Robert Jobson: Our King

Zunächst muss man sagen, dass die Welt voll zu sein scheint von Biografien zum neuen englischen König. Braucht es also wirklich noch eine?
Tatsächlich stammen nun die meisten aus der Zeit, als er noch Prince of Wales war und haben nach dem Tod der Königin lediglich die eine oder andere Seite (bei manchen auch ganze Kapitel) hinzugefügt bekommen. (Wer wissen will, wie er in diesem Fall Fehlkäufe vermeidet, dem empfehle ich, in meinen Blog zu schauen. Da habe ich Tipps bereitgestellt …)

Vorauszuschicken wäre übrigens auch, dass Jobson bekennender Charlesianer ist. (Wie jeder vernünftige Menschen, wenn ich das mal anmerken darf.)

Dennoch bemüht er sich bei seinem Weg durch Charles‘ Leben um ein möglichst neutrales Bild. Zu meiner großen Überraschung gibt es auch einen recht umfangreichen Anhang mit Quellen und einer Literaturliste. (Das ist es nämlich, was bei vielen Biografien fehlt, wodurch diese für mich zu sehr umfangreichen Lebensbildern oder Essays verkommen)

Leider liegt der Titel derzeit nur auf Englisch vor, was das Buch für viele deutsche Leser unzugänglich macht, wollen sie nicht die Mühe auf sich nehmen, den kompletten Text durch eine KI übersetzen zu lassen …

Tatsächlich muss man sich an dieser Stelle fragen, was in den Köpfen deutscher Verlags-Verantwortlicher vorgeht, wenn sie die doch recht breite Gruppe Royalty- Interessierter in Deutschland immer wieder hängenlassen. Da gibt es bestenfalls mal zweitklassige Biografie-Abklatsche, die keinen wirklich glücklich machen. Schnell hingeklatschte Zusammenfassungen, die über die Qualität eines wikipedia-Artikels nicht hinausgehen. Das Ganze mit ein paar schlechten Fotos gespickt und für einen exorbitanten Preis rausgehauen.
Dass dann das Urteil lautet: „Seht ihr – das verkauft sich einfach nicht“, verwundert dann wirklich nicht weiter. So kann man sich wunderbar selbst das Wasser abgraben.

Aber zurück zu Jobson.

Er hat den Prinzen (späteren König) bei mehreren Gelegenheiten persönlich getroffen und Interviews mit ihm geführt.
Da er seit vielen Jahren die königliche Familie begleitet, kann er auch ein recht gutes Bild der Skandale rund um Prince Harry, Meghan Markle und Prinzessin Diana bieten.
(Hier hat er sehr gute Infos durch Gespräche zum Beispiel mit Ken Wharfe, einem engen Mitarbeiter der Prinzessin; speziell wenn es um den Vorwurf des Rassismus geht)
Auch mit Camilla ist er seit Jahren bekannt und kann den Wandel ihres öffentlichen Bildes sehr gut beschreiben und analysieren.

Prince Philip nimmt ebenfalls breiten Raum in der Biografie ein. Er war der Pater Familias und war zum Beispiel dafür verantwortlich, Prince Andrew die Entscheidungen der Königin nach seinem katastrophalen Epstein- Interview vorsichtig beizubringen. (Philip war persönlich außer sich über den Schaden, den Andrew der Krone zugefügt hatte.)
Die Tatsache, dass die Königin Andrew aus allen Ehrenämtern und von seiner Stellung als Working Royal entfernte, sollte weitreichende Konsequenzen zeitigen, da König Charles im Nachgang die Leute ausgingen, um das fehlende Herrscherpaar, sowie seinen ausgefallenen Sohn Harry und dessen Frau zu ersetzen.
Interessant auch zu lesen, wie Philip und Charles in den letzten Lebensjahren des Herzogs von Edinburgh zueinander gefunden haben. Sie konnten endlich die tiefen Gräben überbrücken und Charles‘ Schmerz anlässlich des Todes des Vaters war ehrlich und tief.
Umso mehr schockiert einen, dass Harry am Tag der Beisetzung des Großvaters eine Aussprache mit Vater und Bruder gefordert (und bekommen) hat und sich dann auch noch über den Ausgang beschwerte.
Sicherlich kann man einen solchen Gesprächszeitpunkt kaum dümmer und weltfremder, ja menschenverachtender, wählen.

