HEXEN – HEXEN – HEXEN II

Naturwissenschaftler gegen den Rest der Welt – HEAR! HEAR!
Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit bewegte sich die Naturforschung im Spannungsfeld zwischen Tradition und Empirie. Die Forscher standen vor der Frage, inwieweit sie das überlieferte, tradierte Wissen übernehmen sollten, und inwieweit eigene empirische Untersuchungen und darauf gegründete Theorien aussichtsreich waren. Die Tradition wurde oft an den antiken Autoritäten Aristoteles oder Ptolemäus festgemacht, aber auch an Aussagen der Bibel. Mit der zunehmenden Wertschätzung neuer, überprüfbarer empirischer Ergebnisse verband sich manchmal die Polemik, andersdenkenden Forschern übertriebenes Festhalten an der Tradition (als Grund für deren von der eigenen Position abweichende Meinungen) zu unterstellen.[21] Die von Johannes Gutenberg entwickelte Technik des maschinellen Buchdrucks spielte ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Schlüsselrolle für die Verbreitung neuer Erkenntnisse und die kritische Auseinandersetzung mit ihnen. (Quelle: wikipedia)


Damit wäre die Crux des Hexenwesens und der Abgrund definiert, der sich spätestens ab dem 16. Jahrhundert in Mitteleuropa und später auch in den USA auftat, und der bis zum heutigen Tage nicht geschlossen wurde. Aberglaube gegen Aufklärung.

Ah- ha! Und wer definiert nun, was Aberglauben ist?
Das ist der ureigenste Job der Kirche. Wie bereits erwähnt, hatte die katholische Kirche bereits hunderte Jahre zuvor festgelegt, dass der Hexenglaube ein Aberglaube und damit nicht akzeptabel sei.
Eine ziemlich fortschrittliche Ansicht.
Der Glaube an Hexen und Zauberei gehörte also erklärterweise in den Bereich des Heidentums.

Okay … Und wieso hat die Kirche sich dann an den Hexenprozessen/ Hexenjagden beteiligt?
Sehr gute Frage! Setzen! Eins!
Wie kann man etwas jagen, von dem man selbst sagt, dass es gar nicht existiert???
Und das ist genau der Punkt, den ich auch viele Jahre lang nicht verstanden habe, bis ich die folgende Erklärung fand:

Hexen existieren nicht, wohl aber Leute, die an sie glauben, sowie Leute, die sich selbst für Hexen halten. (Männer wie Frauen!). Sie mischen Rituale, Magie und Kräuterkunde und bieten dies teilweise als Dienstleistung an.
So weit so unproblematisch. Auch für die Kirche. Das mit der Magie war nicht cool, aber man hat es hingenommen. In der Messe hat man die Gläubigen ermahnt, in der Beichte getadelt, aber dabei blieb es dann. Denn die katholische Kirche ist viel und vor allem PRAGMATISCH.

Und dann war plötzlich Schluss mit lustig. Leute wurden verhaftet, angeklagt, weltlichen Gerichten überstellt und abgeurteilt.
WHY?
Weil der Teufel im Detail steckt. (Betonung auf „Teufel“)
Noch einmal – für ein klareres Bild – sei Folgendes gesagt:
Kräutermedizin& Co. waren kein Problem. Auch Magie wurde straflos angewendet, um bei Leiden im weitesten Sinne zu helfen. (Magische Rituale enthielten nicht selten Bibelzitate und Gebete)
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten.
Viele Hexen begannen nämlich, ein One- Stop- Shop zu werden. Das heißt, es wurden nicht nur Tränke und Mysterien zur Heilung verkauft, sondern den Kunden auch der eine oder andere vom Hals geschafft.

Rufen wir uns also nochmals das Bild vor Augen, das die Menschen von Hexen hatten:
Eine Hexe ist eine Person, die sich mit Magie und Substanzen auskennt, über die die normalen Mitbürger praktisch nichts wissen.
Sie (oder er) kann Gutes damit tun, aber auch schaden.
Geschieht nun im Dorf etwas, für das die Leute keine Erklärung finden, liegt es auf der Hand, dass sie dahin schauen, wo die Person sitzt, die über Erklärungen verfügt – zur Hexe!

Jetzt wäre also der Beelzebub mit im Boot und ab da wird alles schwierig, denn wenn der Verdacht geäußert ist, die Hexen könnten sich mit dem Teufel eingelassen haben, kann weder Kirche noch Obrigkeit dabeistehen und mit den Schultern zucken, denn jetzt geht es um die unsterbliche Seele.
Hier ist wichtig, dass wir uns daran erinnern, dass der Teufel für die Kirche bis heute eine Realität ist. Das böse Gegenprinzip zu Gott.

Jetzt kommt schon wieder ein MERKE WICHTIG!
Wenn man die Menschen damals verstehen will, kommt man um das Thema Kirche und Religion nicht herum.
Im Deutschland des Jahres 2022 haben wir uns an den Atheismus gewöhnt. Wir holen aus dem Hier und Jetzt heraus, was wir kriegen können und scheren uns nur am Rande um das Danach …
Hölle und Fegefeuer sind keine Größen mehr in unserem Denken, und die Kirche betreten die meisten nur noch aus kunstgeschichtlichen Gründen, oder weil niemand eine Hochzeit so toll bringt wie die katholische Kirche. (Alleine die Orgelmusik und der Gang zum Altar … seufz …)

Es gab aber auch andere Zeiten – und um die kümmern WIR uns.
Inzwischen sollte auch der Letzte die Zeitreise gemacht haben und zum besseren Verständnis sein modernes Bewusstsein abschalten. (Ist auch eine Überlebensfrage … Sage im frühen 17. Jahrhundert in einem Dorf „Gott ist tot“ und schon wirst du entweder totgeschlagen, oder in ein Loch geworfen. Also behalte diese Weisheit besser für dich …)
Wir steigen in einer Zeit aus, die Atheismus nicht mal denken kann.
Kirchenkritik ist natürlich möglich (siehe dazu auch Martin Luther), kann aber gefährlich werden.

