HEXEN – HEXEN – HEXEN II

Naturwissenschaftler gegen den Rest der Welt – HEAR! HEAR!
Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit bewegte sich die Naturforschung im Spannungsfeld zwischen Tradition und Empirie. Die Forscher standen vor der Frage, inwieweit sie das überlieferte, tradierte Wissen übernehmen sollten, und inwieweit eigene empirische Untersuchungen und darauf gegründete Theorien aussichtsreich waren. Die Tradition wurde oft an den antiken Autoritäten Aristoteles oder Ptolemäus festgemacht, aber auch an Aussagen der Bibel. Mit der zunehmenden Wertschätzung neuer, überprüfbarer empirischer Ergebnisse verband sich manchmal die Polemik, andersdenkenden Forschern übertriebenes Festhalten an der Tradition (als Grund für deren von der eigenen Position abweichende Meinungen) zu unterstellen.[21] Die von Johannes Gutenberg entwickelte Technik des maschinellen Buchdrucks spielte ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Schlüsselrolle für die Verbreitung neuer Erkenntnisse und die kritische Auseinandersetzung mit ihnen. (Quelle: wikipedia)


Damit wäre die Crux des Hexenwesens und der Abgrund definiert, der sich spätestens ab dem 16. Jahrhundert in Mitteleuropa und später auch in den USA auftat, und der bis zum heutigen Tage nicht geschlossen wurde. Aberglaube gegen Aufklärung.

Ah- ha! Und wer definiert nun, was Aberglauben ist?
Das ist der ureigenste Job der Kirche. Wie bereits erwähnt, hatte die katholische Kirche bereits hunderte Jahre zuvor festgelegt, dass der Hexenglaube ein Aberglaube und damit nicht akzeptabel sei.
Eine ziemlich fortschrittliche Ansicht.
Der Glaube an Hexen und Zauberei gehörte also erklärterweise in den Bereich des Heidentums.

Okay … Und wieso hat die Kirche sich dann an den Hexenprozessen/ Hexenjagden beteiligt?
Sehr gute Frage! Setzen! Eins!
Wie kann man etwas jagen, von dem man selbst sagt, dass es gar nicht existiert???
Und das ist genau der Punkt, den ich auch viele Jahre lang nicht verstanden habe, bis ich die folgende Erklärung fand:

Hexen existieren nicht, wohl aber Leute, die an sie glauben, sowie Leute, die sich selbst für Hexen halten. (Männer wie Frauen!). Sie mischen Rituale, Magie und Kräuterkunde und bieten dies teilweise als Dienstleistung an.
So weit so unproblematisch. Auch für die Kirche. Das mit der Magie war nicht cool, aber man hat es hingenommen. In der Messe hat man die Gläubigen ermahnt, in der Beichte getadelt, aber dabei blieb es dann. Denn die katholische Kirche ist viel und vor allem PRAGMATISCH.

Und dann war plötzlich Schluss mit lustig. Leute wurden verhaftet, angeklagt, weltlichen Gerichten überstellt und abgeurteilt.
WHY?
Weil der Teufel im Detail steckt. (Betonung auf „Teufel“)
Noch einmal – für ein klareres Bild – sei Folgendes gesagt:
Kräutermedizin& Co. waren kein Problem. Auch Magie wurde straflos angewendet, um bei Leiden im weitesten Sinne zu helfen. (Magische Rituale enthielten nicht selten Bibelzitate und Gebete)
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten.
Viele Hexen begannen nämlich, ein One- Stop- Shop zu werden. Das heißt, es wurden nicht nur Tränke und Mysterien zur Heilung verkauft, sondern den Kunden auch der eine oder andere vom Hals geschafft.

Rufen wir uns also nochmals das Bild vor Augen, das die Menschen von Hexen hatten:
Eine Hexe ist eine Person, die sich mit Magie und Substanzen auskennt, über die die normalen Mitbürger praktisch nichts wissen.
Sie (oder er) kann Gutes damit tun, aber auch schaden.
Geschieht nun im Dorf etwas, für das die Leute keine Erklärung finden, liegt es auf der Hand, dass sie dahin schauen, wo die Person sitzt, die über Erklärungen verfügt – zur Hexe!

