Kaiserin Elisabeth von Österreich fasziniert die Menschen bis heute.
Auch mich.
Allerdings muss ich auch gestehen, dass mein Bild von ihr alles andere als positiv ist …
Da ich nun gerne all das hinterfrage, was ich so an Vorstellungen über die Vergangenheit habe, wartete ich sehnsüchtig auf eine neue Sisi-Biografie, die eventuell noch das eine oder andere Neue seit Erscheinen der epochalen Kaiserinnen-Biografie von Brigitte Hamann bringen würde.
Mir konnte geholfen werden!

Zunächst eine WARNUNG!
Dieses Buch zerschießt euch alle rosaroten Blütenträume, die ihr je von Sisi gehabt haben mögt und füllt gleichzeitig jene Lücken, die Hamann noch stehen lassen musste, da die entsprechenden Quellen einfach nicht vorlagen.
Da es zahllose Biografien gibt, die das Leben der Kaiserin schildern, konzentriert sich Katrin Unterreiner auf jene Bereiche, die aufzuklären sie sich vorgenommen hat. Seien es die Reisen der Kaiserin, ihr Begleitpersonal oder ihr privates Vermögen.
Hier tun sich dann auch Abgründe auf, wenn ich das so sagen darf, ohne zu Spoilern.
Mein eigenes Bild der Kaiserin war – jenseits meiner Liebe zu Romy Schneider und jenseits der Sissi-Filme – ein negatives.
In meinen Augen war sie eine auf SEHR hohem Niveau jammernde Frau, die sich selbst permanent bemitleidete und mit einer kaum noch nachvollziehbaren Egomanie alle und alles ignorierte, worum sie sich eigentlich hätte kümmern müssen. Inklusive ihrer engsten Familie.
Nun dachte ich immer, dass ich ein zu negatives Bild von Sisi hätte und wartete gespannt auf Unterreiners Buch, das neue Informationen und Belege versprach.
Ich wurde nicht enttäuscht.
Wir alle wissen ja, dass der Großteil von Sisis Erwachsenenleben aus Reisen bestand. Wohl gemerkt: Vergnügungsreisen! Denn sie vermied es so gut es nur ging, auf andere Staatsoberhäupter zu treffen, oder sonstwie zu repräsentieren.
Für diese Reisen kamen der Kaiser privat oder die kaiserliche Schatulle, sprich: der Steuerzahler, auf.
Alleine dieses Kapitel über die Reisen lässt einen erkennen, mit wem man es bei Sisi zu tun hatte … Sie fragte nicht, was etwas kostete oder was sie anderen abverlangte – sie sah nur, was ihr selbst in den Sinn kam und das wurde umgesetzt.
So schreibt die ihr ergebene Hofdame Marie Festetics:
„Am Schiff wird es von Tag zu Tag unerträglicher … Ihre Majestät besetzt das ganze Schiff, wenn es regnet, oder am Abend weiß man nicht wohin zu gehen. Ihre Majestät erzählt die vertraulichsten Sachen, sie ist sehr lieb und gut, doch oft erschaudere ich über die schöne Seele, die in Egoismus und Paradoxen untergeht.“
Wenn das nun schon eine Frau schreibt, die der Kaiserin zutiefst ergeben war – was dachten dann erst andere von ihr? Zum Beispiel das Personal, das mitreisen musste? Wenn man alleine bedenkt, dass die Kaiserin bei jeder Witterung Wandern ging oder in See stechen ließ … (Wobei sie gerne ihre wertvollen Kleider – sobald es ihr heiß wurde – einfach zu Boden warf. Ihre Begleiter durften diese dann aufheben und tragen …)
Es ist in diesem Zusammenhang übrigens traurig in dem Buch zu lesen, was der Kaiser selbst an seine Frau geschrieben hat:
„Meine Stimmung ist melancholisch mit wehem Herzen und Heimweh nach Gastein. Als ich Gestern den Berg unter der Johannespromenade hinunter fuhr und mich traurig und sehnsüchtig nach der Helenenburg umsah, glaubte ich Deinen weißen Sonnenschirm auf dem Balkon zu erkennen und die Tränen traten mir in die Augen. Nochmals meinen heißen Dank für Deine Liebe und Güte während meines Gasteiner Aufenthaltes; so gute Tage habe ich jetzt selten.“
An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass Sisi ihren Mann nicht so alleine ließ, weil sie vielleicht hätte zur Kur gemusst oder durch andere Notwendigkeiten von ihm ferngehalten gewesen wäre. Nein! Sie machte Urlaub. Wie immer. Beziehungsweise, besuchte die Familie in Bayern. (Bei ihrem Tod stellte man übrigens fest, dass sie kerngesund war. Selbst das jahrelang vorgeschützte Herzproblem existierte nicht!)