Also:
1. „Gott ist tot“ ist tot
2. Es gibt eine Hölle (Schon mal Finger verbrannt? – HÖLLE ist SCHLIMMER. Und hört blöderweise auch nicht mehr auf)
3. Hexen können hexen
4. Deine Kuh ist krank geworden und du hast nichts falsch gemacht? Denk mal nach!
5. Es gibt eine Obrigkeit im Himmel und auf Erden und wenn du gegen die vorgehen willst, z.B. mit juristischen Mitteln – viel Spaß dabei!!! (Wir sehen uns bei Punkt 2 wieder …)

Was ich hier jetzt so launig beschreibe, ist REALITÄT für die Menschen der damaligen Zeit. Sie leben in einem Obrigkeitssystem, in der absolut JEDER jemanden hat, der über ihm steht, und ihm das Leben wirklich schwer machen kann. Es handelt sich um ein engmaschiges Netz aus Verbindungen und Verbindlichkeiten.
Wenn man auch kein Leibeigener ist, so hat man sich doch an unabänderbare Regeln zu halten.
Das wiederum hat aber auch einen Vorteil: Dieses Netz trägt.
Die Kirche bildet z.B. ein Sozialsystem, das all jenen hilft, die in Not geraten sind. Ist man z.B. auf dem Weg von A nach B, bekommt man in jedem Kloster Unterkunft und Verpflegung.
(Exkurs: als sich Heinrich VIII von England von der katholischen Kirche gelöst hat, die Kirchengüter eingezogen und die Klöster aufgelöst, hat er auch gleichzeitig seinen Untertanen den sozialen Rückhalt genommen, denn er hat leider vergessen (…), das Vermögen zumindest teilweise zu teilen … Daher kam es zu Aufständen („Pilgrimage of Grace“). Es gab keine Hilfe in Not mehr und die Seele war auch noch der Verdammnis überantwortet. Ein hoher Preis, nur um eine Frau ins Bett zu kriegen und eine andere loszuwerden …)

Weiterhin ist wichtig zu bedenken, dass noch immer galt, dass das was dem Landesherrn widerfuhr auch die Bevölkerung traf. Wurde also der Fürst exkommuniziert, wurden alle Kirchen geschlossen. Es gab keine Taufen, Hochzeiten oder Beisetzungen mit dem Segen Gottes mehr.
Was das für die Menschen bedeutete, kann man sich mit unserem heutigen Denken sicherlich kaum noch vorstellen.

Bell, book and candle …
Bekannt aus Film, Funk und Fernsehen!
Kirchenbann oder Exkommunikation wurden durchgeführt, indem eine Glocke geläutet wurde (soll an die Totenglocke erinnern), die Bibel zugeschlagen und eine Kerze gelöscht wird.
Sodann wird vom betreffenden Bischof ein Brief an die den Ausgestoßenen umgebenden Diözesen geschrieben, damit der Ausgestoßene sich nicht unerlaubt Zutritt zu den dortigen Riten verschaffen kann.

Wir haben nun also schon ein wenig von jenem engmaschigen Netz kennengelernt, das die Menschen zusammen, – und manchmal auch festgehalten hat.
Dieses Netz war es, was einem im Zweifelsfall das Überleben sicherte, indem man in einer Gemeinschaft eben alles teilte.

Das Schlimmste in solch einer Gemeinschaft war – folgerichtig – ausgestoßen zu werden.
Vogelfrei zu sein war im Normalfall ein Todesurteil.
Nicht nur, dass dich jeder der wollte, ungestraft töten durfte – im Zweifelsfall hat dir keiner auch nur mit einem Brocken Brot geholfen.

Ja – vieles damals bedeutete Leben oder Tod.

Umso schwerer wog nun – um zu unserem Thema zurückzukehren – wenn sich jemand außerhalb dieser Gesellschaft stellte, sie in Frage stellte.
Oder ihr sogar Schaden zufügte.

ERINNERUNG!!!!
Wir befinden uns in einer Zeit, unter Menschen, denen Wissenschaft ein Fremdwort ist. In ihrem Horizont finden sich aber stattdessen – Erfahrungswerte!
Denkt dran: Die Menschen zu dieser Zeit unterscheiden nicht zwischen Wissen und Glauben.

Glauben IST Wissen

Und nun komme ich zu einem Punkt, der vielleicht für den einen oder anderen schwer zu verdauen ist …
Viele Hexen hielten sich selbst für Hexen.

PROUD TO BE A WITCH!

Eine Hexe war – unter Umständen sogar zurecht – stolz auf ihre Fähigkeiten, die sie besonders machten.
Zudem konnte sie anderen helfen und damit Geld verdienen.
Also – warum nicht!?
Und nun wird es unschön ———————————–
Es gab nämlich einige Hexen, die die Macht, die sie über die Gemeinschaft auszuüben vermochten, sehr genossen. Ja, man sah in der Hexe nicht nur einen netten Menschen, der einem half, sondern jemanden komplett ambivalenten. Die Hexe konnte einem helfen, im Zweifelsfall aber auch schrecklichen Schaden zufügen.
Ja, mehr noch: einige Hexen nutzten die Furcht vor ihren Fähigkeiten, um sich über Wasser zu halten. Es sind speziell aus England Fälle bekannt, wo Hexen ihre Dörfer derart in Atem hielten, dass Weiler sich auflösten und förmlich vor der Hexe flüchteten.
Wenn man die Gefahren in Betracht zieht, die den Menschen in so einem Fall drohten, bis hin zum Verlust der Existenz, so kann man verstehen, dass sich die Obrigkeit des Öfteren zum Einschreiten gezwungen sah.

Was lernt uns das? Es lernt uns, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die glauben. Sie glauben an die Fähigkeiten der Hexen und unterwerfen sich ihr.
Wenn alles gut läuft, gibt es keine Probleme.
Aber in dieser Welt lief es selten gut. Und die Probleme kamen schneller, und brutaler, als wir es uns vorstellen können.

