Nicht nur die Leserinnen von Rosamunde Pilcher- Romanen befassen sich zwangsläufig mit dem Thema Adelstitel. Es trifft im Prinzip alle LeserInnen und AutorInnen, wenn in deren Buch ein (englischer) Adliger auftaucht.
Beginnen wir mit einer Kuriosität …
Ein junger Mann begegnet mir, etwa Mitte dreißig, in Jeans und Poloshirt. Er reicht mir die Hand und stellt sich vor: „Hallo. Hugh Grosvenor. Nennen Sie mich Hugh…“
Überrascht stelle ich fest, dass ich die Einzige zu sein scheine, die ihn lediglich für einen netten jungen Mann hält. Man starrt ihn an. Handys werden gezückt.
Kurz darauf begreife ich, was passiert ist. Der nette junge Mann ist kein anderer als der 7. Duke of Westminster. Ihm gehört ungefähr die Hälfte der exklusivsten Stadtteile Londons. Sein Familienvermögen wurde 2016 auf rund 9,4 Milliarden Pfund geschätzt.
Toll. Und was hat das mit dem Duke of Lancaster zu tun?
Ganz einfach! Es geht doch um englische Adelstitel. Ohne die kommt nämlich so gut wie kein Autor/ Autorin historischer Romane/ englischer Krimis/ Liebesromane/ Erotikromane etc. aus und die haben so ihre Fallstricke.
Wie schon an dem kleinen Beispiel oben gesehen, muss man da schwer auf der Hut sein.
Zunächst folgende Feststellung:
Englische Adelstitel funktionieren anders als die in Deutschland.
In Deutschland hast du eine Adelsfamilie, z.B. die Familie von Weizsäcker. Jedes Kind, das einem Herrn oder einer Frau von Weizsäcker geboren wird, heißt mit Nachnamen „von Weizsäcker“. (Wobei seit dem WKI das Von Bestandteil des Nachnamens und nicht mehr Titel ist, die gibt es seitdem offiziell nämlich nicht mehr…)
In England hingegen hält nur jeweils der älteste Sohn den Titel. (s.a.“Primogenitur“)
Deswegen haben englische Adlige immer noch einen (bürgerlichen) Familiennamen. Darum ist eben der nette Duke of Westminster im „wirklichen Leben“ Hugh Grosvenor.
Stirbt ein Titelträger ohne einen Sohn zu hinterlassen, machen sich die Genealogen auf die Suche nach dem ältesten lebenden Sohn des vorherigen Titelträgers.
Sollte der nette Master Grosvenor also ohne männlichen Erben sterben (Achtung Ladies: er ist derzeit – Stand. 2022 – nicht mal verheiratet!!!), wird der nächste Duke der 1934 geborene Francis Grosvenor und derzeitige 8. Earl of Wilton. (Wobei ich seine Chancen – rein statistisch gesehen – als recht gering einschätze).
Nun also zu den Titeln. Weil das Ganze echt komplex ist, habe ich es in eine Tabelle gegossen, wobei ich zwischendurch noch kleine Zusatzinfos eingefügt habe, denen man aber vielleicht entnehmen kann, dass dieses Titel- Ding komplex wie ein Schachspiel ist.
