Verlag C. H. Beck, 2023, 303 Seiten, 28,-€

Und wenn ihr hier klickt, kommt ihr zum YouTube-Video




Das Haus Wittelsbach – Wuist an Kini hom?

Das Haus Wittelsbach hat sich an diesem Wochenende mal wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht und zwar in der vielleicht schönsten Art und Weise:

Es gab nämlich das, was heutzutage so gerne als „Traumhochzeit“ bezeichnet wird.
In dem Fall heiratete Ludwig Prinz von Bayern Sophie-Alexandra Evekink.

Das Brautpaar

Wäre Bayern heute noch eine Monarchie, befände sich Prinz Ludwig im Wartestand, denn sein Vater Luitpold wäre dort Thronfolger.
Die Braut Sophie-Alexandra Evekink entstammt ihrerseits einer niederländischen Kaufmannsfamilie. Sie selbst ist Wissenschaftlerin und lehrt an der Universität Oxford. Dort arbeitet sie derzeit an ihrer Dissertation zum Thema Gerechtigkeitsbegriff von Opfern sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten.
Also offensichtlich eine moderne, durchaus spannende Frau.

Und was tut ein Prinz wie Ludwig so den ganzen Tag?

Learning Lions
Bei der von Prinz Ludwig mitgegründeten gemeinnützigen Organisation Learning Lions werden Jugendliche in abgelegenen Regionen Afrikas in digitalen Disziplinen ausgebildet. Danach haben sie die Möglichkeit, in einem Co-Working Space und unterstützt durch eine Fair Trade Verkaufs-Agentur ihre digitalen kreativen Fähigkeiten wie Design oder Webprogrammierung einem internationalen Klientel anzubieten und eigenständig ihr eigenes Geld zu verdienen. Das Konzept wurde 2018 aus rund 5000 Charity-Organisationen von Google Global Impact Challenge als einer der 12 Gewinner ausgezeichnet. Prinz Ludwig hat dort in den letzten zehn Jahren selbst einen Großteil seiner Zeit verbracht, um das Projekt gemeinsam mit Gleichgesinnten und den Menschen vor Ort zu erschaffen. (Quelle: www.haus-bayern.com)

Impressionen der Hochzeit

Natürlich werde ich euch jetzt auch noch ein paar Infos zum Brautkleid mit auf den Weg geben:
Der Schleier wurde von der ukrainischen Designerin WONA angefertigt. Wie es heute Usus geworden ist, hat sie auch bei ihrem Schleier diverse Hinweise auf ihre Herkunft einarbeiten lassen. Es sind Symbole für Bayern, die Niederlande und Kanada.
Das Kleid selbst stammt von dem weltweit gerühmten Modehaus Reem Acra. Die libanesisch-amerikanische Designerin hat ein Kleid geschaffen, das in leichter A-linie gearbeitet wurde und mit zahlreichen Blütendetails bestickt. Die enge Corsage und der weite Ausschnitt geben dem Kleid etwas Modern-Frisches.
Something old, something new, something borrowed, something blue … Das hat sich auch Prinzessin Sophie gedacht. Deswegen hat die Cousine des Prinzen ein Taschentuch aus einem Stoff der Großmutter der Braut mit blauen Stickereien angefertigt.


Ein paar Infos zu den Wittelsbachern:

Prinz Ludwig von Bayern ist nun beileibe kein armer Mann, denn er wird aus dem so genannten Wittelsbacher Ausgleichsfonds bezahlt.
Was es mit diesem Ausgleichsfonds auf sich hat?
Nun – da muss ich ein wenig ausholen:
Das Königreich Bayern ist ein recht junges Gebilde: Es wurde erst 1806 gegründet.
Um damals die Finanzen des Staates zu stabilisieren, brachte König Max I seinen eigenen Besitz, Wälder, Hofgüter, Immobilien etc. in den neu gegründeten Staat ein. Als Ausgleich erhielt er dafür von eben jenem Staat eine Apanage für seine Familie. Im Prinzip das, was in England heute der Sovereign Grant (früher: Civil List) ist.

1918 war die royale Party bekanntlich vorbei. Deutschland wurde Republik. Ende und Aus für die Fürstenhäuser. Die Republik stellte die Zahlungen (in diesem Fall) an die Wittelsbacher ein.
Zu Unrecht wie eine juristische Prüfung später ergab.

Um einen Ausgleich hinzukriegen, wurden in den 20er Jahren zwei Stiftungen gegründet: eben jener Ausgleichsfonds, sowie die Wittelsbacher Landesstiftung für Kunst und Wissenschaft.
Seit Gründung dieser Fonds, wird dort das Geld der Wittelsbacher verwaltet und die Familie wird hieraus finanziert. Dadurch hat der Bayerische Staat seit 1923 kein Geld mehr an die Familie bezahlt.

Seit vielen Jahren macht ja immer mal wieder die Forderung nach einer Monarchie in Bayern die Runde. Wie sehen das aber die Wittelsbacher selbst?

Nun – von ihnen gelüstet es keinen nach der Krone. Für den heutigen Chef des Hauses war das Ende der Monarchie endgültig.
Die Historikerin Marita Krauss, die den Herzog Franz von Bayern beim Abfassen seiner Erinnerungen („Zuschauer in der ersten Reihe“) unterstützt hat, betont, dass für die Wittelsbacher der royale Ehrgeiz ausschließlich der Ehrgeiz für Bayern ist.

Das Haus unterstützt nicht nur Kunst und Kultur, sondern hat auch einen klingenden Namen bei der Förderung der Wissenschaften.
Aus diesem Grund trifft man in Bayern bei allen großen Veranstaltungen, wie der z.B. der Eröffnung von neuen Museen, immer auch Mitglieder des Hauses Wittelsbach.

Um zu demonstrieren, dass man keine Herrschergelüste hat, hat der Vater des jetzigen Chefs des Hauses, Albrecht von Bayern, auf den Titel Kronprinz verzichtet, da er der Meinung war, dies rieche allzu sehr nach einem Anspruch auf die Krone.

Wer sich jetzt noch weiter über das Haus Bayern und die Wittelsbacher allgemein informieren möchte, dem sei deren Homepage empfohlen: https://haus-bayern.com