Ich will ein Beispiel nehmen …
Die Hexen von Pendle…

Am 21. März 1612 ist Alizon Device unterwegs zum Trawten Forest, wo sie auf den Hausierer John Law trifft.
Nachdem dieser sich geweigert hat, dem Mädchen Stecknadeln zu verkaufen (er ist sich sicher, dass sie diese nicht bezahlen könnte), verflucht sie ihn.
Kurz darauf bricht Law zusammen. Wahrscheinlich mit einem leichten Schlaganfall, den er überlebt. (Diese historisch belegte Szene bildet übrigens den Auftakt zu meinem Roman „Afra – Die Geliebte des Hexenjägers“)
Ein paar Tage später besucht Alizon Law und gesteht ihm, ihn verflucht zu haben und bittet ihn um Vergebung. Ende März nun werden Alizon und ihre Mutter Elizabeth wegen Hexerei verhaftet und verhört.
Unter der Folter gesteht Alizon, einen Pakt mit dem Teufel eingegangen zu sein.
Es kommt zu mehreren Verhaftungen und Vernehmungen. Nicht alle gestehen.
Nachdem James Device ein Schaf gestohlen hatte, um Gäste seiner Frau zu versorgen, kam der Stein endgültig ins Rollen.
Es gibt weitere Anklagen.
Schlussendlich kommt es zu einem großen Aufwasch. Man hat den Eindruck, dass alle ungeklärten Todesfälle der vergangenen Jahre untersucht und den diversen Hexen zugeschrieben wurden. Alt oder jung, Mann oder Frau – es traf jeden.
Tragischer Höhepunkt der Geschehnisse war die Zeugenaussage der neunjährigen Jennet Device.
Und nun wurden die normalen Regeln der Rechtsfindung außer Kraft gesetzt.
König James VI/ I persönlich hatte nämlich festgelegt, dass bei der Wahrheitsfindung in Hexenprozessen auch Kinder aussagen können. Das war normalerweise nicht möglich.

Und so stellte man die kleine Jennet bei ihrer Aussage gegen die eigene Mutter, den Bruder und die Schwester, auf einen Tisch, damit sie gut sichtbar war.
Bis heute wird gerätselt, wieso das kleine Mädchen so frei von der Leber aussagte. Selbst von ihrer wutentbrannt schreienden, sie verfluchenden Mutter ließ sie sich nicht irritieren.
Sie erklärte, dass ihre Mutter seit 3 oder 4 Jahren eine Hexe sei und einen Schutzgeist in Form eines braunen Hundes namens Ball habe.
Jennet bezeugte, dass sie mehrere Unterhaltungen zwischen ihrer Mutter und dem Hund belauscht habe, in denen es um die später begangenen Morde ging.
Auch ihr Bruder James sagte in diesem Sinne aus. Er wusste allerdings noch zu berichten, dass die Mutter Tonfiguren ihrer Opfer angefertigt habe.
Da James sich selbst betreffend ebenfalls bereits Geständnisse gemacht hatte und Jennet ausgesagt hatte, ihr Bruder habe ebenfalls mit dem Hund über die Morde gesprochen, wurde er – genau wie der Großteil seiner Familie – zum Tode verurteilt.

Und so wurden im August 1612 zehn Menschen gehängt. Unter anderem Jennets Bruder James und die Mutter Elizabeth.

Insgesamt – so schätzt man heute – kamen bei den englischen Hexenjagden ca. 500 Menschen ums Leben.

Man fragt sich nun, was wohl aus der kleinen Jennet geworden sein mag …
Tatsächlich verliert sich ihre Spur in den Nebeln der Zeit.
Vielleicht aber auch nicht so ganz, denn es fand sich inzwischen eine Urkunde vom 24. März 1634, in dem der Name Jennet Device auf einer Liste mit 20 Namen auftaucht, die in Lancaster als Hexen angeklagt worden waren. Es ging hierbei um den Mord an Isabel Nutter.
Hauptzeuge in diesem Prozess war ein Zehnjähriger namens Edmund Robinson.
Doch diesmal ging alles nicht so glatt. Die Zeugenaussage wurde nicht akzeptiert und man brachte den Jungen vor König James, wo er seine Aussage wiederholen sollte.
Jetzt gab er zu, sich alles ausgedacht zu haben.
Gut für die Angeklagten, wird man nun denken. Doch – weit gefehlt!
Keiner der Angeklagten wurde freigelassen. Am 22. August 1636 wurde Jennet noch als inhaftiert gelistet.
Die Inhaftierten starben im Gefängnis.
Welch bittere Ironie.

Ach ja – wieso hat man die nun als unschuldig erkannten Leute nicht entlassen?
Das hing ebenfalls mit dem Justizsystem zusammen.
Ob schuldig oder nicht – jeder Inhaftierte musste selbst für seinen Unterhalt im Gefängnis bezahlen. Konnte man dies nicht, konnte man auch das Gefängnis nicht verlassen.
So war es wohl schlussendlich Jennet zum Verhängnis geworden, dass dank ihrer Aussagen Jahre zuvor ihre Familie praktisch ausgerottet worden war. Nun gab es niemanden mehr, der sie hätte auslösen können …

Fortsetzung folgt …


Erzählperspektiven

Bevor man auch nur das erste Wort eines Romans schreibt, muss man sich über die Erzählperspektive klar werden.

Habt Ihr euch da vergriffen, kann es passieren, dass mitten im Text die Story in sich zusammenklappt und es nicht mehr weitergeht. (Was allerdings nicht zwingend sein muss, wie Ihr am Ende dieses Beitrags sehen werdet…)

Deswegen schauen wir uns zunächst die möglichen Perspektiven an:

Auktorialer Erzähler

Oooooh jaaaaa… An den erinnern wir uns noch aus der Schule. Fiese Sache. Alleine bei dem Begriff bäumt sich der innere Fluchtreflex auf…

·      Der AE gehört nicht als handelnde Figur zur Geschichte

·      Er steht über dem Geschehen

·      Wäre er ein Spotscheinwerfer über eurer Story, könnte er mit seinem Licht jederzeit überall hin wechseln, und beleuchten was er mag.

·      Er ist sozusagen der Liebe Gott unter den Erzählern.