Ich kann also jeden verstehen, der am Ende des Blogs einen tiefen inneren Drang zum Kommunismus verspürt…
Titel | Anrede | Bezeichnung | Erklärung | Briefe/ Mails |
---|---|---|---|---|
King/ Queen | Your Majesty | H.M. (His oder Her Majesty) | Handelt es sich um einen männlichen Herrscher, wird seine Ehefrau Queen genannt. Handelt es sich um eine Herrscherin (aus eigenem Recht, wie die Queen), dann kann der Ehemann den Ehrentitel „Prince Consort“ verliehen bekommen. (Siehe Albert, den Ehemann von Queen Victoria). Muss aber nicht. (Siehe Prince Philipp, den Ehemann von Queen Elizabeth, dem wohl seine Affären krummgenommen wurden. Aber das ist für einen anderen Tag…) | Hypothetische Freizeile, denn du schreibst natürlich nicht an die Königin, höchstens an ihren Privatsekretär. |
Prince/ Queen Consort | Ehrentitel für den Ehepartner des Herrschers (s.o.) Zum Besipiel Queen Elizabeth The Queen Mother. | |||
Prince/ Princess | HRH (His/ Her Royal Highness) | „Your Royal Highness“, im weiteren Gespräch „Ma‘ am“ oder „Sir“; In Brief oder Gespräch nie nur „You“, sondern stets: „Your Royal Highness“ | Sohn/ Tochter/ Ehepartner/ direkte Familie des Monarchen; Der älteste Sohn des Monarchen wird traditionell „Prince of Wales“, weil er dort ursprünglich das Regieren erlernen sollte. | |
Duke/ Duchess | His Grace the Duke of … „Her Grace… The Most High, Noble and Potent Prince His Grace (Vorname), Duke of…“ | „Your Grace“ (formelle Anrede sowie Angestellte/ Untergebene); „Duke“ im gesellschaftlichen Umgang | Ihm/ ihr untersteht eine Duchy oder ein Dukedom (z.B. „Duchy of Cornwall“ beim Prince of Wales aka Prince Charles); Meist Prinzen/ Prinzessinnen königlichen Geblüts; Der Ehemann einer Duchess aus eigenem Recht* erhält keinen Titel; | Formelle Anschreiben: „My Lord Duke“; Umschlag: „His Grace The Duke of XY“ „Madam“; Umschlag: „Her Grace The Duchess of XY“ Weniger formell: „My Lord Duke“; Umschlag: „The Duke of XY“ „Madam“; Umschlag: „The Duchess of XY“ Private Anschreiben: „Dear Duke of XY“ oder „Dear Duke“; Umschlag: „The Duke of XY“; „Dear Duchess of XY“ oder „Dear Duchess“; Umschlag: „The Duchess of XY“ |
Marquess/ Marchioness | „The Most Honourable The Marquess of… My Lord XY My Lady XY | Lord/ Lady; Ehrentitel der Söhne: „the Lord (Vorname)(Nachname)“ Der Töchter: „The Lady (Vorname)(Nachname)“; Ist „Marquess“ der Ehrentitel (bei dem Erben einer Duchy/ Dukedoms muss es stets ein Titel sein, der eine Stufe unter dem des Titelhalters steht), so ist er lediglich Marquess of XY und nicht „Most Honourable“; | Er/ sie ist der Earl einer wichtigen County in Grenzlanden, auch bekannt als „Marches“; Von ihnen gibt es derzeit 34; | Der Titelhalter unterschreibt nur mit dem Namen des Titels (Der Marquess of Salisbury unterschreibt als Salisbury) Formelle Anschreiben: „My Lord Marquess“ oder „My Lord“; Umschlag: „The Most Hon. The Marquess of XY“ „Madam“; Umschlag: „The Most Hon. The Marchioness of XY“ |
Earl/ Countess | Lord/ Lady XY | „Lord XY“/ „Lady XY“ | Kopf eines County; („Graf“ in Deutschland); Wortherkunft: „Eorl“ oder „Yarl“; | Formelle Anschreiben: „My Lord“; Umschlag: „The Right Hon. The Earl of XY“ „Madam“; Umschlag: „The Right Hon. The Countess of XY“ Weniger formell: „My Lord“; Umschlag: „The Earl of XY“ „Madam“; Umschlag: „The Countess of XY“ Private Anschreiben: „Dear Lord XY“ oder „Dear XY“; Umschlag: „The Earl of XY“ „Dear Lady XY“; Umschlag: „The Countess of XY“ |
