Das jordanische Königshaus und die verschwundene Königin

Normalerweise – so kennt es die Geschichte – haben Könige immer dann die größten Probleme, wenn sie keinen Nachfolger zu zeugen in der Lage sind.

Aber es gibt auch die raren Fälle, wo sie nicht zu wenig, sondern zu viele potentielle Thronerben haben.
König Hussein I von Jordanien war so ein Fall. Insgesamt vier Mal verheiratet, zeugte er in diesen Ehen insgesamt zwölf Kinder, unter anderem den heutigen König Abdullah (*1962).

Während seine ersten drei Ehefrauen (von Nummer 1 und 2 ließ er sich scheiden, die dritte kam bei einem Helikopterabsturz ums Leben) im öffentlichen Bewusstsein hierzulande nicht wirklich hängen geblieben sind, machte Ehefrau Nummer vier umso mehr Furore:

Lisa Najeeb Halaby, geboren 1951 in Washington D.C., schaffte es von 0 auf 100 in Sekundenschnelle in den deutschen und internationalen Boulevard.
Ebenso wie Königin Rania heute, beherrschte sie Woche für Woche die Schlagzeilen. Schön, intelligent, westlich orientiert und dazu noch sozial engagiert. Jeder ihrer Schritte wurde im Bild festgehalten und die Leserinnen und Leser verschlangen jede Zeile über die schöne Amerikanerin.

Offensichtlich war das Königspaar außergewöhnlich glücklich und der Altersunterschied schien sich keinesfalls störend auszuwirken.
Sie schenkte dem König vier Kinder: Prinz Hamzah (* 29. März 1980), Prinz Hashim (* 10. Juni 1981), Prinzessin Iman (* 24. April 1983) und Prinzessin Raiyah (* 9. Februar 1986).

Dann aber schlug am 7. Februar 1999 das Schicksal zu und König Hussein verstarb am Non- Hodgkin-Lymphom, dem selben Krebs, der auch Jacqueline Kennedys Leben forderte.

Der König hatte zuvor noch festgelegt, dass ihm nicht sein Bruder, sondern sein ältester Sohn Abdullah auf den Thron folgen sollte.
Seine Beisetzung zeigte demonstrativ die Qualität des verstorbenen Herrschers der Hashemiten, denn an seinem Sarg versammelten sich 17 regierende Staatschefs, Vertreter verschiedener Monarchien und früherer politischer Verhandlungspartner, darunter die ehemaligen US-Präsidenten Gerald FordJimmy Carter und George H. W. Bush. Auch der Staat Israel setzte seine Fahnen auf halbmast, denn der König hatte jahrelang – wenn auch im Geheimen – mit dem Staat Israel gesprochen und das Land immer wieder auf diplomatischen Missionen besucht. Mit Premier Jitzchak Rabin verband ihn eine persönliche Freundschaft und so war es ihm eine Selbstverständlichkeit, dass er zu dessen Beisetzung nach Israel reiste.

Es wurde nun still um Königin Noor („Licht“), wenn sie auch mit ihrer karitativen Arbeit fortfuhr und ihre Zeit zwischen Jordanien, den USA und Großbritannien aufteilte. In den Schlagzeilen erschien sie nur noch selten. Jetzt nahm Königin Rania das Rampenlicht ein

Wie ihr alle wisst, hat nun in der vergangenen Woche Kronprinz Hussein in Amman geheiratet und dabei musste ich feststellen, dass ein Name auf der Gästeliste fehlte: nämlich der der früheren Königin Noor.

Was war geschehen?

Wie wir gesehen haben, hat Königin Noor ja einen Sohn mit König Hussein, nämlich Prinz Hamzah.

Achtung – jetzt wird es ein bisschen kompliziert:

Im Jahr 1999, nämlich beim Tod des Vaters, wurde er Kronprinz. Dann bestieg sein Halbbruder Prinz Abdullah den Thron.
Prinz Abdullah überholte damit auch seinen Onkel Kronprinz Hassan Bin Talal. Dem Wunsch des Vaters Rechnung tragend, unterschrieb König Abdullah, dass sein Nachfolger nicht etwa sein ältester Sohn werden solle, sondern Prinz Hamzah. Aus diesem Grunde wurde Prinz Hamzah für mehrere Jahre Kronprinz.
Dann aber erklärte König Abdullah in einer interessanten Kehrtwende, dass nicht etwa Prinz Hamzah sein Nachfolger werden solle, sondern sein eigener (inzwischen geborener) ältester Sohn, Prinz Hussein (genau – der, der am Donnerstag geheiratet hat).

Laut der jordanischen Verfassung wird nämlich automatisch der älteste Sohn des Königs Thronfolger, außer, der König bestimmt einen seiner Brüder als Kronprinzen.

Vor allem auch für Königin Noor bedeutete dieser Schritt einen schweren Schlag.

Was war geschehen?
Im Zuge des Arabischen Frühlings hatte Prinz Hamzah sich mit Oppositionellen getroffen. Dies führte dazu, dass er 2021 durch den König unter Hausarrest gestellt wurde. Die Situation hatte sich verschärft, nachdem man Hamzah davor gewarnt hatte, sich in der Opposition zu engagieren.
Er wurde wohl nicht zuletzt wegen seiner großen Ähnlichkeit mit seinem Vater als geeigneter Ersatz für König Abdullah gesehen, dessen Regierung von der Opposition als autoritär empfunden wurde.

Königin Noor stellte sich ohne zu zögern an die Seite ihres Sohnes und erklärte Medienvertretern, dass dieser nie vorgehabt habe, den König zu stürzen. Sie wies die Vorwürfe eines versuchten Putsches entschieden zurück.

In Protest gegen die – in seinen Augen – konservative Politik König Abdullahs, legte Prinz Hamzah den Prinzentitel im Jahr 2022 ab.
So sind inzwischen Mutter und Sohn nicht mehr länger gern gesehene Gäste im Palast, auch wenn Prinz Hamzah zwischenzeitlich seine Loyalität zum Halbbruder bekundet hat.

Jetzt versteht ihr vielleicht, warum die einst so vielbewunderte amerikanische Königin der Jordanier heute nicht mehr zu Familienfeiern eingeladen wird …

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