Jetzt wäre also der Beelzebub mit im Boot und ab da wird alles schwierig, denn wenn der Verdacht geäußert ist, die Hexen könnten sich mit dem Teufel eingelassen haben, kann weder Kirche noch Obrigkeit dabeistehen und mit den Schultern zucken, denn jetzt geht es um die unsterbliche Seele.
Hier ist wichtig, dass wir uns daran erinnern, dass der Teufel für die Kirche bis heute eine Realität ist. Das böse Gegenprinzip zu Gott.

Jetzt kommt schon wieder ein MERKE WICHTIG!
Wenn man die Menschen damals verstehen will, kommt man um das Thema Kirche und Religion nicht herum.
Im Deutschland des Jahres 2022 haben wir uns an den Atheismus gewöhnt. Wir holen aus dem Hier und Jetzt heraus, was wir kriegen können und scheren uns nur am Rande um das Danach …
Hölle und Fegefeuer sind keine Größen mehr in unserem Denken, und die Kirche betreten die meisten nur noch aus kunstgeschichtlichen Gründen, oder weil niemand eine Hochzeit so toll bringt wie die katholische Kirche. (Alleine die Orgelmusik und der Gang zum Altar … seufz …)

Es gab aber auch andere Zeiten – und um die kümmern WIR uns.
Inzwischen sollte auch der Letzte die Zeitreise gemacht haben und zum besseren Verständnis sein modernes Bewusstsein abschalten. (Ist auch eine Überlebensfrage … Sage im frühen 17. Jahrhundert in einem Dorf „Gott ist tot“ und schon wirst du entweder totgeschlagen, oder in ein Loch geworfen. Also behalte diese Weisheit besser für dich …)
Wir steigen in einer Zeit aus, die Atheismus nicht mal denken kann.
Kirchenkritik ist natürlich möglich (siehe dazu auch Martin Luther), kann aber gefährlich werden.

Also:
1. „Gott ist tot“ ist tot
2. Es gibt eine Hölle (Schon mal Finger verbrannt? – HÖLLE ist SCHLIMMER. Und hört blöderweise auch nicht mehr auf)
3. Hexen können hexen
4. Deine Kuh ist krank geworden und du hast nichts falsch gemacht? Denk mal nach!
5. Es gibt eine Obrigkeit im Himmel und auf Erden und wenn du gegen die vorgehen willst, z.B. mit juristischen Mitteln – viel Spaß dabei!!! (Wir sehen uns bei Punkt 2 wieder …)

Was ich hier jetzt so launig beschreibe, ist REALITÄT für die Menschen der damaligen Zeit. Sie leben in einem Obrigkeitssystem, in der absolut JEDER jemanden hat, der über ihm steht, und ihm das Leben wirklich schwer machen kann. Es handelt sich um ein engmaschiges Netz aus Verbindungen und Verbindlichkeiten.
Wenn man auch kein Leibeigener ist, so hat man sich doch an unabänderbare Regeln zu halten.
Das wiederum hat aber auch einen Vorteil: Dieses Netz trägt.
Die Kirche bildet z.B. ein Sozialsystem, das all jenen hilft, die in Not geraten sind. Ist man z.B. auf dem Weg von A nach B, bekommt man in jedem Kloster Unterkunft und Verpflegung.
(Exkurs: als sich Heinrich VIII von England von der katholischen Kirche gelöst hat, die Kirchengüter eingezogen und die Klöster aufgelöst, hat er auch gleichzeitig seinen Untertanen den sozialen Rückhalt genommen, denn er hat leider vergessen (…), das Vermögen zumindest teilweise zu teilen … Daher kam es zu Aufständen („Pilgrimage of Grace“). Es gab keine Hilfe in Not mehr und die Seele war auch noch der Verdammnis überantwortet. Ein hoher Preis, nur um eine Frau ins Bett zu kriegen und eine andere loszuwerden …)

Weiterhin ist wichtig zu bedenken, dass noch immer galt, dass das was dem Landesherrn widerfuhr auch die Bevölkerung traf. Wurde also der Fürst exkommuniziert, wurden alle Kirchen geschlossen. Es gab keine Taufen, Hochzeiten oder Beisetzungen mit dem Segen Gottes mehr.
Was das für die Menschen bedeutete, kann man sich mit unserem heutigen Denken sicherlich kaum noch vorstellen.