Jobson schildert Charles als Denker und Visionär. Als einen Mann, der einen bodenständigen Sinn für Humor hat und keine Scheuklappen trägt. Recht breiten Raum nimmt Charles‘ Interesse am Islam und der islamischen Welt ein. Hier sieht Jobson eindeutig einen wichtigen Wirkungsbereich für Charles, da er dort seit Jahrzehnten wichtige Kontakte aufgebaut hat und sich mittlerweile weigert, als reiner Vertriebsmitarbeiter der englischen Regierung aufzutreten.
Auch untersucht Jobson Charles religiöse Einstellung, die häufig aus Unwissendheit in der Öffentlichkeit kritisiert wird.

Tatsächlich widmet er Charles‘ Jugend nur relativ geringen Raum, was ich auch nicht weiter schlimm finde, denn ich muss nicht zum hundertsten Mal lesen, wie sehr Charles in Gordonstoun gelitten hat. (Diese Kapitel sind übrigens deswegen interessant, weil man ein wenig den Kampf nachverfolgen kann, den sich die Königinmutter mit ihrem Schwiegersohn geliefert hat, um Charles nach Eton zu bringen und ihm das vollkommen unpassende Gordonstoun zu ersparen. Dort liegt nämlich unter anderem die Ursache für Charles‘ lebenslange tiefe Bindung an seine Großmutter.)

Was Prince Harry angeht, verwundert zuerst, dass dessen Autobiografie an diversen Stellen neutral zitiert wird. Doch dann begreift man, dass Jobson sich einfach bemüht, unparteiisch zu sein. Dies führt allerdings dazu, dass seine Faktenfeststellung umso verheerender ausfällt.
Man steht wirklich da und will den Prinzen nur noch batschen, wie wir Pfälzer sagen. Seine hochtrabende, unverschämte und wirklichkeitsfremde Selbstbeweihräucherung bei gleichzeitiger Hinrichtung seiner Familie wirkt noch viel übler dadurch, dass Jobson ihn als reguläre Quelle betrachtet.

Aber auch Prince William kommt nicht ganz so gut weg. Im Gegensatz zu seinem Vater fehle ihm die Reife und die Intelligenz. Hinzu komme ein ziemlich heftiges Temperament mit kurzer Lunte.
Erschreckend fand ich hier die Schilderung einer Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn, nachdem William zu Jane Goodall gesagt hatte, er sähe am liebsten die gesamte Elfenbein-Sammlung des Hauses vernichtet. Charles war – trotz seiner Einstellung dem Tierschutz gegenüber – zutiefst schockiert über eine anvisierte Zerstörung unschätzbarer Kunstwerke (die Zerstörung würde u.a. einen indischen Thron betreffen sowie den Federhalter von Heinrich VIII). Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung, da Charles befürchtete, dass sein Sohn eines Tages wahrhaftig diese Zerstörung befehlen könne.

William ist auch bekannt dafür, dass er seinen Vater anschreit und mit Flüchen überzieht. Dies hält Jobson wohl bei einem Teenager für einigermaßen erwartbar – bei einem erwachsenen Familienvater wirkt es aber definitiv fragwürdig.

Einen breiten Raum nehmen natürlich Diana und Camilla ein. Jobson verfolgt den Weg der Karre beim Gegen-die-Wand-Fahren mit beinahe chirurgischer Genauigkeit. Er analysiert die Beteiligten und ihr Verhalten. Man fängt an, zu verstehen, dass es sich beinahe um eine Art griechischer Tragödie gehandelt hat. Alle Beteiligten laufen sehenden Auges in Richtung des Abgrundes.
Jobson hält auch hier Charles‘ Fehler fest sowie die Kritik, derer er sich auch von Seiten seiner Eltern ausgesetzt sah.
Doch ebensowenig wie Charles kommt Diana gut weg. Ihr erratisches und unkontrollierbares Verhalten wird unter die Lupe genommen und die Skandale, die seinerzeit die Schlagzeilen füllten, nochmals durchgesehen.
Es sind keine guten Erinnerungen, die da hochkommen. Tatsächlich steht man da und will nur schreien: „Nicht! Schnapp dir Camilla und heirate sie! Denk nicht so lange nach! Diana! Mädchen – das wird niemals funktionieren. So schaut doch hin!!!“

FAZIT: Jobsons Buch ist eine lohnende Investition, wenn man eine fundierte Biografie über König Charles lesen will. Man lernt den Menschen kennen (soweit dies möglich ist) und kann seine Entscheidungen besser beurteilen, beziehungsweise verstehen.
Auch die anderen Mitglieder des Königshauses werden einem näher gebracht, aber nicht skandalträchtig, sondern immer so neutral wie möglich.
Als Ergänzung wäre sicherlich Jonathan Dimblebys Biografie aus den 90ern zu empfehlen.
Alles in allem würde ich auf jeden Fall eine Kaufempfehlung aussprechen, wenn man König Charles III verstehen will.

