… sind wir doch alle. Vor allem jetzt vor Weihnachten, wenn wir andere beschenken wollen. Oder auch uns selbst.
Aus diesem Grund habe ich ein hoffentlich ansprechendes Paket mit einem etwas ungewöhnlichen royalen Thema geschnürt. Es geht um Royals und das Fotografieren.
Für mich persönlich ein extrem wichtiges Thema, denn bedingt durch die Foto-Leidenschaft des 19. Jahrhunderts, haben wir zahlreiche realistische Abbildungen der Herrscher der damaligen Zeit und sind nicht mehr auf Gemälde angewiesen.
Nichts gegen Gemälde, aber viel zu oft waren sie in ihrer Qualität abhängig von den Fähigkeiten des Malers oder dem guten Willen des Auftraggebers.

Wer sich mit der Geschichte des 19. Jahrhunderts befasst, ist endlich nicht mehr auf Beschreibungen von Zeitzeugen oder die mehr oder minder wertigen Gemälde und Zeichnungen der Zeit angewiesen, sondern kann zum ersten Mal auf realistische Darstellungen von Personen zurückgreifen.
Eine Frau, die wohl wie keine andere Wegbereiterin nicht nur der Fotografie im Bereich VIPs war, sondern auch Vorreiterin in Sachen Selbstvermarktung, war die Gräfin di Castiglione.
Ihr ist der erste Band gewidmet, den ich heute vorstellen möchte:

La Castiglione – im 19. Jahrhundert eine Name wie Donnerhall.
Geboren als Virginia Elisabetta Luisa Carlotta Antonietta Teresa Maria Oldoïni am 22.3.1837 in Florenz, heiratete sie siebzehnjährig den Grafen Francesco Verasis di Castiglione. Nachdem sie den italienischen König bezirzt hatte, kam man bei Hof auf die Idee, sie nach Frankreich zu schicken, damit sie sich an Napoléon III heranmachen solle, und diesem sodann Geheimnisse zu entlocken.
Die geborene Honey-Trap.
In immer wieder ebenso freizügigen wie spannenden Auftritten, machte die Gräfin sich bald einen Namen. Gesellschaften fanden dann den meisten Zulauf, wenn die Gräfin angekündigt wurde.
Tatsächlich beeinflusste sie diverse politische Entscheidungen des Kaisers zugunsten (des noch nicht geeinten) Italien zum Beispiel im Krim-Krieg. Nachdem ihre Affäre mit dem Kaiser publik wurde, trennte sich das Grafenpaar.
Von nun an lebte die Castiglione in Paris und Turin. Praktisch vergessen, starb sie 1899 und wurde auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt.
Wie Sisi hatte sie sich in ihren letzten Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und verließ nur noch bei Nacht das Haus für ausgedehnte Spaziergänge durch Paris.
Allerdings ließ sie sich noch fotografieren. Dies in jenen Verkleidungen, die sie zu ihren Glanzzeiten getragen hatte. Betrachtet man diese Bilder heute, schaut einem eine des Lebens überdrüssig scheinende Frau entgegen, die ihren ermatteten Zügen kein Lächeln mehr abzuringen vermag.
Das vorliegende Buch gibt einen Abriss über das Leben der Castiglione, legt aber logischerweise den Schwerpunkt auf ihre Fotografien: erotische Darstellungen ihrer Beine, szenische Impressionen, sowie Darstellungen der Gräfin in ihren aufwendigen Roben.
Doch es ist wesentlich mehr als nur eine Darstellung dieser aufsehenerregende Frau – es ist ein wunderbarer Einblick in das 19. Jahrhundert. Mit der Gräfin lernen wir nämlich jenes an Exzentrikern reiche 19. Jahrhundert kennen, in dem die Menschen – entgegen unserer heutigen Vorstellungen – wesentlich freier lebten als man denkt.
Den Abschluss bietet übrigens eine hervorragende Timeline, die auch noch die wichtigsten Adresse aus dem Leben der Gräfin benennt. So können wir mit diesem Buch in der Hand Paris auf ihren Spuren erkunden.