·      Er kann in den Kopf jeder Figur schlüpfen

·      Er kennt Vergangenheit und Zukunft

·      Was er sagt, ist für die LeserInnen wahr, glaubhaft und nachvollziehbar

·      Er kann aber auch so tun, als wisse er nicht mehr als die LeserInnen

·      Es kommt zu einer gewissen Distanz zwischen der Geschichte und den LeserInnen

·      Der AE kommt meistens in den klassischen Romanen vor

Beispiel:

„Der Mai war schön, der Juni noch schöner, und Effi, nachdem ein erstes schmerzliches Gefühl, das Rollos Eintreffen in ihr geweckt hatte, glücklich überwunden war, war voller Freude, das treue Tier wieder um sich zu haben. Roswithe wurde belobt, und der alte Briest erging sich, seiner Frau gegenüber, in Worten der Anerkennung für Instetten, der ein Kavalier sei, nicht kleinlich, und immer das Herz auf dem rechten Fleck gehabt habe. ”Schade, dass die dumme Geschichte dazwischenfahren musste. Eigentlich war es doch ein Musterpaar.”“ Theodor Fontane: „Effi Briest“

Personaler Erzähler

Der PE taucht eigentlich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. (Von einigen Ausnahmen unter den Klassikern abgesehen)

·      Es wird in der dritten Person erzählt (Er/ Sie)

·      Ein wirklicher Erzähler ist den LeserInnen nicht bewusst

·      Die AutorInnen entscheiden sich zu Beginn, aus wessen Blick sie erzählen wollen

·      Vorsicht! Dieser Blickwinkel darf nicht wild gewechselt werden! Zumindest innerhalb eines Kapitels/ größeren Sinnabschnitts sollte man bei einer Perspektive bleiben; So kann aber durchaus ein Kapitel aus dem Blickwinkel einer Person erzählt werden, und im nächsten Kapitel dann aus der Sicht einer anderen Figur

·      Durch diese sehr persönliche Perspektive gelingt den LeserInnen keine neutrale Haltung mehr; Sie müssen die Perspektive des Erzählers einnehmen und entsprechend Position beziehen

·      Das Geschehen wird wesentlich intensiver von den LeserInnen empfunden

·      Es ist hier so, als würde man mit seinem Spotscheinwerfer auf einer bestimmten Figur bleiben und nur sie begleiten

Beispiel:

„Zunächst wollte er ruhig und ungestört aufstehen, sich anziehen und vor allem frühstücken, und dann erst das Weitere überlegen, denn, das merkte er wohl, im Bett würde er mit dem Nachdenken zu keinem vernünftigen Ende kommen. Er erinnerte sich, schon öfters im Bett irgendeinen vielleicht durch ungeschicktes Liegen erzeugten, leichten Schmerz empfunden zu haben, der sich dann beim Aufstehen als reine Einbildung herausstellte, und er war gespannt, wie sich seine heutigen Vorstellungen allmählich auflösen würden.“

Franz Kafka: Die Verwandlung. 1915

Ich- Erzähler

·      Erzähler und handelnde Figur sind identisch

·      Das erzählende Ich ist aber oftmals erfahrener als das handelnde/ erzählte Ich

·      Das erzählende Ich kann so z.B. seine eigenen Handlungen werten und in einen Kontext stellen

·      Es ergibt sich allerdings eine Einschränkung an dem, was dargestellt und kommentiert werden kann, da ja eben nur aus der Sicht einer Figur erzählt wird

Beispiel:

„Vergangene Nacht träumte ich, ich wäre wieder in Manderley. Mir war, als stünde ich vor dem eisernen Tor, das zur Auffahrt führte, und eine Weile konnte ich nicht eintreten, denn der Weg war versperrt. Am Tor hing eine Kette mit einem Vorhängeschloss. Im Traum rief ich nach dem Pförtner, erhielt aber keine Antwort, und als ich durch das die rostigen Gitterstäbe spähte, sah ich, dass das Pförtnerhaus unbewohnt war. (…) Ich habe nichts mehr gemein mit der jungen Frau, die damals zum ersten Mal voller Hoffnung und Eifer nach Manderley fuhr…“ Daphne du Maurier: Rebecca

Für welche Perspektive sollte man sich als AutorIn entscheiden?

Keine Ahnung.

Es kommt auf Deine Story an. Auf die Geschichte, die du erzählen willst. Willst du Identifikation zulassen? Erzwingen? Verhindern?

Sollen die LeserInnen in ein bestimmtes Paar Schuhe schlüpfen dürfen, vielleicht sogar die Schuhe das eine oder andere Mal wechseln?

Bleiben wir bei Rebecca

Sie heiratet überraschend den wesentlich älteren, verwitweten Maxim de Winter, der sie nach Manderley, sein Landhaus am Meer, mitnimmt.

Dort trifft sie mit der ebenso geheimnisvollen wie – offensichtlich – besessenen Haushälterin Mrs. Danvers zusammen, die noch immer in abgöttischer Zuneigung an der tödlich verunglückten ersten Mrs. De Winter hängt.

Natürlich hätte Du Maurier die Geschichte der jungen Protagonistin in auktorialer Erzählweise berichten können.

Dann wäre die Spannung sicherlich erhalten geblieben. Alle Gefühle hätten in der gleichen Bandbreite geschildert werden können.

Zudem hätte sie die Geschehnisse aus der Sicht von Maxim oder Mrs. Danvers schildern können, was dem Ganzen unter Umständen sogar noch mehr Tiefe gegeben hätte.

Warum also hat sie sich für die Ich- Perspektive entschieden?

Natürlich bin ich nicht Daphne Du Maurier, aber ich kann mir denken, wieso sie es getan hat.

Die Geschichte wird deswegen so geheimnisvoll, weil wir LeserInnen in die gleiche, hilflose Situation geworfen werden wie die Heldin.

Je auswegloser ihre Situation wird, desto auswegloser wird sie auch für uns.

Hier wird eine nicht zu toppende Nähe zur Heldin geschaffen.

Wobei wir natürlich bereits zu Beginn des Romans erfahren, dass sie alles überstanden hat und auch die Ehe mit Maxim nicht gescheitert ist.

Das heißt: Du Maurier zwingt uns zur Konzentration auf die Handlung an sich, wenn sie sich dadurch natürlich auch einen Gutteil der möglich gewesenen Spannung nimmt.

Was ist nun das Fazit?

Ihr müsst die Entscheidung selbst treffen.

Wollt Ihr Eure Geschichte wie eine Art schreibender Gott erzählen, oder – auf dem anderen Ende des Spektrums – unausweichlich und direkt als Ich- ErzählerIn?

Übrigens muss das nicht zwingend eine Sackgasse sein.