Robert Lacey „Battle of Brothers“

Fakten:
Das Buch hat in der Taschenbuch- Printausgabe 608 Seiten. Ich selbst habe die englische Ebook-Ausgabe gelesen. Das Buch ist bislang nicht auf Deutsch erschienen. Als Taschenbuch kostet es bei Amazon 9,85€ und als gebundenes Buch 21,36€.
Bei Amazon gibt es das Ebook für 6,99€. Natürlich gibt es auch andere Anbieter, aber da solltet ihr tagesaktuell recherchieren, weil die Preise und Varianten sich da oft heftig unterscheiden.

Es gibt eine ältere Ausgabe, die aber inzwischen überarbeitet wurde.
Die mir vorliegende Ausgabe endet im Prinzip mit dem Tod von Prince Philipp, kurz nach dem Oprah- Interview. Somit fehlt das Erscheinen von „Spare“ sowie die nachfolgende Debatte.

Es hat mich seltsam berührt, als ich die letzten Seiten des Buches gelesen habe und Lacey so einen kleinen Ausblick gibt, nach dem Motto: „Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dies hier lesen, wird …“
Tatsächlich fehlt an dieser Stelle das einschneidendste historische Ereignis in dem Bereich überhaupt, nämlich der Tod der Königin.
Als Lacey seine Überarbeitung beendet, ist sie noch am Leben und König Charles ist noch Prinz Charles.

Eine der wichtigsten Fragen, wenn man ein Sachbuch zur Hand nimmt, ist mit Sicherheit die nach dem Autor. Mit dessen Ruf und Expertise steht und fällt das, was man in den kommenden Tagen, Wochen, ja manchmal Monaten lesen wird.
Sprich: Kann ich dieser Person glauben, was sie mir jetzt berichten wird? Wie tief sind die Einblicke, die er oder sie mir geben wird? Wie neutral ist der Autor/ die Autorin?


Wer also ist Robert Lacey?

Lacey wuchs in Bristol auf und studierte Geschichte im Cambridge, wo er 1970 mit einem Master- Grad abschloss.
Danach arbeitete er als Journalist für so renommierte Zeitungen wie die Sunday Times.
Seine Bücher über die Saudische Königsfamilie gelten inzwischen als Standardwerke zum Thema.
Im Zuge seiner Studien zu den Büchern freundete er sich auch mit dem Journalisten Jamal Kashoggi an, der auf Befehl des Saudischen Kronprinzen 2018 grausam ermordet wurde. (Darauf kommt er auch im Zusammenhang mit einem Paar Ohrringe zurück, die Meghan Markle zu ihrer Hochzeit vom Saudischen Kronprinzen geschenkt bekam, und mehrmals trug, obwohl sie um den Mord sehr wohl wusste.)

Lacey schrieb diverse hochgelobte königliche Biografien, machte Dokumentationen für das Fernsehen und ist tätig als Berater für die international erfolgreiche Netflix Serie „The Crown“.
Dass er für Netflix arbeitet, macht ihn zunächst verdächtig, heißt es doch „Wes‘ Brot ich esse, des‘ Lied ich sing'“. Tatsächlich lässt sich über seine Neutralität in Bezug auf Netflix keine Aussage treffen, da die Doku nach Erscheinen seines Buches herauskam.

Insgesamt kann man sicherlich sagen, dass er so neutral als möglich ist. Seine Quellen sind gut (er zitiert mehrmals Gespräche mit Personen aus dem innersten Kreis der Königsfamilie) und er beschreibt auch, wann er Probleme hatte, etwas zu recherchieren, bzw. wenn er einfach keinen Beleg für etwas hat. So bei Gesprächen, die unter vier (oder sechs) Augen stattgefunden haben. (Hier kann er natürlich nicht einmal Harrys Autobiografie ins Feld führen, denn die lag ja noch nicht vor)

Im Anhang findet man noch einmal seine Hauptquellen mit Anmerkungen zu dem jeweiligen Kapitel.

Was mir zu kurz kommt (aber das ist praktisch bei allen Titeln so, die ich zum Thema gelesen habe):

Es gibt keine korrekten Quellenbelege.

Wenn ich also lese: Prince Charles schreibt an seinen Privatsekretär im Januar 2022: „XXXXX“, dann möchte ich einen Anhang, in dem steht: Brief des Prinzen von Wales an XY vom 12.01.2022; Archiv des Hauses Windsor
Dann weiß ich, dass es nicht nur Gelaber ist, sondern, dass ich es zur Not nachlesen kann.
Oder, dass Zeitungsartikel korrekt benannt werden, aus denen zitiert wird.