Mit dem Band „Photographie am Hof Napoleons III – Olympe Aguado“ bleiben wir im Paris des 19. Jahrhunderts und treffen dort einen der wichtigsten Pioniere im Bereich Fotografie.
Aguado war derjenige, der die Visitenkarten mit Fotografie populär gemacht hat und gilt bis heute als einer der wichtigsten Amateur-Fotografen.
Was war nun so besonders an diesen Cartes de Visite?
Visitenkarten waren im 19. Jahrhundert unverzichtbares Utensil eines jeden Mitglieds der besseren Gesellschaft. Wollte man einen Besuch machen – in diesen Kreisen obligatorisch z.B. wenn man neu an einem Ort war – gab man die Visitenkarte ab, sodass der Hausherr(in) sofort wusste, mit wem sie/ er es zu tun hatte. Traf man bei einem Besuch niemanden an, hinterließ man dennoch seine Karte und der Besuch galt sodann als erfolgt. Man hatte also seine Pflicht getan. (Man lese dies in „Anna Karenina“ nach …)
Fand sich ein Foto auf dieser Karte, demonstrierte man nicht nur, dass man etwas auf sich hielt – man zeigte sich zugleich als Speerspitze des Fortschritts, nutzte man doch diese bahnbrechende neue Technik. Na – und, dass man Geld hatte, zeigte man obendrein. War doch das fotografiert werden nicht gerade ein billiger Spaß.
Das Foto vom Cover des Buches ist übrigens ein scherzhaftes Familienporträt, denn alle Beteiligten wenden dem Betrachter den Rücken zu. Aguado machte übrigens die bemerkenswertesten Aufnahmen mit seiner Familie, die auf den Fotos zum Teil „Lebende Bilder“ nachstellten.
Zudem hat er die gesamte vornehme Gesellschaft des Hofes von Napoleon III fotografiert und diese finden wir unter anderen auch in diesem Buch wieder.
Das Besondere an seinen Porträts war im Übrigen, dass er sich nicht mit schlichten drapierten Vorhängen als Hintergrund zufrieden gab, sondern offensichtlich einen Bühnenmaler beschäftige, der die entsprechend theatralischen Inszenierungen für die Fotos schuf.
Was uns der Schirmer-Mosel- Verlag hier vorstellt, ist ein wahres Schatzkästlein von frühen Fotografien, die sonst sicherlich nur Fachleuten zugängig wären. Dank Wolfgang Kemp können wir sie tagtäglich genießen und so einen Einblick in die Vergangenheit erhalten, der uns sonst entgangen wäre.
Was speziell diesen Punkt angeht, hat mir das Buch einen wichtigen Anstoß zum Nachdenken geliefert: Warum wurden die Hof-Fotografen keine weltberühmten Künstler wie noch ihre Vorgänger mit Pinsel und Leinwand? Es lag wohl am Format. Die Ölgemälde wurden in Schlössern ausgestellt und von zahllosen Menschen gesehen. Die Fotografien hingegen verschwanden zumeist in Alben oder standen zu dutzenden gerahmt auf irgendwelchen kleinen Tischen.
Das in meinen Augen wichtigste Foto, das Aguado nie gemacht hat, war allerdings jenes seiner Geliebten Marie Duplessis, der berühmten „Kameliendame“. Die beiden verband eine vergleichsweise lange Beziehung und es war Aguado, der zusammen mit anderen Männern Maries Beisetzung organisierte und auch bezahlte.

Begeben wir uns nun in den deutschen Sprachraum und zwar in den Südosten – nach Österreich!

Michaela Pfundner legt mit diesem Buch einen wunderbaren Titel für all jene vor, die längst einmal wissen wollten, wie die Familie von Kaiser Franz Josef „in Echt“ ausgesehen hat.
Im Zentrum stehen die Arbeiten des Hoffotografen Ludwig Angerer …
1858 gründete er zusammen mit Hugo von Strassern das erste Fotoatelier, bereits 2 Jahre später war er selbständig und „kuk Hof-Photograph“.
Und auch bei Angerer finden wir die „Carte de Visite“ mit Foto wieder. Er war der erste, der sie, aus Paris kommend, in Wien populär machte. Man sieht, dass hier ein eindeutiger Bedarf gedeckt wurde.
Doch wir erfahren noch viel mehr! Wir erleben hochherrschaftliche Damen, die sich rauchend ablichten ließen und Herren, die sich auf Fotos selbst in den Mantel helfen.
Sich fotografieren lassen war ein wichtiges Freizeitvergnügen des (Hoch)Adels, wie wir hier sehen. Ob man sich in den prachtvollen Kostümen für entsprechende Bälle festhalten ließ, oder die Schlösser, in denen man lebte.
Dies übrigens ein ungemein wichtiges Zeitbild, denn viele dieser Schlösser und Villen existieren heute nicht mehr.
Fotos mit den Lieblingshaustieren waren auch enorm wichtig, wie wir besonders bei der Kaiserin Elisabeth sehen, denn es gibt zahlreiche Bilder mit ihren Hunden, aber nur eines mit ihren Kindern …
Es ist vor allem Angerer zu verdanken, dass wir heute diese hervorragenden Bilder haben und wissen, wie der Adel der damaligen Zeit wirklich ausgesehen hat.
Übrigens ist das Buch auch für Fans der historischen Mode eine echte Fundgrube, denn all die wunderbaren Kleider des 19. Jahrhunderts sehen wir hier getragen und die Fotos sind so scharf, dass man jedes Detail hervorragend erkennen kann.
Vom Format her ist es vielleicht nicht wirklich ein ausgesprochenes Coffee-Table-book, aber dennoch wunderbar dazu geeignet, immer wieder hervorgeholt und durchgeblättert zu werden, zumal die Texte, die jedes Kapitel einleiten, wirklich interessante historische Informationen bergen.