Ich denke hier an den Film „Legend“ über die Kray- Brüder, gespielt von Tom Hardy. Deren Geschichte wird aus dem Off von Reggies Frau Frances (Emily Browning) erzählt und kommentiert.

Der Knackpunkt kommt, als Frances sich das Leben nimmt.

Und… weiter kommentiert, eben auch ihren eigenen Tod, sowie den Untergang ihres Witwers und dessen Zwillingsbruders.

Ihr seht – Ihr habt alle Möglichkeiten auch mit den Techniken zu spielen. Wichtig ist nur – Jonglieren muss gekonnt sein, wenn es gut aussehen soll, und man nicht am Ende hinter seinen Bällen herrennen will…

Hey Buch – Erklär‘ mir das!

Was macht einen guten historischen Roman aus?

Das ist eine Frage, die ich mir oft gestellt habe und erst beantworten konnte, nachdem ich ein paar Titel von Philippa Gregory und Hilary Mantel gelesen hatte.

Zunächst darf es keine historischen Schnitzer geben. Also wenn Anne Boleyn gehängt wird, solltest du das Buch getrost wegwerfen. Außer es ist eine Story à la „Abraham Lincoln – Vampirjäger“ (Seth Grahame- Smith), dann passt es schon wieder.

Aber um diese Titel kümmern wir uns heute nicht, sondern um ernsthaft historische Romane.

Denkvoraussetzung:

  1. Es handelt sich um einen Roman
  2. Niemand hat die Kerze gehalten
  3. Die Geschehnisse liegen mehr oder minder lange zurück
  4. Es handelt sich um einen Roman

Warum taucht 1. zweimal auf? – Damit du es nicht vergisst!

Ein historischer Roman leitet gerne in die Irre, denn er gibt vor, etwas zu sein, was er nicht ist, nämlich eine Ansammlung von Tatsachen.

Im Vergleich zum komplett erfundenen Roman führt uns der historische Roman ab Seite 1 in die Irre, denn wir kennen zumindest einen Teil der handelnden Figuren als (einst) real existierende Menschen.

Wir haben über sie gelesen, Dokumentationen gesehen usw.

Wir wissen, dass sie wirklich gelebt haben.

Und damit beginnt die Schwierigkeit, abzugrenzen was wahr ist und was erfunden.

Zumal gute Autoren es durchaus schaffen, in ihrem Schreiben Realität vorzutäuschen.

Nicht nur, weil die Figuren an sich glaubwürdig sind, sondern weil eine Autorin wie zum Beispiel Hilary Mantel auch noch im Präsens schreibt und ganz aus der Sicht ihres Helden. Da gibt es dann nur noch ein Paar Schuhe, in das die LeserInnen steigen können – in dem Fall das von Thomas Cromwell. („Tudor“- Trilogie)

Wer solch subjektive Äußerungen liest, kann eigentlich schon fast nicht mehr anders, als davon ausgehen: „So war es wirklich.“

Das dürfte u.a. den ungeheuren Erfolg von Mantel ausmachen. Von ihrem profunden historischen Wissen mal abgesehen…

Eine ähnliche Technik findet sich übrigens schon in der mittelalterlichen Literatur selbst, wenn der Dichter den Wahrheitsgehalt seiner Aventiuren damit unterstreicht, dass er diese von einem „Augenzeugen“ hat, oder sie einem alten Manuskript entnommen hat, das natürlich von einer absolut unantastbaren Quelle stammt.

Umberto Eco verbeugt sich übrigens zu Beginn des Romans „Im Namen der Rose“ vor seinen Vorgängern, indem er ebenfalls einen solchen „Beleg“ vorausschickt. (Der Erzähler der Rahmenhandlung berichtet, auf welchen Wegen ihm die Handschrift zukam, welche die Lebenserinnerungen des Mönchs Adson von Melk beinhaltet, die er nun dem Publikum zugänglich macht, und die den Hauptteil von Ecos Roman ausmacht.)

Nun haben wir gesehen, welche Kunstgriffe AutorInnen seit jeher anwenden, um die Glaubwürdigkeit ihrer Texte zu belegen.

(Wobei die meisten modernen AutorInnen sich damit begnügen, in ihrem Vorwort auf ihr Quellenstudium zu verweisen.)

Komm wieder auf den Punkt, meine Liebe!

Was macht aber nun wirklich einen guten historischen Roman aus?

Eine tolle Story natürlich!

Die Figuren müssen zudem nachvollziehbar sein. Oder wir müssen uns dies wenigstens einbilden dürfen.

Oder was denkt Ihr, wieso so wenige Romane bei den Neandertalern spielen?

Exakt.

Doch auch hier müssen wir uns ins Gedächtnis rufen, dass es sich dabei um eine Vorspiegelung falscher Tatsachen handelt.

AutorInnen, zumal die guten, schaffen es, menschliches Handeln nachvollziehbar zu machen, ohne dabei unsere moderne Brille zu tragen.

Wenn wir über die Verfolgung von (wahlweise) Katholiken, Protestanten und Abweichlern im Tudor- England lesen, empören wir uns gerne ob der herrschenden Intoleranz.

Sparen dabei aber aus, dass ein Herrscher in der Vergangenheit sich wahrhaftig als Vater seines/ Mutter ihres Volkes empfunden hat.

Und wenn jemand drohte, sein Seelenheil aufs Spiel zu setzen, weil er mit einer anderen Religion liebäugelte, war der Landesvater/ die Landesmutter praktisch gezwungen, durchzugreifen. Zum einen, um diese Person zu retten, und zum andern, um jene zu schützen, die ebenfalls „vergiftet“ werden könnten.

Denn es stand nicht weniger auf dem Spiel als die ewige Verdamnis. Und auch der Herrscher/ die Herrscherin konnte sicher sein, dass er/ sie bei Nicht- Durchgreifen selbst in Erklärungsnot vor Gott käme.

Ein guter Autor/ eine gute Autorin stellen mir diesen Umstand vor Augen.

Und dies führt mich nun zu jenem Punkt, der für mich persönlich bei einem historischen Roman am wichtigsten ist:

Er muss mir Dinge glaubhaft machen, erklären, die ich vorher nicht verstanden habe.

Hier mein Beispiel:

Als Anne Boleyn hingerichtet wurde, ließ König Henry VIII extra einen Scharfrichter aus Frankreich kommen, um ihr einen schmerzlosen Tod mit dem Schwert zu verschaffen.