In Bayern war sie übrigens, wie Unterreiner belegen kann, wesentlich öfter als allgemein angenommen. Sisi hielt sich sehr oft in München auf, um in der Nähe ihrer Mutter und Geschwister zu sein. Besonders an ihrer Mutter hing sie offensichtlich sehr, wohingegen sie ihre Schwestern nur dann schätzte, wenn diese sich ihr vollkommen unterordneten.
Was diese Familienbesuche anging, so waren sie nicht weniger kostspielig als ihre Fernreisen. Ein Sommeraufenthalt der Kaiserin in Feldafing und Ischl 1883 kostete umgerechnet ca. 2,7 Millionen Euro. Und das – so belegt es Hinterreiner – war nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Woher das kam? Auch dieses Rätsel wird gelöst: Die angeblich so menschenscheue und auf Einsamkeit bedachte Kaiserin reiste keineswegs nur von einer Hofdame begleitet. Mitnichten!
Jede Reise erforderte ein ungeheures Gefolge und einen ungeheuren Aufwand. Begleitet wurde sie im Normalfall von mindestens 50 Bediensteten/ Begleitpersonen. Mitgeführt wurden u.a. Mobiliar, Geschirr, Hunde, Pferde. Wobei alleine ihr Fechtmeister pro Monat umgerechnet 8.400 Euro Gehalt bekam.
Da Sisi eine zeitlang auf frischer Schafsmilch bestand, wurde nicht nur ein Schaf angeschafft, sondern eine ganze Herde gekauft.
Und was der Narreteien mehr waren.
Dies alles – wohlgemerkt – zu Zeiten, da sich Österreich in einer tiefen wirtschaftlichen Krise befand und die Menschen kaum die Kartoffeln auf dem Teller bezahlen konnten.
Wenn es nun nur Sisis Verschwendungssucht gewesen wäre, so hätte man vielleicht noch irgendwo sagen können: ja, sie war halt ein schwieriger Charakter, sie nutzte die Liebe ihres Mannes aus etc. Sie hatte als junge Kaiserin schwere Zeiten zu überstehen gehabt und war sich vielleicht auch über die Tragweite ihrer Extratouren gar nicht im Klaren …
Doch da war noch etwas anderes…
Sisi hatte einen zutiefst bösartigen Zug, der sie – beinahe soziopathisch – von scheinbar jeglicher Empathie fernhielt.
Wir alle kennen die Geschichte der zutiefst unglücklichen Ehe ihres Sohnes, des Kronprinzen Rudolf, mit Stephanie von Belgien. Das junge Mädchen, aus einem zerrütteten Elternhaus stammend (Kongo- Dämon Leopold II war ihr Vater), war weder gebildet noch schön. Sie konnte weder mit den anderen Damen bei Hof mithalten, noch gab es auch nur so etwas wie Zuneigung zwischen dem Kronprinzen und ihr.
Es steht wohl inzwischen fest, dass Rudolf seine Frau mit Syphilis angesteckt hat und sie deswegen nach der Tochter kein weiteres Kind mehr bekommen konnte. (Die Schuld dafür gab Sisi – erwartungsgemäß – der Schwiegertochter.)
Elisabeth nun – bei der wir immer wieder über ihre böse Schwiegermutter Sophie hören – entpuppte sich als Schwiegermutter from Hell für Stephanie.
Man muss nun zu Sisis Gunsten sagen, dass sie nicht erst nach der Hochzeit mit dem Stänkern gegen Stephanie anfing, sondern von Anfang an gegen die geplante Ehe anging.
So oft als möglich erklärte sie ihrem Sohn, wie unpassend das Mädchen für ihn sei und stellte unermüdlich deren Nachteile heraus. (Wobei sie da offensichtlich offene Türen einrannte …).
Da die Ehe vom Kaiser allerdings beschlossen war (und andere Prinzessinnen bereits dankend abgelehnt hatten), fand die Trauung statt.
Doch das bedeutete für Sisi keineswegs, dass sie sich geschlagen gab und die beiden jungen Leute einfach ihren gemeinsamen Weg finden ließ – die Kaiserin ließ keine Gelegenheit verstreichen, an der sie die Schwiegertochter bloßstellen oder beleidigen konnte. Dies nicht nur hinter deren Rücken, sondern auch direkt in ihr Gesicht.