Der Allitera Verlag hat mit diesem großformatigen Band das sicherlich umfangreichste Buch meines heutigen Weihnachtsfest-Pakets vorgelegt.
Es verfolgt aber auch ein großes Ziel: die Darstellung der Wechselwirkung zwischen dem Haus Wittelsbach und der Fotografie des 19. Jahrhunderts.
Wir sehen durch den ganzen Band hinweg, wie wichtig ein Fürstenhaus war, wenn es darum ging, eine solche neue Technik bekannt zu machen und ihr Popularität zu verschaffen. Nur so konnte es gelingen, breite Massen für die Fotografie zu gewinnen. Dies zu einer Zeit, als der Siegeszug des Mediums keineswegs gesichert war.
Ebenso haben die Wittelsbacher früh das politische Potential der Fotografie erkannt. Zum ersten Mal konnten die Bilder von Fürsten und Fürstinnen für kleines Geld in Massen unters Volk gebracht werden.
Was für mich aber am schönsten bei diesem Buch ist: das Wiedersehen mit alten Bekannten. Begonnen mit Franz von Kobell, jenem Multitalent, der die erste so genannte Lichtzeichnung im deutschen Reich schoss und der auch hierzulande heute noch als der Dichter des „Brandner Kasper“ bekannt ist.
Von Kobell hat aber auch eine Beziehung zu meiner Geburtsstadt Mannheim: sein Vater war ebenfalls dort zur Welt gekommen und so verfasste Kobell auch literarische Werke in der Mannheimer Mundart. (P’älzische G’schichte‘. In der Mundart erzählt. München 1863)
Wir finden aber auch ein wunderbares Porträtgemälde der Therese Königin von Bayern, gemalt von Julie Gräfin von Egloffstein in dem Buch.
Diese Julie von Egloffstein taucht als „Julemuse“ in Thomas Manns Roman „Lotte in Weimar“ wieder auf, den ich so sehr mag.
Übrigens war es Königin Therese, die sich von Professor von Kobell in einem Kurs in die Kunst des Fotografierens einführen ließ. Was sogar einen Zeitungsartikel wert war.
Wir treffen bei den Foto-begeisterten Wittelsbachern natürlich auch Sisi, die bereits 1854 abgelichtet wurde.
An einem Armreif mit eingelassenem Foto der Kaiserin aus dem Jahre 1864 sehen wir, dass Fotos sehr bald schon zu persönlichen Liebesgaben wurden. In diesem Fall stammte das Porträt der Kaiserin von jenem Ludwig Angerer, den wir bereits kennengelernt haben.
Wir begleiten das Haus Wittelsbach nunmehr durch die Jahrzehnte bis hin zu Prinzregent Luitpold und seinem fotografisch festgehaltenem winterlichen Eisbad.
Seien es nun solche Aufnahmen der fürstlichen Freizeitbetätigung, oder auch Familienereignisse wie Hochzeiten und Todesfälle – alles wurde fotografisch festgehalten. Selbst das Innere der Schlösser wurde geknipst und so erhielt man der Nachwelt viele Eindrücke der längst verlorenen Lebenswelt des Hochadels.
Wir bewegen uns mithin durch die bewegte Familiengeschichte der Wittelsbacher, die auch bayerische Geschichte und gleichzeitig Fotografie-Geschichte ist.
Dass der Band sehr gute Fotos anbietet, versteht sich beinahe von selbst. Aber auch der Textteil nimmt breiten Raum ein. Es ist von daher kein Buch, das man innerhalb weniger Stunden durchliest. Auch ist es kein langweiliges Buch über die reine Entwicklung der Technik, sondern vielmehr ein Buch über die Menschen, die dieser Technik zum Siegeszug verholfen haben.
Übrigens ist dem Buch eine herausnehmbare Stammtafel der Wittelsbacher beigelegt für alle, die sich mehr Klarheit über die familiären Bezüge verschaffen wollen …
DIE FAKTEN:
Wolfgang Kemp: Olympe Aguado: Photographie am Hof Napoleons III., Schirmer-Mosel Verlag 2023, 120 Seiten, 39,80€
Catharina Berents: Contessa di Castiglione: Photographie am Hof Napoleons III.: Die Femme fatale des Second Empire, Schirmer-Mosel Verlag 2023, 120 Seiten, 39,80€
Michaela Pfundner: Der Fotograf des Kaiserhauses: Ludwig Angerer (1827–1879), Edition Winkler-Hermaden 2022, 160 Seiten, 38,90€
Bernhard Graf: Das Haus Wittelsbach und die Fotografie: Fotografie und Film erobern das Königreich Bayern, Allitera Verlag 2022, 224 Seiten, 35,00 €
Mehr zu den Verlagen:
Allitera Verlag: https://allitera-verlag.de
Schirmer- Mosel Verlag: http://www.schirmer-mosel.com/deutsch/index.htm
Edition Winkler-Hermaden: https://www.edition-wh.at