Nach der Exekution aber wurde ihr Körper – in Ermangelung eines Sarges – von ihren Damen in einen Kasten gelegt, der eigentlich zur Aufbewahrung von Pfeilen gedient hatte.

Es gab keinen Sarg!

Ich habe diesen Punkt nie verstanden.

Warum schafft man es, einen Scharfrichter den weiten Weg aus Frankreich kommen zu lassen, der noch dazu sehr kostspielig ist, und hat dann noch nicht mal einen Sarg? Ignoranz? Herabwürdigung der Toten?

Ich wusste es nicht.

Bis Hilary Mantel es mir erklärt hat. (Oder besser gesagt – Thomas Cromwell es mir erzählte…)

Man hatte es schlicht und einfach vergessen. Schlechte Vorbereitung. Und dazu die Überlegung, dass die Hinrichtungen gar nicht wirklich stattfinden werde.

War es wirklich? Ich weiß es nicht. Hilary Mantel weiß es nicht. Aber – Es ist eine verdammt gute Erklärung für einen historischen Fakt.

Ich selbst habe diesen Ansatz bei meinem Jack the Ripper- Roman „Jack the Ripper – Symphonie des Grauens“ (unter dem Pseudonym Elizabeth Bellamy) verwendet.

Am 30. September 1888 wurde zunächst Elizabeth Stride ermordet. Dies scheinbar in großer Eile, denn es gab so gut wie keine Verstümmelungen.

Eine knappe dreiviertel Stunde später entdeckte man dann die Leiche von Catherine Eddowes. Bei ihr wurden nun diverse Verstümmelungen festgestellt.

Dieser Doppel- Mord gibt seit über 130 Jahren Rätsel auf.

Ich kenne die Erklärung nicht, aber in meinem Roman liefere ich folgende mögliche Lösung: Stride wurde vom Ripper aus dem Weg geräumt, weil sie herumposaunt hatte, dass sie wisse, wer der Ripper sei. Wirklich in sein Schema passte aber das zweite Opfer jener Nacht. Catherine Eddowes wollte er aus Lust töten.

Da er durch den ersten Mord nicht die ausreichende Befriedigung erfahren hatte, musste Eddowes auch noch sterben.

Eine – wie ich meine – gute Erklärung.

Wir sehen also historische Ereignisse Dank des Romans in einem neuen Licht. Wir beginnen Dinge zu verstehen, die uns zuvor so zumindest nicht bewusst waren.

Wirklich gute historische Romane transportieren uns in eine (weit) zurückliegende Vergangenheit und schaffen es dennoch, dass wir beim Lesen das Gefühl haben, diese Welt wahrhaftig zu erfahren.

Und um wie vieles lieber kehren wir dann in unsere Gegenwart zurück…

Sollten wir diese Gegenwart nun allerdings nicht so sehr genießen, wie angemessen wäre, können wir jeder Zeit wieder unsere Zeitmaschine besteigen…

Englische Aussprache – wie einfach ist das denn! Oder doch nicht?

Wer sich mit englischer Geschichte auskennt, weiß, dass 1066 ein echtes Schicksalsjahr war, das die englische Geschichte für immer veränderte.

Die Schlacht bei Hastings brachte Wilhelm den Eroberer/ William the Conqueror/ Guillaume le Conquerant auf den Thron und machte aus den Angelsachsen Untertanen und Teile eines Feudalsystems.

Dass ich Williams Namen in drei Sprachen schreibe, hat seine Gründe- Wilhelm war Franzose. Normanne, genauer gesagt. Er brachte Französisch als Sprache der Mächtigen mit sich nach England, genau wie Forts, die man binnen Stunden zusammenbauen konnte und Burgen aus Stein.

Von nun an sprachen Generationen englischer Herrscher Französisch.

Noch heute heißt das Wappen- Motto des englischen Königs „Dieu et mon Droit“ (= „Gott und mein Recht“). Das Motto des Hosenbandordens lautet: „Honi soit qui mal y pense!“

(= „Schande über den, der Übles dabei denkt!“)

Wohingegen Prince Charles‘ Motto als Prince of Wales lautet „Ich dien“ (= „Ich diene“) und damit sehr deutsch daherkommt. (Was bei den Windsors auch keine große Überraschung ist)

Offiziell geendet hat das lustige Französisieren erst mit Henry IV (1399–1413). Er war der erste König, der seinen Krönungseid auf Englisch ablegte.

Und im Prinzip geht es noch immer weiter, denn diverse Begriffe im englischen Parlament leiten sich aus dem Französischen ab. („Soit baille aux Communes“= Steht auf Gesetzesinitiativen die vom House of Lords an das House of Commons weitergegeben werden; „Le Roy/La Reyne le veult“= „Der König/ die Königin will es“ = Vom Herrscher akzeptierte Gesetzgebung)

Hey – wirklich spannend, wenn die Könige es plötzlich auf Französisch machen… Aber was hat das mit Aussprache zu tun?

Na, nun rate mal…

Zunächst haben wir angelsächsische Namen und Wörter, die sich erhalten haben. Diese werden nun französisch ausgesprochen und – teilweise auch geschrieben.

Hinein mischen sich jetzt auch Schotten, Iren und Waliser, die ihre Sprache mitbringen.

Und dann haben sich die Engländer ihre Sprache zurückgeholt.

So fahren wir heute in London durch die Rotten Row und gehen davon aus, dass das mal eine ganz üble Ecke gewesen sein muss.