All dies sind Sachen, die ich gerade heutzutage enorm wichtig finde, wo die Kunst der Falschinformation zu immer neuen Hochsprüngen ansetzt. Natürlich muss sich niemand die Mühe machen, im Archiv der Times zu stöbern – aber ich will zumindest die Möglichkeit haben.
(Selbst wenn es sich nicht um einen wissenschaftlichen Text handelt.)

Schön, dass wir darüber gesprochen haben.

Wie also liest sich das Buch? Ist es überhaupt informativ?

Definitiv. Ich habe die mehreren hundert Seiten in wenigen Tagen durch gehabt und mich nicht eine Sekunde gelangweilt.

Lacey hat einen wirklich humorvollen Schreibstil, den ich immer wieder bei englischen Autoren bemerke. Es ist das Augenzwinkern, mit dem sie das Berichtete kommentieren. („…den gleichen durchdachten, professionellen Rat, den sie jetzt vielen ihrer Top-Klienten in den Vereinigten Staaten gaben: Klagt die Wichser in die Hölle!„…)
Oder als Harry und Meghan eine Einladung nach Balmoral absagten, weil sie mit Klein- Archie nicht so um die Welt jetten wollten, aber keine Bedenken hatten, stattdessen an die Côte d’Azur zu fliegen und dort Elton John und seinen Mann zu treffen. Dies kommentiert er mit dem Zitat: „Die Côte d’Azur mit Elton, aber nicht Balmoral mit Omi? Sie scheinen ihre Queens durcheinander zu bringen …“ („Queen“ ist ein positiv besetzter umgangssprachlicher Ausdruck für männliche Homosexuelle.)

Er führt uns durch die Geschichte der beiden Brüder und zieht immer wieder auch Parallelen mit der Geschichte des Hauses Windsor. (Wie viel haben Meghan und die verstorbene Herzogin von Windsor Wallis Simpson gemeinsam?) Auch erklärt er Fragen wie die nach den Titeln für Harrys Kinder. (Bei denen er ganz offensichtlich besser Bescheid weiß als Harry selbst).
Natürlich darf auch die (Ehe-) Geschichte von Charles und Diana nicht fehlen, die solch weitreichende Konsequenzen für die Monarchie hatte, und die Beziehungen der Söhne mit Sicherheit maßgeblich beeinflusste.
So liegt in der so öffentlich gescheiterten Ehe der Eltern der Grund sowohl für das fast zehnjährige Abwarten von William, wie für die Wirbelwind-Romanze Harrys.

Natürlich betrachtet Lacey auch die Frage nach der Situation zwischen den beiden Ehefrauen der Prinzen, Catherine und Meghan. Er weist die Behauptungen zurück, dass der Streit zwischen den Frauen Ursprung für die Auseinandersetzungen zwischen den Bürgern gewesen wäre. Im Gegenteil. Die Frauen seien von Anfang an recht gut miteinander ausgekommen, bis es zwischen den Männer geknallt habe, woraufhin die Ehefrauen den Schulterschluss mit ihren Männern geübt hätten.
Tatsächlich habe Kate noch anlässlich der Beisetzung von Prince Philipp die beiden Brüder dazu bewegen können, miteinander ein paar Worte zu wechseln, was von den Fernsehkameras festgehalten wurde. Nachdem die beiden angefangen hatten zu sprechen, zog Kate sich diplomatisch geschickt zurück. („Perfektes Königinnen-Material!“, kommentierte die englische Presse Kates geschickte Diplomatie)

Lacey analysiert die Situation der Brüder und inwiefern die (Familien)Geschichte beide in ihren Entscheidungen beeinflusst hat.
Er geht im Prinzip immer gleich vor: Er analysiert eine Situation, betrachtet die Geschichte, die zu diesem Punkt geführt hat und kommentiert dies sodann.
Das lässt den Lesern die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu machen und zu den eigenen Schlussfolgerungen zu kommen. Wobei man tatsächlich meistens mit ihm übereinstimmt, wenn ich ehrlich sein soll.

Wenn ich nun ein Fazit ziehen soll, kann ich sagen, dass ich das Buch definitiv empfehlen würde.
Sollte es einen Folgeband geben, der sich mit den Ereignissen nach dem Oprah- Interview befasst, würde ich ihn definitiv kaufen.
Es wäre – wie in so vielen Fällen – fabelhaft, wenn sich ein deutscher Verlag finden würde, der die Rechte kaufen würde und eine deutsche Übersetzung präsentieren.

Da Penguin Randomhouse inzwischen auch ein deutsches Standbein hat (hier erschien Prince Harrys „Reserve“), hoffe ich immer, dass die sich in den Trubel werfen und Titel auf Deutsch herausbringen. Die Verkaufszahlen für „Spare“ dürften das auf jeden Fall rechtfertigen.