Bell, book and candle …
Bekannt aus Film, Funk und Fernsehen!
Kirchenbann oder Exkommunikation wurden durchgeführt, indem eine Glocke geläutet wurde (soll an die Totenglocke erinnern), die Bibel zugeschlagen und eine Kerze gelöscht wird.
Sodann wird vom betreffenden Bischof ein Brief an die den Ausgestoßenen umgebenden Diözesen geschrieben, damit der Ausgestoßene sich nicht unerlaubt Zutritt zu den dortigen Riten verschaffen kann.

Wir haben nun also schon ein wenig von jenem engmaschigen Netz kennengelernt, das die Menschen zusammen, – und manchmal auch festgehalten hat.
Dieses Netz war es, was einem im Zweifelsfall das Überleben sicherte, indem man in einer Gemeinschaft eben alles teilte.

Das Schlimmste in solch einer Gemeinschaft war – folgerichtig – ausgestoßen zu werden.
Vogelfrei zu sein war im Normalfall ein Todesurteil.
Nicht nur, dass dich jeder der wollte, ungestraft töten durfte – im Zweifelsfall hat dir keiner auch nur mit einem Brocken Brot geholfen.

Ja – vieles damals bedeutete Leben oder Tod.

Umso schwerer wog nun – um zu unserem Thema zurückzukehren – wenn sich jemand außerhalb dieser Gesellschaft stellte, sie in Frage stellte.
Oder ihr sogar Schaden zufügte.

ERINNERUNG!!!!
Wir befinden uns in einer Zeit, unter Menschen, denen Wissenschaft ein Fremdwort ist. In ihrem Horizont finden sich aber stattdessen – Erfahrungswerte!
Denkt dran: Die Menschen zu dieser Zeit unterscheiden nicht zwischen Wissen und Glauben.

Glauben IST Wissen

Und nun komme ich zu einem Punkt, der vielleicht für den einen oder anderen schwer zu verdauen ist …
Viele Hexen hielten sich selbst für Hexen.

PROUD TO BE A WITCH!

Eine Hexe war – unter Umständen sogar zurecht – stolz auf ihre Fähigkeiten, die sie besonders machten.
Zudem konnte sie anderen helfen und damit Geld verdienen.
Also – warum nicht!?
Und nun wird es unschön ———————————–
Es gab nämlich einige Hexen, die die Macht, die sie über die Gemeinschaft auszuüben vermochten, sehr genossen. Ja, man sah in der Hexe nicht nur einen netten Menschen, der einem half, sondern jemanden komplett ambivalenten. Die Hexe konnte einem helfen, im Zweifelsfall aber auch schrecklichen Schaden zufügen.
Ja, mehr noch: einige Hexen nutzten die Furcht vor ihren Fähigkeiten, um sich über Wasser zu halten. Es sind speziell aus England Fälle bekannt, wo Hexen ihre Dörfer derart in Atem hielten, dass Weiler sich auflösten und förmlich vor der Hexe flüchteten.
Wenn man die Gefahren in Betracht zieht, die den Menschen in so einem Fall drohten, bis hin zum Verlust der Existenz, so kann man verstehen, dass sich die Obrigkeit des Öfteren zum Einschreiten gezwungen sah.

Was lernt uns das? Es lernt uns, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die glauben. Sie glauben an die Fähigkeiten der Hexen und unterwerfen sich ihr.
Wenn alles gut läuft, gibt es keine Probleme.
Aber in dieser Welt lief es selten gut. Und die Probleme kamen schneller, und brutaler, als wir es uns vorstellen können.