Viscount/ Viscountess | Lord XY/ Lady XY | Your Lordship/ Your Ladyship | Steht direkt unter dem Earl; Ursprüngl. Richter und Verwaltungschefs einer bestimmten Region in einem County. | „My Lord“/ „Madam“ Formelle Schreiben/ Briefumschlag: „The Right Hon. The Viscount of XY“ „The Right Hon. The Viscountess of XY“ Weniger formelle Schreiben: „The Viscount of…“/ „The Viscountess of…“ Briefanrede: „Dear Lord XY“ oder „Dear XY“/ „Dear Lady XY“ |
Baron/ Baroness | Lord XY/ Lady XY (The Right Hon) The Lord XY (The Right Hon.) The Lady XY/ The Baroness XY | Sir/ Dame; Mitglied des Adels ohne Titel aber mit Landbesitz: „Esquire“/ „Gentleman“; My Lord; My Lady | Formelle Anschreiben: „My Lord“ – Umschlag: „The Right Hon. Lord XY“ „Madam“- Umschlag: The Right Hon. Lady XY“ Weniger formelle Anschreiben: „My Lord“; Umschlag: „The Lord XY“ „Madam“; Umschlag: „The Lady XY“ Weniger formelle Anschreiben: „Dear Lord XY“ oder „Dear XY“; Umschlag: „The Lord XY“ „Dear Lady XY“; Umschlag: „The Lady XY“ | |
Courtesy Title/ Ehrentitel | Wird einem bürgerlichen Ehepartner eines Mitglieds der königlichen Familie verliehen; Nicht zwingend erblich; Auch bei Angehörigen eines Adligen, die keinen Titel tragen; | Da solche Titel keine juristische Bedeutung haben, wird in Schreiben „John Smith Esq.“ angeschrieben und nicht „Lord John Smith“. | ||
Baronet | My Lord My Lady | Gehört nicht zu den Adelstiteln, obwohl der Titel vererbt werden kann; | ||
Knight | Steht noch unter dem Baronet und ist eher ein Ehrentitel |
* Titel aus eigenem Recht/ In Her Own Right: Titel können auch auf älteste Töchter übergehen; Diese halten dann den Titel aus eigenem Recht, sprich: nicht weil sie den Titel über ihren Ehemann „erheiratet“ haben;
Soooo… Das war wohl heftiger Tobak.
Wer sich weiter in das Thema vertiefen möchte, dem empfehle ich folgende Seiten:
Wikipedia: Courtesy Titles in the United Kingdom
Wikipedia: Forms of address in the United Kingdom
Wikipedia: British nobility
www.infoplease.com/ Noble Titles and Ranks in a Monarchy
Wenn gar nichts mehr hilft, könnte Ihr auch (wie ich es schon gemacht habe) an das englische Oberhaus schreiben und dort um Hilfe bitten. Mir hat man damals schnell, freundlich und kompetent geholfen.
Und immer schön dran denken- wenn Ihr dem netten jungen Mr. Grosvenor* begegnet… Benehmt euch!
* Vielleicht sollte ich mal einen Blog über die Aussprache im Englischen machen. („Grooooovenohr“); Da könnte ich dann auch auf Worcester eingehen, Leicester, Wriothesley oder Ruthven… Damit Ihr euch NIE mehr blamiert!
Hey Hey Hey… nicht so schnell, meine Dame!!!
Und wie ist das denn nun mit der Königin und dem Duke of Lancaster?
Ja. Stimmt. Sorry. Ganz vergessen.
Die Vorgängerin der Queen im Amt, Queen Victoria, trug den Titel auch. Und sie war der Meinung, dass „Duchess“ die Bezeichnung nur für die Ehefrau des Titelträgers sei. Liege nun der Titel aber bei einer Frau in her own right – dann müsse dies dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass sie „Duke of – in dem Fall – Lancaster“ genannt wird.
(Diese Sache würde ich zu gerne in die Gendering- Diskussion einbringen… Aber das ist für einen anderen Tag…)