Keineswegs. Es war sogar dereinst die „Route du Roi“ (= „Straße des Königs“)

So und damit nun niemand sich mehr blamieren muss, wenn es um die englische Aussprache geht, habe ich mal das Netz ausgeworfen und ein paar Beispiele eingefangen…

Featherstonehaugh (Familienname) = „Fennscho“ (s.a. „Fanshaw“)

Cholmondeley (Familienname) = „Tschammli“

Leicester (Geografischer Name u. Adelstitel) = „Lester“

Ralph (Vorname) = „Reif“ oder auch „Raaaf“

Alnwick (Schloss) = „Änick“

Windsor (Schloss; Familienname) = „Winnsa“

Worcester (Geograph. Name; Würzsauce) = „Wussta“

Alresford (Geograph. Name) = „Ailsfod“

Barnoldswick (Geograph. Name) = „Barlick“

Ruthven (Familienname) = „Riwen“

Beaulieu (Geograph. Name; Schloss) = „Bjuli“

Bicester (Geograph. Name) = „Bister“

Wriothesley (Familienname) = „Riiisli“

Salisbury (Geograph. Name) = „Soolsböri“

MacLeod (Familien/ Clansname) = „Mäklaut“

Crichton (Familienname) = „Kreitn“

Dalziel (Familienname) = „Di-el“

Beauchamp (Familienname) = „Biiitschem“

Wer sich in dem Bereich noch weiter umtun möchte, dem seien als Ausgangspunkt die entsprechenden Seiten auf Wikipedia empfohlen. Hier finden sich auch noch diverse Literaturhinweise.

Die Fotos danke ich, wenn nicht selbst fotografiert, wikipedia, shutterstock oder adobestock …

Wenn die Königin von England ein Duke ist

Nicht nur die Leserinnen von Rosamunde Pilcher- Romanen befassen sich zwangsläufig mit dem Thema Adelstitel. Es trifft im Prinzip alle LeserInnen und AutorInnen, wenn in deren Buch ein (englischer) Adliger auftaucht.

Beginnen wir mit einer Kuriosität …

Ein junger Mann begegnet mir, etwa Mitte dreißig, in Jeans und Poloshirt. Er reicht mir die Hand und stellt sich vor: „Hallo. Hugh Grosvenor. Nennen Sie mich Hugh…“

Überrascht stelle ich fest, dass ich die Einzige zu sein scheine, die ihn lediglich für einen netten jungen Mann hält. Man starrt ihn an. Handys werden gezückt.

Kurz darauf begreife ich, was passiert ist. Der nette junge Mann ist kein anderer als der 7. Duke of Westminster. Ihm gehört ungefähr die Hälfte der exklusivsten Stadtteile Londons. Sein Familienvermögen wurde 2016 auf rund 9,4 Milliarden Pfund geschätzt.

Toll. Und was hat das mit dem Duke of Lancaster zu tun?

Ganz einfach! Es geht doch um englische Adelstitel. Ohne die kommt nämlich so gut wie kein Autor/ Autorin historischer Romane/ englischer Krimis/ Liebesromane/ Erotikromane etc. aus und die haben so ihre Fallstricke.

Wie schon an dem kleinen Beispiel oben gesehen, muss man da schwer auf der Hut sein.

Zunächst folgende Feststellung:

Englische Adelstitel funktionieren anders als die in Deutschland. 

In Deutschland hast du eine Adelsfamilie, z.B. die Familie von Weizsäcker. Jedes Kind, das einem Herrn oder einer Frau von Weizsäcker geboren wird, heißt mit Nachnamen „von Weizsäcker“. (Wobei seit dem WKI das Von Bestandteil des Nachnamens und nicht mehr Titel ist, die gibt es seitdem offiziell nämlich nicht mehr…)

In England hingegen hält nur jeweils der älteste Sohn den Titel. (s.a.“Primogenitur“)

Deswegen haben englische Adlige immer noch einen (bürgerlichen) Familiennamen. Darum ist eben der nette Duke of Westminster im „wirklichen Leben“ Hugh Grosvenor.

Stirbt ein Titelträger ohne einen Sohn zu hinterlassen, machen sich die Genealogen auf die Suche nach dem ältesten lebenden Sohn des vorherigen Titelträgers.

Sollte der nette Master Grosvenor also ohne männlichen Erben sterben (Achtung Ladies: er ist derzeit – Stand. 2022 – nicht mal verheiratet!!!), wird der nächste Duke der 1934 geborene Francis Grosvenor und derzeitige 8. Earl of Wilton. (Wobei ich seine Chancen – rein statistisch gesehen – als recht gering einschätze).

Nun also zu den Titeln. Weil das Ganze echt komplex ist, habe ich es in eine Tabelle gegossen, wobei ich zwischendurch noch kleine Zusatzinfos eingefügt habe, denen man aber vielleicht entnehmen kann, dass dieses Titel- Ding komplex wie ein Schachspiel ist. 

Ich kann also jeden verstehen, der am Ende des Blogs einen tiefen inneren Drang zum Kommunismus verspürt…