Ich will ein Beispiel nehmen …
Die Hexen von Pendle…

Am 21. März 1612 ist Alizon Device unterwegs zum Trawten Forest, wo sie auf den Hausierer John Law trifft.
Nachdem dieser sich geweigert hat, dem Mädchen Stecknadeln zu verkaufen (er ist sich sicher, dass sie diese nicht bezahlen könnte), verflucht sie ihn.
Kurz darauf bricht Law zusammen. Wahrscheinlich mit einem leichten Schlaganfall, den er überlebt. (Diese historisch belegte Szene bildet übrigens den Auftakt zu meinem Roman „Afra – Die Geliebte des Hexenjägers“)
Ein paar Tage später besucht Alizon Law und gesteht ihm, ihn verflucht zu haben und bittet ihn um Vergebung. Ende März nun werden Alizon und ihre Mutter Elizabeth wegen Hexerei verhaftet und verhört.
Unter der Folter gesteht Alizon, einen Pakt mit dem Teufel eingegangen zu sein.
Es kommt zu mehreren Verhaftungen und Vernehmungen. Nicht alle gestehen.
Nachdem James Device ein Schaf gestohlen hatte, um Gäste seiner Frau zu versorgen, kam der Stein endgültig ins Rollen.
Es gibt weitere Anklagen.
Schlussendlich kommt es zu einem großen Aufwasch. Man hat den Eindruck, dass alle ungeklärten Todesfälle der vergangenen Jahre untersucht und den diversen Hexen zugeschrieben wurden. Alt oder jung, Mann oder Frau – es traf jeden.
Tragischer Höhepunkt der Geschehnisse war die Zeugenaussage der neunjährigen Jennet Device.
Und nun wurden die normalen Regeln der Rechtsfindung außer Kraft gesetzt.
König James VI/ I persönlich hatte nämlich festgelegt, dass bei der Wahrheitsfindung in Hexenprozessen auch Kinder aussagen können. Das war normalerweise nicht möglich.

Und so stellte man die kleine Jennet bei ihrer Aussage gegen die eigene Mutter, den Bruder und die Schwester, auf einen Tisch, damit sie gut sichtbar war.
Bis heute wird gerätselt, wieso das kleine Mädchen so frei von der Leber aussagte. Selbst von ihrer wutentbrannt schreienden, sie verfluchenden Mutter ließ sie sich nicht irritieren.
Sie erklärte, dass ihre Mutter seit 3 oder 4 Jahren eine Hexe sei und einen Schutzgeist in Form eines braunen Hundes namens Ball habe.
Jennet bezeugte, dass sie mehrere Unterhaltungen zwischen ihrer Mutter und dem Hund belauscht habe, in denen es um die später begangenen Morde ging.
Auch ihr Bruder James sagte in diesem Sinne aus. Er wusste allerdings noch zu berichten, dass die Mutter Tonfiguren ihrer Opfer angefertigt habe.
Da James sich selbst betreffend ebenfalls bereits Geständnisse gemacht hatte und Jennet ausgesagt hatte, ihr Bruder habe ebenfalls mit dem Hund über die Morde gesprochen, wurde er – genau wie der Großteil seiner Familie – zum Tode verurteilt.

Und so wurden im August 1612 zehn Menschen gehängt. Unter anderem Jennets Bruder James und die Mutter Elizabeth.

Insgesamt – so schätzt man heute – kamen bei den englischen Hexenjagden ca. 500 Menschen ums Leben.

Man fragt sich nun, was wohl aus der kleinen Jennet geworden sein mag …
Tatsächlich verliert sich ihre Spur in den Nebeln der Zeit.
Vielleicht aber auch nicht so ganz, denn es fand sich inzwischen eine Urkunde vom 24. März 1634, in dem der Name Jennet Device auf einer Liste mit 20 Namen auftaucht, die in Lancaster als Hexen angeklagt worden waren. Es ging hierbei um den Mord an Isabel Nutter.
Hauptzeuge in diesem Prozess war ein Zehnjähriger namens Edmund Robinson.
Doch diesmal ging alles nicht so glatt. Die Zeugenaussage wurde nicht akzeptiert und man brachte den Jungen vor König James, wo er seine Aussage wiederholen sollte.
Jetzt gab er zu, sich alles ausgedacht zu haben.
Gut für die Angeklagten, wird man nun denken. Doch – weit gefehlt!
Keiner der Angeklagten wurde freigelassen. Am 22. August 1636 wurde Jennet noch als inhaftiert gelistet.
Die Inhaftierten starben im Gefängnis.
Welch bittere Ironie.

Ach ja – wieso hat man die nun als unschuldig erkannten Leute nicht entlassen?
Das hing ebenfalls mit dem Justizsystem zusammen.
Ob schuldig oder nicht – jeder Inhaftierte musste selbst für seinen Unterhalt im Gefängnis bezahlen. Konnte man dies nicht, konnte man auch das Gefängnis nicht verlassen.
So war es wohl schlussendlich Jennet zum Verhängnis geworden, dass dank ihrer Aussagen Jahre zuvor ihre Familie praktisch ausgerottet worden war. Nun gab es niemanden mehr, der sie hätte auslösen können …

Fortsetzung folgt …


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