War niemand da, bei dem sie über Stephanie ablästern konnte, so bedachte sie die Schwiegertochter in ihren Gedichten mit „Aufmerksamkeit“:
Ob’ron, ei! Zu deiner Rechten
Welch‘ ein mächtig Trampeltier,
Statt der langen falschen Flechten
Siehst du blondes Fell jetzt hier!
Dieses „Trampeltier“ über das sie nach dem Geburtstagsdiner anlässlich Kaiser Franz Josefs 57. Geburtstag dichtet, ist keine andere als Stephanie von Belgien.
Aber es wird in diesem „Gedicht“ noch besser, denn sie nimmt sich sogar ihre eigene Tochter Gisela mit deren Kindern vor:
Oberon zu deiner Linken,
Einer rackerdürren Sau
Blaue Äuglein ehrlich blinken
Ähnlich Dir fast im Geschau.
Ihre Ferkelein, herzig kleine,
Bracht’s sie aus dem Nachbarreich;
Sehen dort dem Vaterschweine
Bis aufs letzte Härchen gleich.
Wer solch eine (Schwieger)Mutter hat, braucht keine Feinde mehr …
So schlimm diese Zitate sind, so kurzweilig machen sie das Buch doch auch.
Die vielen alten Zöpfe, die Unterreiner gleichzeitig abschneidet, beziehen sich nicht nur auf die angeblich so einsamen Reisen der Kaiserin, sondern auch nicht zuletzt um ihre viel diskutierte Ernährung.
Es gelingt der Autorin, zum Beispiel mittels Lebensmittelrechnungen und Aufzeichnungen der Beteiligten, nachzuweisen, dass Sisi keineswegs unter Essstörungen litt.
Bulimie oder Anorexie wären auch nicht vereinbar gewesen mit dem äußerst sportiven Lifestyle, dem Sisi frönte. Seien es die Hetzjagden zu Pferd oder die tagelangen Gewaltmärsche bei Wind und Wetter durch die Berge – ohne etwas im Magen hätte sie das sicherlich nicht geschafft.
Im Gegenteil! Unterreiner stellt Sisis teilweise exzentrische Ernährung vor, die zwischen Diäten und Völlerei zu schwanken schien. So genoss sie, wenn sie sich in München aufhielt, jedesmal die Schweinshaxen und Bier im Hofbräuhaus. Ansonsten hatte sie einen Hang zu Süßem. Sei es Veilchen-Eis oder österreichisch- bayerische Mehlspeisen.
Es werden ja gerne Vergleiche zwischen Sisi und Prinzessin Diana angestellt.
Es gibt tatsächlich eine Verbindung zwischen den beiden Frauen:
Sisi hielt sich des öfteren in Althorp zu Jagden auf, jenem Schloss, in dem Diana aufgewachsen ist. Bei der Organisation ihrer Jagdaufenthalte unterstützte übrigens Dianas Ahnherr Lord Spencer, der damalige Vizekönig von Irland.
Ich fürchte, dass damit die Parallelen zwischen den beiden Frauen enden …
FAZIT:
Für mich ist das von Unterreiner vorgelegte Buch eines der wichtigsten wenn es darum geht, sich ein vollständiges Bild vom Leben der Kaiserin zu machen. Seien es ihre Reisen, ihre Ernährung oder ihre innenfamiliären Beziehungen. Hier kann man sich ein authentisches Bild der Kaiserin machen.
Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen und mich nicht eine Sekunde gelangweilt. Auch bin ich auf keinen Punkt gestoßen, den ich als schlecht belegt oder unlogisch empfunden hätte.
Schlussendlich bin ich ungeheuer froh, dass ich das Buch entdeckt habe und euch vorstellen darf.
ZUR AUTORIN:
Katrin Unterreiner ist studierte Historikerin und war lange Jahre wissenschaftliche Leiterin der Schloss Schönbrunn Ges.m.b.H. und Kuratorin des Sisi-Museums in der Wiener Hofburg. Sie veröffentlicht immer wieder Titel zum Thema k. u. k. – Monarchie und ist beratend für TV-Dokumentationen tätig.
Also – eine Frau mit enorm viel Expertise.
FAKTEN:
Katrin Unterreiner: Sisi – Das geheime Leben der Kaiserin, Ueberreuther Verlag 2023, 198 Seiten, 25 €
MEHR INFOS:
https://www.ueberreuter.at