Titel Anrede Bezeichnung Erklärung Briefe/ Mails
King/ Queen Your Majesty H.M. (His oder Her Majesty) Handelt es sich um einen männlichen Herrscher, wird seine Ehefrau Queen genannt. Handelt es sich um eine Herrscherin (aus eigenem Recht, wie die Queen), dann kann der Ehemann den Ehrentitel „Prince Consort“ verliehen bekommen. (Siehe Albert, den Ehemann von Queen Victoria). Muss aber nicht. (Siehe Prince Philipp, den Ehemann von Queen Elizabeth, dem wohl seine Affären krummgenommen wurden. Aber das ist für einen anderen Tag…) Hypothetische Freizeile, denn du schreibst natürlich nicht an die Königin, höchstens an ihren Privatsekretär.
Prince/ Queen Consort Ehrentitel für den Ehepartner des Herrschers (s.o.) Zum Besipiel Queen Elizabeth The Queen Mother.
Prince/ Princess HRH (His/ Her Royal Highness) „Your Royal Highness“, im weiteren Gespräch „Ma‘ am“ oder „Sir“; In Brief oder Gespräch nie nur „You“, sondern stets: „Your Royal Highness“ Sohn/ Tochter/ Ehepartner/ direkte Familie des Monarchen; Der älteste Sohn des Monarchen wird traditionell „Prince of Wales“, weil er dort ursprünglich das Regieren erlernen sollte.
Duke/ Duchess His Grace the Duke of … „Her Grace… The Most High, Noble and Potent Prince His Grace (Vorname), Duke of…“ „Your Grace“ (formelle Anrede sowie Angestellte/ Untergebene); „Duke“ im gesellschaftlichen Umgang Ihm/ ihr untersteht eine Duchy oder ein Dukedom (z.B. „Duchy of Cornwall“ beim Prince of Wales aka Prince Charles); Meist Prinzen/ Prinzessinnen königlichen Geblüts; Der Ehemann einer Duchess aus eigenem Recht* erhält keinen Titel; Formelle Anschreiben: „My Lord Duke“; Umschlag: „His Grace The Duke of XY“ „Madam“; Umschlag: „Her Grace The Duchess of XY“ Weniger formell: „My Lord Duke“; Umschlag: „The Duke of XY“ „Madam“; Umschlag: „The Duchess of XY“ Private Anschreiben: „Dear Duke of XY“ oder „Dear Duke“; Umschlag: „The Duke of XY“; „Dear Duchess of XY“ oder „Dear Duchess“; Umschlag: „The Duchess of XY“
Marquess/ Marchioness „The Most Honourable The Marquess of… My Lord XY My Lady XY Lord/ Lady; Ehrentitel der Söhne: „the Lord (Vorname)(Nachname)“ Der Töchter: „The Lady (Vorname)(Nachname)“; Ist „Marquess“ der Ehrentitel (bei dem Erben einer Duchy/ Dukedoms muss es stets ein Titel sein, der eine Stufe unter dem des Titelhalters steht), so ist er lediglich Marquess of XY und nicht „Most Honourable“; Er/ sie ist der Earl einer wichtigen County in Grenzlanden, auch bekannt als „Marches“; Von ihnen gibt es derzeit 34; Der Titelhalter unterschreibt nur mit dem Namen des Titels (Der Marquess of Salisbury unterschreibt als Salisbury) Formelle Anschreiben: „My Lord Marquess“ oder „My Lord“; Umschlag: „The Most Hon. The Marquess of XY“ „Madam“; Umschlag: „The Most Hon. The Marchioness of XY“
Earl/ Countess Lord/ Lady XY „Lord XY“/ „Lady XY“ Kopf eines County; („Graf“ in Deutschland); Wortherkunft: „Eorl“ oder „Yarl“; Formelle Anschreiben: „My Lord“; Umschlag: „The Right Hon. The Earl of XY“ „Madam“; Umschlag: „The Right Hon. The Countess of XY“ Weniger formell: „My Lord“; Umschlag: „The Earl of XY“ „Madam“; Umschlag: „The Countess of XY“ Private Anschreiben: „Dear Lord XY“ oder „Dear XY“; Umschlag: „The Earl of XY“ „Dear Lady XY“; Umschlag: „The Countess of XY“
Viscount/ Viscountess Lord XY/ Lady XY Your Lordship/ Your Ladyship Steht direkt unter dem Earl; Ursprüngl. Richter und Verwaltungschefs einer bestimmten Region in einem County. „My Lord“/ „Madam“ Formelle Schreiben/ Briefumschlag: „The Right Hon. The Viscount of XY“ „The Right Hon. The Viscountess of XY“ Weniger formelle Schreiben: „The Viscount of…“/ „The Viscountess of…“ Briefanrede: „Dear Lord XY“ oder „Dear XY“/ „Dear Lady XY“
Baron/ Baroness Lord XY/ Lady XY (The Right Hon) The Lord XY (The Right Hon.) The Lady XY/ The Baroness XY Sir/ Dame; Mitglied des Adels ohne Titel aber mit Landbesitz: „Esquire“/ „Gentleman“; My Lord; My Lady Formelle Anschreiben: „My Lord“ – Umschlag: „The Right Hon. Lord XY“ „Madam“- Umschlag: The Right Hon. Lady XY“ Weniger formelle Anschreiben: „My Lord“; Umschlag: „The Lord XY“ „Madam“; Umschlag: „The Lady XY“ Weniger formelle Anschreiben: „Dear Lord XY“ oder „Dear XY“; Umschlag: „The Lord XY“ „Dear Lady XY“; Umschlag: „The Lady XY“
Courtesy Title/ Ehrentitel Wird einem bürgerlichen Ehepartner eines Mitglieds der königlichen Familie verliehen; Nicht zwingend erblich; Auch bei Angehörigen eines Adligen, die keinen Titel tragen; Da solche Titel keine juristische Bedeutung haben, wird in Schreiben „John Smith Esq.“ angeschrieben und nicht „Lord John Smith“.
Baronet My Lord My Lady Gehört nicht zu den Adelstiteln, obwohl der Titel vererbt werden kann;
Knight Steht noch unter dem Baronet und ist eher ein Ehrentitel

* Titel aus eigenem Recht/ In Her Own Right: Titel können auch auf älteste Töchter übergehen; Diese halten dann den Titel aus eigenem Recht, sprich: nicht weil sie den Titel über ihren Ehemann „erheiratet“ haben;

Soooo… Das war wohl heftiger Tobak.

Wer sich weiter in das Thema vertiefen möchte, dem empfehle ich folgende Seiten:

Wikipedia: Courtesy Titles in the United Kingdom

www.thenenglishmanner.com

Wikipedia: Forms of address in the United Kingdom

Wikipedia: British nobility

www.infoplease.com/ Noble Titles and Ranks in a Monarchy

www.debretts.com 

www.historic-uk.com 


Wenn gar nichts mehr hilft, könnte Ihr auch (wie ich es schon gemacht habe) an das englische Oberhaus schreiben und dort um Hilfe bitten. Mir hat man damals schnell, freundlich und kompetent geholfen.


Und immer schön dran denken- wenn Ihr dem netten jungen Mr. Grosvenor* begegnet… Benehmt euch!


* Vielleicht sollte ich mal einen Blog über die Aussprache im Englischen machen. („Grooooovenohr“); Da könnte ich dann auch auf Worcester eingehen, Leicester, Wriothesley oder Ruthven… Damit Ihr euch NIE mehr blamiert!


Hey Hey Hey… nicht so schnell, meine Dame!!!

Und wie ist das denn nun mit der Königin und dem Duke of Lancaster?

Ja. Stimmt. Sorry. Ganz vergessen.

Die Vorgängerin der Queen im Amt, Queen Victoria, trug den Titel auch. Und sie war der Meinung, dass „Duchess“ die Bezeichnung nur für die Ehefrau des Titelträgers sei. Liege nun der Titel aber bei einer Frau in her own right – dann müsse dies dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass sie „Duke of – in dem Fall – Lancaster“ genannt wird.

(Diese Sache würde ich zu gerne in die Gendering- Diskussion einbringen… Aber das ist für einen anderen Tag…)